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Allergie

Vorbeugung: Kann man eine Allergie bei Kindern verhindern?

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin & Allergologin bei der Barmer)

Der Schutz vor Allergien beginnt bereits in der Schwangerschaft. Wichtige Faktoren, damit Kinder keine Allergie entwickeln, sind später die Ernährung in der frühen Kindheit, die hygienischen Bedingungen zu Hause und ein natürlicher Kontakt mit der Umwelt. Großen Einfluss  hat zwar auch die Genetik – für die Allergie-Prävention kann man aber einiges tun.

Was der genaue Grund dafür ist, dass Allergien in den vergangenen Jahrzehnten immens zugenommen haben, ist noch nicht geklärt. Laut einer großen Studie des Robert Koch-Instituts litt zuletzt innerhalb von zwölf Monaten fast jedes zehnte Kind zwischen drei und 17 Jahren unter Heuschnupfen. Bei Asthma waren es vier Prozent. Angesichts solcher Zahlen stellt sich unweigerlich die Frage: Ließe sich dies nicht irgendwie verhindern? Eine erste Antwort lautet: zum Teil schon. 

Können schon Babys Allergien haben?

Babys werden in der Regel nicht als Allergiker geboren. „Das Ziel sollte sein, dass Kinder auf natürlichem Wege eine Toleranz gegenüber potenziellen Allergenen entwickeln können“, erklärt Prof. Karl-Christian Bergmann, Allergologe am Allergie-Centrum der Charité Universitätsmedizin Berlin. Allerdings ist nur ein gewisser Teil des Risikos zu beeinflussen, dass ein Kind Heuschnupfen, Asthma oder Neurodermitis, also eine so genannte atopische Erkrankung, entwickelt. 

Eine große Rolle spielt das Erbgut. Wenn beide Elternteile unter einer Allergie leiden, liegt die Wahrscheinlichkeit, dass es auch ihrem Kind so ergehen wird, bei mindestens 50 Prozent. Ganz egal, welche Maßnahmen man dagegen ergreift.

Wie hoch ist das Allergierisiko bei einem Kind, wenn mindestens ein Elternteil Allergiker ist?  

SachverhaltWahrscheinlichkeit in %
wenn kein Elternteil allergisch ist0 bis 15 %
wenn ein Elternteil allergisch ist20 bis 24 %
wenn beiden Elternteile allergisch sind50 bis 60 %
wenn beide Elternteile allergisch mit derselben Allergie sind 60 bis 80 %

Quelle: Deutscher Allergie- und Asthmabund (DAAB) 

Kann man das Allergierisiko testen lassen? 

Einen verlässlichen Test, um das individuelle Allergierisiko genau einzuschätzen, gibt es nicht. Nur die Vorgeschichte der Familie kann Hinweise geben. Zudem weiß man heute, dass das Erbgut nicht ein Leben lang unveränderlich ist. „Umwelteinflüsse wirken sich auf das Erbgut aus und verändern es“, sagt Prof. Karl-Christian Bergmann. 

So ist beispielsweise bekannt, dass werdende Mütter epigenetische Veränderungen im Embryo hervorrufen, wenn sie rauchen, und damit das Asthmarisiko des ungeborenen Kindes steigern. Auch dass sich diese Konsequenzen bis in die dritte Generation fortsetzen, ist bekannt. Wie diese Prozesse auf molekularer Ebene genau ablaufen und sich eventuell sogar gezielt beeinflussen lassen, ist allerdings noch nicht im Detail geklärt.

So hoch der Einfluss der Gene auch sein mag, die gute Nachricht ist, dass es Handlungsspielraum gibt, um Kinder vor Erkrankungen aus dem sogenannten atopischen Formenkreis zu schützen. „Immerhin lässt sich das Risiko mit geeigneten Maßnahmen um bis zu 50 Prozent senken“, sagt Sonja Lämmel, Oecotrophologin beim Deutschen Allergie- und Asthmabund (DAAB).

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Schützt Muttermilch vor Allergien?

Einen riesigen Fortschritt machte die Allergieforschung in den 1930er-Jahren nach einer Studie aus den USA. Wissenschaftler beobachteten an mehr als 200.000 Säuglingen, dass diese siebenmal so häufig Ekzeme entwickelten, wenn sie nicht gestillt, sondern mit abgekochter Kuhmilch gefüttert wurden.

In den darauffolgenden Jahrzehnten wurden diese Erkenntnisse von Wissenschaftlern sowohl widerlegt als auch bestätigt. Dass Muttermilch einen schützenden Effekt bezüglich späterer Allergien haben kann, hat sich als ein zentraler Ansatzpunkt aber gehalten. „Wir empfehlen heute, dass Säuglinge in den ersten vier Monaten möglichst voll gestillt werden sollten“, sagt Allergologe Prof. Karl-Christian Bergmann. „Dies gilt umso mehr, wenn es in der Familie bereits atopische Erkrankungen gab.“

Bekommen Kinder, die auf dem Land aufwachsen, seltener eine Allergie? 

Wissenschaftler des Münchner Dr. von Haunerschen Kinderspitals beschrieben in den sogenannten „Bauernhofstudien“, dass Kinder, die auf einem Bauernhof aufwachsen, deutlich seltener unter Heuschnupfen und Asthma leiden als andere Kinder.

 Auf dem Misthaufen und im Kuhstall wachsen sie in einem Umfeld auf, in dem sich ihr Immunsystem ganz natürlich mit mikrobiellen Kleinstlebewesen auseinandersetzen muss – ob über Staub eingeatmet oder durch direkten Hautkontakt. Was für manche Eltern schrecklich unhygienisch wirken mag, scheint für das Immunsystem in der Konfrontation mit Bakterien und Pilzen ein vernünftiges frühes Training zu sein, so die Erkenntnis der Forscher.

In der modernen Zivilisation der Großstädte dagegen, geprägt von Wohlstand und Hygiene, hat das Immunsystem womöglich nicht mehr automatisch die Möglichkeit, ein Gleichgewicht zwischen notwendiger Abwehr und gesunder Toleranz gegenüber Krankheitserregern zu finden. Eventuell spielt auch eine Rolle, dass viele Bauernkinder unbehandelte Kuhmilch trinken. Dieser Spur gehen Wissenschaftler aktuell nach.

„Lange Zeit galt das Ideal, man müsse Allergene möglichst meiden, um ein Kind vor Allergien zu schützen“, beschreibt Facharzt Karl-Christian Bergmann. „Heute wissen wir, dass wir den umgekehrten Weg gehen sollten: nämlich die frühe Begegnung mit Allergenen bewusst zu suchen.“ 

Solche Bedingungen finden sich zum Beispiel im Wald und auf Wiesen, wo sich das Immunsystem darauf trimmen kann, auf heimische Blütenpflanzen angemessen zu reagieren. Und wenn der Schnuller einmal auf den Boden fällt – kein Grund, ihn gleich abzukochen und zu sterilisieren.

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Tipps: Wie kann ich mein Kind vor Allergien schützen? Und was erhöht das Risiko? 

„Je früher Kinder die richtige Allergiediagnose und damit eine passende Therapie erhalten, umso besser für sie“, sagt Sonja Lämmel vom Deutschen Allergie- und Asthmabund. „Noch besser wäre es aber, wenn eine Allergie erst gar nicht entsteht.“ Zum Glück gibt es einige Maßnahmen, die hierbei helfen.

Stillen

In den ersten vier Monaten sollten Sie Ihr Kind, wenn möglich, voll stillen. Viele Studien haben inzwischen nachgewiesen, dass Muttermilch offenbar einen schützenden Effekt vor Allergie hat. Wenn es mit dem Stillen nicht klappen sollte, eignet sich Spezialnahrung, sogenannte HA-Nahrung („HA“ steht für „hypoallergen“). Sie enthält Eiweiß in einer speziell aufgespaltenen Form: Vollmilch- und Molkeeiweiße sind darin quasi zerstückelt und dadurch möglicherweise weniger allergen. Das ist in den ersten vier Lebensmonaten von Vorteil. Ziegen- und Schafsmilch oder Sojagetränken haben keinen Schutzeffekt vor Allergien. Auch wenn die Mutter während der Schwangerschaft oder des Stillens eine spezielle Diät einhält, hat dies aus Sicht von Allergologen keinen Nutzen. Wichtig ist gleichwohl, dass die Ernährung ausgewogen ist. Am besten essen Sie mindestens einmal pro Woche Fisch.

Beikost

Wenn das Kind nach dem vierten Lebensmonat immer mehr Nährstoffe braucht, ist es sinnvoll, beizufüttern. Schrittweise werden Milchmahlzeiten durch Brei ersetzt – ohne auf potenzielle Nahrungsmittelallergen zu verzichten. Fisch wie Lachs, Hering, Makrele oder Sardine bereits im ersten Lebensjahr in den Brei zugeben, kann laut Studien sogar einen schützenden Effekt haben.

Entbindung per Kaiserschnitt

Aktuell kommt jedes dritte Kind in Deutschland per Kaiserschnitt zur Welt. Es gibt aber Hinweise darauf, dass dies das Risiko für spätere Allergien erhöht, vor allem für Asthma. Wenn Sie beim Geburtsverfahren die Wahl haben, sollten Sie dies berücksichtigen. „Dafür verantwortlich ist vermutlich, dass das Immunsystem eines Säuglings bereits beim ersten Kontakt mit Bakterien im Vaginalkanal herausgefordert wird, sich damit auseinanderzusetzen“, erklärt Allergologe Karl-Christian Bergmann. „Bei einem Kaiserschnitt entfällt dieses frühe Training.“

Übergewicht

Der Zusammenhang ist noch nicht abschließend geklärt, aber offensichtlich steigt mit einem erhöhten Body Mass Index (BMI) das Risiko, dass Kinder an Asthma erkranken. Eltern sollten also auch diesem Grund versuchen, etwas gegen Übergewicht bei ihrem Kind zu unternehmen.

Tabakrauch

Vor allem in der Schwangerschaft, aber auch später ist Passivrauch allgemein ein immenses Gesundheitsrisiko für Kinder. Dies gilt nicht weniger für Allergien und Asthma. Verzichten Sie Ihrem Kind zuliebe auf Tabakkonsum!

Luftschadstoffe

Wer an stark befahrenen Straßen wohnt, hat ein erhöhtes Allergie- und vor allem Asthmarisiko. Kinder sollten Stickoxiden und anderen kleinen Partikel, speziell aus Autoabgasen, möglichst wenig ausgesetzt sein.

Schimmel in Innenräumen

Schimmelpilze mögen es warm und feucht. Sie sind ein Risikofaktor, um Allergien zu entwickeln. Innenräume sollten keine hohe Luftfeuchtigkeit haben und gut durchgelüftet werden. Spezielle Maßnahmen, damit Kinder nicht in Kontakt mit Hausstaubmilben kommen, empfiehlt die Leitlinie dagegen nicht.

Haustiere

Familien mit erhöhtem Allergierisiko sollten sich keine Katze neu anschaffen, wenn sie Nachwuchs bekommen. Für Hunde konnte dies nicht nachgewiesen werden. Wenn es keine Vorbelastung für Allergien gibt, spricht vermutlich nichts dagegen, ein Tier mit Fell zu halten. Die Studienlage hierzu ist allerdings noch unklar.

Impfungen

Es gibt keine Belege, dass Impfungen das Allergierisiko erhöhen – wohl aber, dass sie dieses Risiko senken können. Wenn Sie bei Ihrem Kind alle empfohlenen Schutzimpfungen durchführen lassen, kann Ihr Kind von diesem Effekt profitieren. 

Seife, Cremes und Shampoos

Setzen Sie bei Ihrem Kind Seife, Cremes und Shampoos sparsam ein. Außerhalb sollten die Produkte möglichst keine Duft- und Farbstoffe enthalten. 

Ohrloch und Schmuck

Ein Ohrloch sollten Sie Ihrem Kind nicht schon in der frühen Kindheit stechen lassen. Auch Modeschmuck sollte erst einmal tabu sein, da dies das Risiko für Kontaktallergien erhöhen könnte.

Eincremen

Falls Ihr Baby auch nur kleinste Hautveränderungen zeigt, die den Symptomen einer Neurodermitis ähneln, sollten Sie es im ersten Lebensjahr konsequent zweimal täglich eincremen. Vor allem nach dem Baden ist dies wichtig. Dies unterstützt die Hautbarriere und verringert die Wahrscheinlichkeit, dass sich hartnäckige Ekzeme ausbilden oder es in der Oberhaut zu einer Sensibilisierung kommt.

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Eine Hyposensibilisierung kann während der Pollensaison begonnen werden, aber auch schon im Winter. Die Behandlung ist für Barmer-Versicherte kostenfrei.

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