Etwa 30 Millionen Deutsche haben eine Allergie – ihr Immunsystem reagiert überempfindlich auf manche körperfremden Stoffe (Allergene), zum Beispiel Hausstaub, Pollen, Tierhaare oder Nahrungsmittel. Tränende Augen, Magen-Darm-Beschwerden, anaphylaktischer Schock und Co.: Warum fällt die Immunabwehr bei einigen Menschen so heftig aus und verursacht Asthma, Heuschnupfen, Neurodermitis oder Darmprobleme? Und wie kann man sich schützen, zum Beispiel mit einer Therapie?
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Eine Allergie wird durch sogenannte allergieauslösende Stoffe (Allergene) verursacht. Allergene werden zumeist eingeatmet (Blütenpollen oder Hausstaub) oder über die Nahrung in den Körper gelangen (Erdnüsse, Äpfel, Milcheiweiß bei einer Nahrungsmittelallergie). Auch der Kontakt mit der Haut kann beispielsweise bei verschiedenen Metallen oder Chemikalien (Kontaktallergie) oder durch UV-Strahlen (Sonnenallergie) zu allergischen Reaktionen führen.
Besonders häufig sind Proteine (Eiweißstoffe) von Pollen, Milben oder Schimmelpilzen die Ursachen für Allergien – sie haben ein sehr hohes Allergiepotenzial. Theoretisch kann jedoch jede beliebige Substanz die lästigen Symptome verursachen. Bei manchen Allergikern treten die Beschwerden nur saisonal auf, etwa wenn bestimmte Pollen fliegen. Andere Menschen haben ganzjährig Symptome, wie zum Beispiel bei einer Tier- oder Hausstauballergie.
Viele Allergiker leiden unter mehreren Allergien „gleichzeitig“: Sie reagieren allergisch auf Stoffe einer bestimmten Gruppe, die sich biologisch oder chemisch sehr ähnlich sind. Das nennt man Kreuzallergie oder auch Kreuzreaktion.
Knapp jeder dritte Deutsche leidet im Laufe seines Lebens unter einer allergischen Erkrankung. „In den vergangenen 30 Jahren - also in nur einer Generation - hat sich die Zahl der Menschen mit Allergien verdoppelt“, sagt Prof. Dr. Eva Untersmayr-Elsenhuber, Projektleitung am Institut für Pathophysiologie und Allergieforschung an der Medizinischen Universität Wien. „Die Gründe dafür liegen im Lebensstil und verschiedenen Umweltfaktoren.“ Einige Allergien wie zum Beispiel die Erdnussallergie nehmen stärker zu als andere.
Es wird zwischen vier unterschiedlichen Allergietypen unterschieden: Typ-I-Allergie oder Soforttyp-Reaktion, Typ-II-Allergie oder zytotoxische Reaktion, Typ-III-Allergie oder Immunkomplexreaktion und Typ IV oder Spättyp-Reaktion. Mehr zu den einzelnen Allergietypen
Bei einer allergischen Reaktion reagieren zunächst meist die Körperstellen, die unmittelbar Kontakt mit dem Allergieauslöser hatten: die Atemwege, Haut oder Schleimhäute. Wer einen Apfel isst, gegen den er allergisch ist, spürt einen Juckreiz im Mund und am Gaumen. Lippen und Rachenschleimhaut können anschwellen, das Atmen kann schwerer fallen. Wer Heuschnupfen hat und bestimmte allergieauslösende Pollen einatmet, bemerkt die Symptome zuerst an den Schleimhäuten im Gesichtsbereich: die Nase läuft und die Augen jucken.
Bei einer Allergie auf Nahrungsmittel, Insektengift oder bestimmte Medikamentenwirkstoffe kann es im schlimmsten Fall zu einer anaphylaktischen Reaktion kommen. Sie ist ein echter Notfall und kann auch lebensgefährlich werden. Dabei weiten sich die Beschwerden auf andere Körperbereiche aus – zum Beispiel auf den Magen-Darm-Trakt, die Atemwege oder das Herz-Kreislauf-System. So kann es zu Juckreiz, Schwellungen, Bauchschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, aber auch Bewusstseinsstörungen, Atemnot und Blutdruckabfall kommen. In solch einem Fall sollte schnellstens ein Notarzt gerufen werden.
Ganz selten treten auch langfristige, schwere Reaktionen auf, bei denen Organe geschädigt werden oder sich die Haut großflächig ablöst.
Unter Heuschnupfen leiden Allergiker nur, wenn Pollen fliegen – also ab Ende Januar, wenn die Haselblüte beginnt. In den letzten Jahren startete die Heuschnupfensaison aufgrund der milden Winter jedoch oft schon zum Jahreswechsel und dauerte bis Oktober. Allergien auf Hausstaubmilben oder Haustiere führen in der Regel das ganze Jahr über zu Beschwerden, da die Allergene immer in der Luft sind. Bei Allergien auf Medikamente und Insektengift sind die Beschwerden zwar auf einzelne Situationen beschränkt, fallen dann aber meist deutlich stärker aus. Wespen- und Bienenstiche muss man natürlich vor allem in den Sommermonaten fürchten.
Die Wissenschaft kennt circa 150 Genvarianten, die Allergien begünstigen können. In Kombination mit Umweltschadstoffen, Pollen, einem geschwächten Immunsystem oder belasteten Wohnräumen können bei genetisch vorbelasteten Menschen allergische Reaktionen auftreten. Das Risiko, eine Allergie zu entwickeln, steigt bei Kindern auf etwa 30 Prozent, wenn eines der Elternteile unter einer Allergie leidet. Sind beide Elternteile Allergiker, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit sogar auf 50 bis 60 Prozent. Bei Mädchen steigt das Risiko, wenn die Mutter Allergikerin ist, bei Jungen, wenn der Vater allergische Reaktionen zeigt.
Es gibt immer weniger naturbelassene Lebensräume. Die meisten Menschen leben heute in Ballungsgebieten und sind so ständig Belastungen ausgesetzt, die das Immunsystem überfordern und Allergien hervorrufen können, zum Beispiel durch:
Häufig wird behauptet, dass sich mit einer bestimmten Ernährung Allergien vorbeugen lässt. Dies ist jedoch umstritten – wissenschaftliche Belege gibt es lediglich bei Babys: Füttert man ihnen noch vor dem sechsten Lebensmonat Brei mit verschiedenen Getreidesorten, sinkt das Risiko für eine Glutenunverträglichkeit deutlich. Auch die Verträglichkeit von Fisch steigt deutlich, wenn man ab dem vierten Monat Fisch zufüttert. Eine natürliche Geburt und Stillen beugt atopischen Erkrankungen wie Heuschnupfen und Neurodermitis vor.
Infektionen (wie Infekte der Bronchien) scheinen einen gewissen Einfluss auf die Entstehung und den Verlauf allergischer Erkrankungen zu haben – vor allem im Kindesalter. Allerdings sind je nach Allergie die verantwortlichen Mechanismen sehr unterschiedlich und sind wissenschaftlich noch nicht umfassend erforscht.
Seelischer und körperlicher Stress kann vermutlich eine Allergie begünstigen. So wurde beobachtet, dass familiäre oder beruflich bedingte Stresszustände Krankheitsschübe auslösen. Probleme in der Familie, Ärger im Beruf oder Erschöpfung verschlechtern bei Allergikern den Hautzustand (Neurodermitis) oder die Symptome des Asthmas. Es gibt sogar Hinweise dafür, dass sich das Risiko für Kinder erhöht, eine Allergie zu entwickeln, wenn ihre Mutter in der Schwangerschaft Stresssituationen erlebte.
Nahrungsmittel- und Kreuzallergien. So fanden chinesische Forscher heraus, dass das regelmäßige Essen von Fast Food beispielsweise Heuschnupfen oder Neurodermitis entstehen lassen kann. Kinder mit Übergewicht leiden zudem häufiger unter Asthma.
Auf der anderen Seite wird der Einfluss der Ernährung auf Allergien jedoch oft auch überschätzt: Dass bestimmte Lebensmittel eine Allergie noch zusätzlich befeuern, wurde bisher nicht bewiesen – lediglich bei Lebensmittelallergien ist das natürlich der Fall. Vorbeugende Ernährungseinschränkungen sind daher nicht nötig. Grundsätzlich sollten keine Nahrungsmittel zur Allergievorbeugung gemieden werden – abgesehen von Lebensmitteln, die der Allergiker nachweislich nicht verträgt.
Allergien beginnen meist schon im Kindes- und Jugendalter und bleiben oft ein Leben lang bestehen. Manche bilden sich aber im Jugend- und Erwachsenenalter zurück. So können bestimmte Nahrungsmittelallergien auf Milch oder Hühnerei auch wieder verschwinden – eine Erdnussallergie hingegen seltener. Ob sich eine Allergie wieder vergeht, hängt also vom Auslöser, den Lebensumständen und dem Alter ab.
Bei den meisten Allergien sind die Beschwerden anfangs nur leicht, mit der Zeit werden sie dann stärker. Manchmal kommen weitere Erkrankungen hinzu. So kann Heuschnupfen über viele Jahre zu einem sogenannten Etagenwechsel führen. Das bedeutet, dass sich die Beschwerden von den oberen Atemwegen (Nase, Rachen) auf die unteren Atemwege verlagern (Bronchien) und ein allergisches Asthma entsteht.
Leiden Heuschnupfengeplagte zeitgleich unter Neurodermitis, können die entsprechenden Pollen manchmal einen Neurodermitis-Schub auslösen. Eine allergische Reaktion auf Pollen kann mit einer Allergie auf bestimmte Nahrungsmittel einhergehen (vor allem Steinobst wie Kirschen, Äpfel oder Aprikosen, aber auch Karotten). Dann spricht man von einer Kreuzallergie. Diese entsteht, weil die unterschiedlichen Allergene ähnliche Eiweiße enthalten, auf die das Immunsystem reagiert.
Verhindern lassen sich Allergien oft nicht. Bestimmte Maßnahmen können das Risiko jedoch möglicherweise etwas senken. So bekommen Kinder, die in ihren ersten vier bis sechs Lebensmonaten ausschließlich gestillt wurden, etwas seltener Allergien. Auch Nichtraucher und Kinder, die in rauchfreier Umgebung aufwachsen, haben ein geringeres Allergierisiko. Der Verzicht auf einen Hund oder eine Katze beugt jedoch bei Menschen ohne ein erhöhtes Allergierisiko der Entstehung von Allergien nicht vor. Haben Menschen jedoch ein hohes Allergierisiko und reagieren bereits auf mehrere andere Allergene, kann es sinnvoll sein, auf die Anschaffung einer Katze zu verzichten. Mehr zum Thema Vorbeugung bei Kindern
Pollenflug-Kalender und entsprechende Informationsseiten im Internet können zeigen, wie hoch die Belastung in der eigenen Region ist. Und wer einige Maßnahmen beachtet, reduziert den Kontakt mit den Pollen deutlich, zum Beispiel nicht im Schlafzimmer umziehen, abends die Haare waschen, Pollenschutzgitter vor den Fenstern und im Auto.
Um langfristig unempfindlicher gegen die Allergene zu werden, kann bei einigen Allergien eine Hyposensibilisierung (spezifische Immuntherapie) durchgeführt werden. Bei dieser Behandlung werden ähnlich wie bei einer Impfung regelmäßig niedrige Dosen des Allergens in die Haut gespritzt (anfangs einmal in der Woche, später einmal im Monat) oder unter die Zunge gegeben (täglich für mindestens drei Monate). In der Regel werden die verschiedenen Behandlungszyklen innerhalb von drei Jahren durchgeführt. Bei Insektengiftallergien beispielsweise kann bereits nach einigen Monaten von einer guten Wirksamkeit der Hyposensibilisierung ausgegangen werden, die aber dann über die nächsten Monate noch weiter gefestigt wird. Bei einigen wenigen Betroffenen muss eine Hyposensibilisierung lebenslang durchgeführt werden. Die Hyposensibilisierung wird vor allem bei Allergien gegen Pollen, Hausstaubmilben und Insektengift angeboten. Der Behandlungserfolg ist abhängig von Art und Anzahl der behandelten Allergene. Mehr zum Thema
Eine Allergie im eigentlichen Sinne ist eine Neurodermitis nicht. Sie tritt allerdings häufig gemeinsam mit Allergien und allergischen Symptomen wie Heuschnupfen oder allergischem Asthma auf, oder geht diesen voraus. Weil die Haut durchlässig ist für fremde Stoffe, wähnt das Immunsystem eine vermeintliche Notlage, die eigentlich gar nicht besteht. In der Folge wachsen Hautzellen überproportional schnell und zahlreich, der Schutzfilm auf der Haut ist falsch zusammengesetzt. Die Haut von Neurodermitikern ist häufig sehr trocken und juckt.
Selbst erfahrende Allergologen tun sich schwer, eine Pseudoallergie einzuordnen. Bei einer Pseudoallergie treten ähnliche Symptome auf, das Immunsystem ist aber nicht als Auslöser daran beteiligt. Sie lassen sich auch nicht mit den klassischen Allergietests fassen. „Trotzdem leiden die Betroffenen unter ganz realen Beschwerden, die nicht eingebildet sind“, erklärt Allergologe Ulf Darsow. Die Reaktion auf der Haut kann sich – im Gegensatz zu einer „echten“ Allergie – bereits beim ersten Kontakt zeigen. Auslöser können künstliche Zusatzstoffe in Lebensmitteln oder Medikamente sein. Sie aktivieren direkt die Mastzellen der Immunabwehr, ohne dass eine Erkennung des Auslösers durch die T-Lymphozyten erfolgt ist. Dies wiederum führt zu den Entzündungsprozessen, wie man sie auch als Ergebnis der allergischen Reaktion kennt.
Die „Sonnenallergie“ (polymorphe Lichtdermatose (PLD)) ist zwar die häufigste, aber nur eine von mehreren Formen photoallergischer Reaktionen. Einige dieser Reaktionen werden durch lichtsensibilisierende Stoffe wie Kosmetika, Medikamente oder Pflanzenbestandteile ausgelöst, wenn sie in Kontakt mit Sonnenlicht kommen. Symptome zeigen sich meist an Armen, Dekolleté, Händen, Schultern und Beinen. Sie treten oft erst Stunden bis Tage nach dem Sonnenbad auf.
Generell unterscheidet man phototoxischen und photoallergischen Reaktionen: Erstere kann jeden treffen, zweitere lediglich Menschen, die bereits gegen bestimmte Stoffe sensibilisiert wurden. Weiterlesen
Typisch für eine Urtikaria sind plötzlich auftretende juckende Quaddeln auf der Haut. Sie kann scheinbar ohne besonderen Grund oder nach bestimmten Reizen wie Kälte oder Sonnenlicht auftreten und wird auch Nesselsucht oder Nesselfieber genannt. Es gibt eine akute und eine chronische Form. Obwohl eine Urtikaria auf den ersten Blick wie eine heftige allergische Reaktion aussieht, ist nur bei einem geringen Anteil der Fälle von rund fünf Prozent eine Allergie der Auslöser.