Eine junge Schwangere wird in einer Apotheke beraten
Schwangerschaft

Welche Medikamente darf ich in der Schwangerschaft nehmen?

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Constanze Löffler (Wissenschaftsjournalistin, Ärztin)

Qualitätssicherung

  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Frauen, die schwanger sind, sollten Medikamente am besten komplett meiden. Natürlich gibt es Situationen, in denen Schwangere Beschwerden haben und dringend medikamentöse Hilfe brauchen. Oder sie leiden an chronischen Erkrankungen wie Asthma, Epilepsie oder Bluthochdruck, die zwingend die Einnahme von Medikamenten erfordern. Dann werden Ärzte und Ärztinnen Arzneimittel verordnen, für die es ausreichende Erfahrungen während der Schwangerschaft gibt. Für fast jede Indikation gibt es mittlerweile in dieser Lebensphase gut verträgliche Medikamente. Ansonsten gilt der dringende Experten-Rat, die Beschwerden möglichst mit Hausmitteln und sonstiger nicht-medikamentöser Unterstützung in den Griff zu bekommen.

Möglichst wenige Medikamente in der Schwangerschaft

Es ist schon fast eine Binsenweisheit: Während der Schwangerschaft sollten Frauen möglichst wenig Medikamente einnehmen, im besten Fall sogar ganz darauf verzichten.

Dass dies jedoch nicht der Fall ist, zeigt die Online-Befragung des Arzneimittelreports 2021 der Barmer Von knapp 1.300 befragten Frauen wendeten nur elf Prozent Arzneimittel in Selbstmedikation vor der Schwangerschaft häufig oder regelmäßig und 31 Prozent selten an. In der Schwangerschaft stieg der Anteil deutlich auf 56 beziehungsweise 17 Prozent an. So haben insgesamt drei von vier Frauen in der Schwangerschaft selbst ausgewählte Arzneimittel und/oder Nahrungsergänzungsmittel eingenommen. Beruhigend zu wissen: Trotz viele neuer Medikamente auf dem Markt hat die Rate an Fehlbildungen bei Neugeborenen in den vergangenen Jahrzehnten nicht zugenommen. Sicherheitshalber sollten Sie jeden behandelnden Arzt darauf aufmerksam machen, dass Sie schwanger sind – auch Ihren Zahn- oder Augenarzt. Ein Gespräch mit Ihren Ärzten empfiehlt sich im besten Fall bereits dann, wenn Sie eine Schwangerschaft planen.

Werden Medikamente an Schwangeren getestet?

Medikamente dürfen aus ethischen Gründen nicht an Schwangeren getestet werden. Darum gibt es kaum wissenschaftliche Daten zu den einzelnen Wirkstoffen, wie und ob sie die Entwicklung des ungeborenen Kindes beeinträchtigen. Aufgrund mangelnder Daten hat die Pharmaindustrie auf den Beipackzetteln der meisten Medikamente bei Schwangerschaft die Hinweise „kontraindiziert“ oder „strenge Indikationsstellung“ vermerkt. Frauen und selbst Ärzte sind sich daher oft unsicher, wie risikoreich die verschiedenen Mittel für das Ungeborene sind. Diese Unsicherheit und falsche Informationen beispielsweise aus dem Internet führen bis heute dazu, dass Frauen ihre Behandlung und mitunter sogar die Schwangerschaft abbrechen. Eine kompetente Beratung kann das verhindern. Nähere Informationen zur Bedeutung der Beratung vor und während der Schwangerschaft zum Thema Medikation können Sie im Arzneimittelreport 2021 nachlesen.

Jede Arzneimittelbehandlung in der Schwangerschaft erfordert eine Risiko-Nutzen-Abwägung, bei welcher der Arzt therapeutische Alternativen berücksichtigen sollte und sich überlegen muss, welche Konsequenzen eine Nicht-Behandlung hat – für die Mutter und für das Kind. Die Empfehlungen für Schwangere basieren in der Regel auf Erfahrungen in der Langzeitanwendung und Einzelfallbeschreibungen, wenn Frauen die Medikamente eingenommen, weil sie nicht wussten, dass sie schwanger sind oder weil sie diese als harmlos erachtet haben. Umso kürzer Medikamente und Wirkstoffe zugelassen sind, desto geringer ist der Erfahrungsschatz mit ihnen – und desto lückenhafter ist die Datenlage. Darum empfehlen Mediziner Schwangeren tendenziell ältere Medikamente mit einem größeren Erfahrungsschatz.

Wie entstehen Behinderungen in der Schwangerschaft?

Wie empfindlich das Ungeborene auf Umweltstoff, Gifte und Medikamente reagiert, hängt von verschiedenen Faktoren ab: von der Art des Medikaments, wie lange und wie häufig es einwirkt, von der genetischen Ausstattung des Embryos und von seinem Entwicklungsstadium. In den ersten Wochen gilt das sogenannte Alles-oder-Nichts-Prinzip: Bis etwa zur fünften Schwangerschaftswoche kommt es zur Fehlgeburt, wenn äußere Einflüsse die kindlichen Zellen zu stark geschädigt haben. Zwischen sechster und zwölfter Schwangerschaftswoche entwickeln sich die Organe. In dieser Phase reagiert der Embryo besonders empfindlich auf Medikamente und andere Gifte, sodass während dieses Zeitraums die meisten Fehlbildungen entstehen. Mit zunehmender Dauer der Schwangerschaft nimmt das Risiko für Fehlbildungen ab. In der Zeit danach bis zur Geburt kann vor allem die gesunde Entwicklung des Gehirns beeinträchtigt werden.

Wie wirken Medikamente auf das Ungeborene?

Lange Zeit ging man davon aus, dass der Mutterkuchen eine Art Filter ist – und das Ungeborene vor Giften, Arzneistoffen und anderen Molekülen schützt. Mittlerweile ist klar: Fast alle chemischen Stoffe, denen die Mutter ausgesetzt ist, erreichen auch den Embryo. Jede Schwangere, die Medikamente einnimmt, „behandelt“ also das Kind im Mutterleib mit. Die Arzneistoffe erreichen den Embryo in der Regel über die Nabelschnur auf dem Blutweg. Sie können aber auch indirekt wirken, indem sie

  • den mütterlichen Stoffwechsel verändern,
  • die Durchblutung von Mutterkuchen und Gebärmutter beeinflussen,
  • Nebenwirkungen auf die Muskulatur der Gebärmutter haben oder die mütterliche Blutgerinnung verändern.

Welche Medikamente sind gefährlich für Schwangere?

Die Anzahl der Arzneisubstanzen, die dem Kind in jedem Fall Schaden zufügen, ist überschaubar. Konsum von Alkohol und harten Drogen führt viel häufiger zu einer Schädigung des Kindes als die Einnahme eines Arzneistoffes. Dazu gehören zum Beispiel Derivate (verwandte Stoffe) von Vitamin-A-Säure wie Isotretinoin, das Hautärzte gegen Akne einsetzen. Unter den Mitteln gegen Anfallsleiden, sogenannte Antiepileptika, gilt Valproinsäure als fruchtschädigend. Es erhöht das Fehlbildungsrisiko und kann die Hirnentwicklung beeinträchtigen. Auch das Immunsuppressivum Methotrexat, ein Folsäurehemmer, wird für Fehlbildungen verantwortlich gemacht. Ärzte verschreiben den Arzneistoff gegen Schuppenflechte, rheumatoide Arthritis und entzündliche Darmerkrankungen. Bei anderen Mitteln ist die schädigende Wirkung von der eingesetzten Menge und dem Zeitpunkt der Einnahme während der Schwangerschaft abhängig. Allerdings gibt es kaum einen Wirkstoff, nach dessen Einnahme eine Schwangerschaft in jedem Fall beendet werden muss.

Was muss ich bei der Einnahme pflanzlicher Arzneimittel beachten?

Pflanzliche Wirkstoffe gelten in unserer westlichen Welt oft als besonders verträglich und nebenwirkungsarm. Doch gerade Schwangere sollten sie zurückhaltend einnehmen. Denn: Nur die wenigsten pflanzlichen Arzneimittel sind gut untersucht. Oft handelt es sich dabei um Wirkstoffmischungen, zu deren Sicherheit es keine verlässlichen Daten gibt. Gerade Produkte aus dem Internet sind oft nicht ausreichend deklariert und mitunter schadstoffbelastet. Phytopharmaka auf alkoholischer Basis sollten Schwangere grundsätzlich nicht einnehmen. Die meisten Experten empfehlen Schwangeren, auf herkömmliche, synthetische Mittel zurückzugreifen, für die es während der Schwangerschaft ausreichend Erfahrungen gibt.

Einige pflanzliche Wirkstoffe sind in der Schwangerschaft aus unterschiedlichen Gründen nicht erlaubt: Sennesblätter, Keuschlammfrüchte oder Wacholderbeeröl können die Muskulatur der Gebärmutter aktivieren, Süßholzwurzel führt zu hormonellen Veränderungen. Sonnenhutkraut und Kava-Kava gelten als giftig. Für viele andere Pflanzenmedikamente gibt es keine Hinweise auf eine schädigende Wirkung auf das Ungeborene – aber eben mehr positive Erfahrungen für andere Wirkstoffe für eine Anwendung während der Schwangerschaft.

Welche Mittel eignen sich für die Selbstmedikation?

Schwangere besorgen sich Arzneimittel auch selbst in der Apotheke, denn viele Präparate sind rezeptfrei erhältlich. Das heißt allerdings nicht automatisch, dass solche frei verkäuflichen Mittel harmlos und für Schwangere unbedenklich sind. Sagen Sie der Apothekerin oder dem Apotheker also auf jeden Fall Bescheid, dass Sie schwanger sind, wenn Sie sich Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel besorgen möchten. Er oder sie wird die Präparate auf ihre Verträglichkeit in dieser sensiblen Lebensphase checken. Bei der Wahl des richtigen Präparates gilt:

  • Schwangere sollten Präparate bevorzugen, die nur einen Wirkstoff beinhalten. Je mehr Arzneistoffe kombiniert werden, desto schwieriger ist es, Risiken abzuwägen.
  • Im ersten Schwangerschaftsdrittel verzichten Frauen am besten vollständig auf Arzneimittel.
  • Arzneimittel sind so hoch wie nötig und so niedrig wie therapeutisch möglich zu dosieren.
  • Schwangere sollten die Arzneimittel so kurz wie möglich einnehmen.
  • Jede Medikation sollte auf das unbedingt Notwendige beschränkt werden.
  • Frauen sollten während der Schwangerschaft möglichst Behandlungsalternativen ohne Medikamente nutzen.

Wo kann ich mich genauer informieren?

Viele Frauen kennen das Dilemma, plötzlich während der Schwangerschaft oder Stillzeit krank zu werden. Wenn der Weg an Arzneimitteln nicht vorbeiführt, steht die Frage im Raum, welche Medikamente eingenommen werden dürfen, ohne dem Kind zu schaden. Wichtige Anlaufstellen für Unterstützung und Beratung sind die Apotheke sowie die Haus- oder Frauenarztpraxis.

Was ist Embryotox?

Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité-Universitätsmedizin Berlin, kurz Embryotox, hält auf seiner Webseite und in seiner App Informationen zur Anwendung während Schwangerschaft und Stillzeit für über 400 Medikamenten bereit. Ein Ampelsystem (rot, grau, grün) zeigt an, ob ein Medikament geeignet ist und welche Alternativen es dazu gibt. Zudem informiert Embryotox zu häufigen chronischen und akuten Erkrankungen und Behandlungsmöglichkeiten. Schwangere können sich zudem per Fragebogen oder telefonisch beraten lassen. 

Was ist der Arzneimittelpass des Deutschen Grünen Kreuzes?

Zusätzlich zum Mutterpass gibt es den Arzneimittelpass für Schwangere und Stillende des Deutschen Grünen Kreuzes. Viele medizinische Einrichtungen wie Apotheken, Arztpraxen, Kliniken oder Hebammen halten den Pass gegen eine Schutzgebühr bereit. Im vorderen Bereich werden häufige Beschwerden während Schwangerschaft und Stillzeit erklärt und welche Mittel dafür geeignet sein können. Auf den folgenden Seiten können Sie alle Medikamente eintragen (lassen), die Sie während der Schwangerschaft einnehmen. Bringen Sie den Pass zu jedem Arzt-Termin und in die Apotheke mit. 

Was ist Reprotox?

Die Abteilung Reprotox der Universität Ulm berät Schwangere und Stillende mit Hilfe einer Datenbank FETIS zum Einsatz von Medikamenten in dieser sensiblen Zeit sowie über fruchtschädigende Umweltfaktoren. 

Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) setzt sich für mehr Sicherheit bei der Versorgung mit Arzneimitteln ein. Dafür entwickelt das BMG Aktionspläne mit verschiedenen Maßnahmen und Empfehlungen, die helfen, unnötige Arzneimittelnebenwirkungen und Wechselwirkungen zu vermeiden. Die Empfehlungen richten sich dabei nicht nur an Ärztinnen und Ärzte. Der aktuelle Aktionsplan bietet eine neue, umfangreiche Patienteninformation zur Medikamenteneinnahme für Frauen mit Kinderwunsch sowie Schwangere und Stillende an. Die Patienteninformation unterstützt für den Besuch in der Arztpraxis oder der Apotheke und im eigenverantwortlichen Umgang mit Arzneimitteln.

Literatur und weiterführende Informationen

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