Junge Frau steht auf einer Brücke und schaut aufs Wasser
Angst

Behandlung von Angststörungen: Welche Methoden sind wirksam?

Lesedauer weniger als 8 Min

Redaktion:

Dr. med. Madeleine Vinnemeier (Ärztin, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Nele Peerenboom (Psychologin, PhD)

Behandlung von Angststörungen: Drei Fakten

Psychotherapie bei Angststörungen

Die kognitive Verhaltenstherapie hat sich als wirksam erwiesen. Betroffene lernen dabei, das Zusammenspiel zwischen Gedanken, Gefühlen und Verhalten zu erkennen und zu verändern. 

Medikamente gegen Angststörungen

Auch Medikamente können bei einer Angsterkrankung helfen. Sie wirken nicht sofort und sollten für einen Zeitraum von mindestens sechs bis zwölf Monaten eingenommen werden. 

Selbsthilfe bei Angststörungen

Betroffene können selbst aktiv werden, um sich wieder besser zu fühlen. Zum Beispiel mit Entspannungsmethoden, regelmäßiger Bewegung und dem Austausch mit anderen Menschen. 

Angststörungen sind häufig, nahezu jede dreizehnte Person in Deutschland erhielt im Jahr 2023 die Diagnose Angststörung. Das bedeutet: Viele Menschen leben mit unterschiedlichen Ängsten, die ihr Leben und ihr Wohlbefinden stark einschränken. Die gute Nachricht: Angststörungen lassen sich sehr gut behandeln. Auch die Betroffenen selbst können einiges tun, um einen guten Umgang mit ihrer Angst zu entwickeln. Je früher eine Therapie beginnt, desto leichter ist es oft, die Ängste zu lösen. Die Behandlungsoptionen im Überblick. 

Behandlung von Angststörungen

Angst ist ein normaler Teil unseres Lebens: In bedrohlichen Situationen dient Angst als Warnsignal und hilft, unnötige Risiken zu vermeiden. Anders ist es hingegen bei den Angststörungen. Bei ihnen tritt die Angst ohne konkrete Bedrohung oder übersteigert auf. Sie hindert Menschen oftmals daran, ein normales Leben zu führen. In diesem Fall ist die Angst behandlungsbedürftig. 

Fachleute sind sich einig, dass Betroffenen zur Behandlung der meisten Angststörungen zum einen eine Psychotherapie und zum anderen eine Behandlung mit Medikamenten angeboten werden sollte. Ausnahmen bilden spezifische Phobien wie etwa eine Flugangst, bei denen Medikamente in der Regel nicht angezeigt sind. 

In den anderen Fällen müssen Medikamente und Psychotherapie auch nicht immer kombiniert werden. Denn was die erkrankte Person persönlich bevorzugt, ist ebenfalls wichtig für die Entscheidung. Das bedeutet, die Therapie sollte zu ihrem Alltag und ihren Bedürfnissen passen. Die Schwere der Erkrankung und die örtliche Verfügbarkeit von therapeutischen Angeboten sind ebenfalls mitentscheidend dafür, ob eine Therapie ambulant oder stationär durchgeführt werden sollte. 

Die allgemeinen Behandlungsziele bei Angststörungen sind es,

  • die Angstsymptome zu reduzieren,
  • das Vermeidungsverhalten abzubauen,
  • die Rückfallwahrscheinlichkeit zu reduzieren und
  • die soziale und berufliche Integration und Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern.

Psychotherapie bei Angststörungen

Bei allen Angststörungen – dazu gehören die generalisierte Angststörung, die Panikstörung, die spezifischen Phobien und die soziale Phobie – hat sich die kognitive Verhaltenstherapie als besonders wirksam erwiesen. Alternativ können auch psychodynamische Verfahren wie eine analytische Psychotherapie oder eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie zum Einsatz kommen, die weiter unten erklärt werden. Psychotherapie wird beispielsweise von psychologischen Psychotherapeuten und Psychotherapeutinnen oder Ärztinnen und Ärzten mit entsprechender Weiterbildung angeboten. Die Dauer der Psychotherapie ist je nach Verfahren und Diagnose unterschiedlich. Manche Betroffene verspüren schon nach wenigen Sitzungen Erleichterung, andere müssen langfristig am Ball bleiben und nach und nach lernen, mit ihrer Angststörung umzugehen.

Kognitive Verhaltenstherapie bei Angststörungen: Gedanken, Gefühle und Verhalten hängen zusammen

Bei der kognitiven Verhaltenstherapie lernen Betroffene, dass die Art und Weise, wie eine Situation interpretiert und bewertet wird, bestimmte Gefühle hervorruft. Das bedeutet: Wenn ich meine Denkweise ändere, ist es möglich, dass ich mich besser fühle und leichter mit beängstigenden Situationen umgehen kann. 

Menschen mit Angsterkrankungen können so die Unterschiede zwischen Gedanken und Gefühlen neu kennenlernen und verstehen, dass Gedanken, Gefühle und Verhalten miteinander zusammenhängen. Sie lernen, aufkommende Gedanken zu überprüfen: Entsprechen diese wirklich der Wahrheit und sind sie überhaupt hilfreich? 

Ein fiktives Beispiel: 

Maria leidet unter einer sozialen Phobie und hat große Angst, auf einer Party negativ beurteilt zu werden. Das beeinträchtigt ihr Leben, da sie gesellschaftliche Events oft vermeidet und sich isoliert fühlt. In den Sitzungen mit ihrem Therapeuten arbeitet Maria daran, ihre negativen Gedanken zu erkennen und zu verändern. 

Sie stellt etwa fest, dass sie bei sozialen Zusammentreffen vor allem befürchtet, dass sie sich blamiert und andere Personen sie für langweilig halten. Gemeinsam mit dem Therapeuten hinterfragt sie diese Gedanken. Der Experte ermutigt Maria, realistischere und konstruktivere Gedanken zu formulieren, zum Beispiel, dass es möglich ist, dass sie auf einer Feier gute Unterhaltungen führt. Oder dass die meisten anderen Besucherinnen und Besucher wahrscheinlich freundlich sein werden und sich auf die Feier konzentrieren werden, nicht auf sie.

Im weiteren Verlauf der Behandlung plant Maria, sich ihren Ängsten schrittweise zu stellen, indem sie zunächst an einem kleineren Treffen teilnimmt. Dies nennen Fachleute Exposition. Maria setzt sich ihrer Angst aus, reflektiert ihre Gedanken während und nach dem Treffen und bespricht diese mit ihrem Therapeuten. 

Durch diese Methoden lernt Maria allmählich, dass veränderte Denkgewohnheiten ihre Angst reduzieren und sie in sozialen Situationen sicherer werden kann. Außerdem kann sie korrigierende Erfahrungen machen: Maria erlebt direkt, dass die Realität anders sein kann als das, was sie befürchtet oder erwartet hat.

Psychodynamische Psychotherapie bei Angststörungen: Unbewusste Konflikte erkennen

Die psychodynamische Psychotherapie kommt bei Angststörungen seltener zum Einsatz. Wenn die kognitive Verhaltenstherapie nicht ausreichend wirksam ist oder eine psychodynamische Behandlung zu einer Person besser passt als die Verhaltenstherapie, kann sie eine sinnvolle Behandlungsalternative darstellen. Sie kann beispielsweise bei der Panikstörung, der generalisierten Angststörung und der sozialen Angststörung zur Anwendung kommen. 

Die psychodynamische Psychotherapie entwickelte sich aus der Psychoanalyse, die der österreichische Arzt Sigmund Freud begründete. In Deutschland zählen die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie zur psychodynamischen Psychotherapie. Beide Verfahren arbeiten unter anderem mit unbewussten inneren Konflikten, der Unterschied zwischen den beiden Verfahren besteht im Setting der Therapie (im Sitzen oder Liegen, in einer Gruppen- oder einer Einzeltherapie) und auch in der Häufigkeit der Sitzungen.

Ein Therapeut legt einem jungen Mann ermutigend die Hand auf die Schulter

In einer Psychotherapie lernen Sie, Ihre Ängste besser zu verstehen und mit bewährten Methoden aktiv zu bewältigen, damit Sie Ihren Alltag wieder selbstbestimmter gestalten können.

Eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie-Sitzung könnte wie in diesem Beispiel ablaufen:

Robert leidet unter Ängsten und einem geringen Selbstwertgefühl. Während der Therapie bietet die Therapeutin Robert einen offenen Raum, in dem er frei über seine Gedanken, Gefühle und Erinnerungen reden kann. Im Laufe der Sitzungen beginnt Robert, über seine Kindheit und seine Beziehung zu den Eltern zu sprechen. Er erinnert sich daran, dass seine Eltern sehr hohe Erwartungen an ihn gestellt haben und er oft das Gefühl hatte, seine Leistungen seien nicht gut genug. Kritik war häufiger als Lob, die Eltern zeigten zudem wenig Anerkennung für seine Anstrengungen.

In der Therapie wird Robert ermutigt, alte Denkmuster infrage zu stellen und neue Sichtweisen zu entwickeln. Dadurch, dass er sich der Muster bewusstwird, kann er neue Selbstbeurteilungen finden, die realistischer und weniger selbstkritisch sind.

Medikamentöse Therapie bei Angststörungen

Medikamente können bei einer Angststörung als alleiniges Mittel oder in Kombination mit einer Psychotherapie Anwendung finden. Bei spezifischen Phobien wie einer Flugangst oder Angst vor Spinnen sollte Betroffene eine Psychotherapie durchführen.

Antidepressiva: Sie wirken auch auf die Neurotransmitter im Gehirn

Erprobt sind bei den Angststörungen vor allem Antidepressiva aus der Gruppe der SSRI, der selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer. Sie wirken in der Regel nach einigen Wochen (2 bis 6 Wochen) und erhöhen zum einen die Serotoninkonzentration an den Enden der Nervenfasern im Gehirn, den Synapsen. Serotonin ist ein Botenstoff im Hirn, der positiven Einfluss auf die Stimmung hat. Zum anderen wird dank der Forschung immer klarer, dass SSRI auch die Lern- und Aufnahmefähigkeit des Gehirns über eine Erhöhung der Neuroplastizität verbessern. Neuroplastizität ist die Fähigkeit des Gehirns, sich anzupassen, Neues zu verarbeiten und Aufgaben umzuverteilen. So können diese Medikamente helfen, das in der Psychotherapie Erlernte zu verarbeiten und zu verfestigen. Neben den SSRI können auch andere Psychopharmaka zur Behandlung von Angsterkrankungen eingesetzt werden. Besonders häufig werden dazu sogenannte SNRI verwendet, also Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer. Sie erhöhen sowohl die Serotoninkonzentration als auch die Konzentration eines anderen Neurotransmitters (Noradrenalin). Meist werden die Substanzen für mindestens sechs bis zwölf Monate eingenommen.

Pflanzliche Mittel: Rezeptfrei und hilfreich bei Unruhezuständen

Lavendel findet häufig als Hausmittel zur Beruhigung Verwendung – als Tee, Aromaöl, Badezusatz oder als Kissen mit Lavendel in der Füllung. Gegen Unruhezustände bei ängstlicher Verstimmung ist Lavendelöl auch in Kapselform rezeptfrei erhältlich. Lavendel hat eine angstlösende und beruhigende Wirkung, die Kosten werden von den Krankenkassen jedoch bisher nicht übernommen.

Für die Behandlung von Angststörungen stehen sowohl Psychotherapie als auch bestimmte Medikamente zur Verfügung.

Für die Behandlung von Angststörungen stehen sowohl Psychotherapie als auch bestimmte Medikamente zur Verfügung. Aber Sie können auch selbst etwas tun, um die Therapie zu unterstützen, wie zum Beispiel regelmäßige Bewegung.

Unterstützende Methoden: Entspannungsverfahren, Sport und Selbsthilfegruppen

Entspannungsverfahren sind nicht nur bei psychischen und körperlichen Erkrankungen, sondern auch präventiv zur Erhaltung der Gesundheit sinnvoll. Bei den Angststörungen werden sie als eigenständige Therapieform, aber auch als Bestandteil der Verhaltenstherapie angewendet. Sie sollen die erhöhte Grundanspannung, die bei einer Angststörung vorliegen kann, verringern. Besonders gut eignet sich dazu die progressive Muskelentspannung. Dabei werden nacheinander verschiedene Körperbereiche zunächst für ein paar Sekunden angespannt und danach bewusst wieder entspannt. Entspannungsmethoden sollten regelmäßig ausgeübt werden, um sie auch in Stresssituationen wirksam einsetzen zu können.

Andere Maßnahmen, die bei Angsterkrankungen hilfreich sein können, sind regelmäßiger Sport und die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe. Betroffene können voneinander lernen und merken zudem: Ich bin mit meinen Ängsten nicht allein. Mithilfe von Therapie, Unterstützung und gegebenenfalls Medikamenten ist es auch mit einer Angststörung möglich, ein erfülltes Leben zu führen und die Ängste Schritt für Schritt zu überwinden.
 

Literatur und weiterführende Informationen

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