Trauriges Kind mit dem Skateboard auf der Schulter
Angst

Angst: Das Warnsignal unseres Körpers

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Redaktion:

Catharina Gerber (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Angst: Drei Fragen, drei Antworten

Warum haben Menschen überhaupt Angst?

Die Angst erfüllt eine wichtige Schutzfunktion und ist ein wichtiges Warnsignal in bedrohlichen Situationen. Sie verhilft uns zu schnellem Handeln und schützt uns vor Unachtsamkeit. 

Wie entsteht Angst in unserem Körper?

Kommt die Angst in uns auf, schaltet sich ein ganzes Angstnetzwerk ein. Neben bestimmten Gehirnstrukturen spielen dabei auch Stresshormone wie Adrenalin eine wichtige Rolle. 

Warum lieben Menschen Nervenkitzel?

Viele Menschen suchen die Angst – etwa beim Achterbahnfahren. Ein Grund: Ein bestimmter Hormoncocktail sorgt nach der angstauslösenden Situation für ein wohliges Gefühl.

Sie schnürt einem die Kehle zu, sitzt einem im Nacken oder lässt die Knie schlottern: Die Rede ist von der Angst. Oft wird sie als lästig oder als Zeichen von Schwäche betrachtet. Dabei erfüllt die Angst eine lebenswichtige Funktion. Aber was genau ist ihre Aufgabe? Was passiert, wenn wir Angst haben und wann wird Angst zum Problem? Zeit, sich die Angst einmal genauer anzuschauen.

Was ist Angst und welche Aufgabe hat sie?

Die Angst hat einen schlechten Ruf. Sie führt zu intensiven unangenehmen Körperempfindungen, die wir am liebsten schnell wieder loswerden möchten. Aber die Angst ist per Definition neben beispielsweise Wut, Trauer und Freude eine wichtige menschliche Basisemotion. Sie hat keine geringere Aufgabe als unser Überleben zu sichern und uns vor Gefahren zu warnen. Anders gesagt: Ohne die Angst könnte der Mensch nicht existieren. 

Die Fähigkeit, ängstlich zu sein, haben wir von Spezies geerbt, die viel älter sind als der Mensch. Früher trieb die Angst unsere Vorfahren dazu an, vor dem berühmten Säbelzahntiger davonzurennen. Und auch wenn die Wahrscheinlichkeit, im Alltag auf einen Säbelzahntiger zu treffen, mittlerweile gering ist, versetzt die Angst uns bis heute in Alarmbereitschaft und befähigt uns zu Höchstleistungen, wenn wir in brenzlige Situationen geraten. Dank der Angst halten wir uns zum Beispiel auf einem steilen Weg lieber am Geländer fest, um nicht abzustürzen.

Wie zeigt sich Angst?

Bekommen wir es mit der Angst zu tun, zeigt sich das anhand typischer Symptome, die den Körper auf eine Ausnahmesituation und rasches Handeln vorbereiten. Das Herz schlägt schneller, um mehr Blut durch den Körper zu pumpen. Der Blutdruck steigt. Auch die Atmung wird schneller, damit wir mehr Sauerstoff aufnehmen können. Die Muskeln spannen sich an und wir beginnen zu schwitzen, um uns abzukühlen. Gleichzeitig fährt der Körper weniger dringende Funktionen wie die Verdauung und die Immunabwehr vorübergehend herunter, damit er seine Energie auf das Wesentliche konzentrieren kann. Dazu kommen kognitive Anzeichen wie Grübeln und sorgenvolle Gedanken. Wir fragen uns, was schiefläuft oder was wir tun können, um uns zu schützen. 

Diese Symptome sind Teil des sogenannten Kampf-, Flucht- oder Erstarrungssystems, auch Fight-, Flight- oder Freeze-System genannt, das bei Angst aktiviert wird. Fühlen wir uns stark genug, um der Gefahr entgegenzutreten, gehen wir in den „Angriff“. Überwiegt das Gefühl der Bedrohung, reagieren wir mit Flucht oder Schreckstarre. Ist der angstauslösende Moment vorbei, verschwinden die Angstsymptome meist schnell wieder von allein und der Körper wechselt vom Alarm- in den Entspannungsmodus.

Wie entsteht Angst im Körper?

Es gibt nicht die eine Gehirnstruktur oder das eine Hormon, das für die Entstehung von Angst zuständig ist. Angst wird vielmehr von mehreren Hirnarealen und Stresshormonen gesteuert. Fachleute sprechen auch von einem Angstnetzwerk, wenn es um die Wahrnehmung, Bewertung und Reaktion auf angstauslösende Einflüsse geht. 

Ein wichtiger und viel untersuchter Bestandteil dieses Netzwerks ist die Amygdala, auch Mandelkern genannt. Diese mandelförmige Struktur findet sich beim Menschen unter der Oberfläche des Gehirns in der Nähe der Schläfen (nahe der Ohren). Die Amygdala hat unter anderem die Aufgabe, Sinneseindrücke emotional zu bewerten und eine Bedrohung zu erkennen. Bei Bedarf alarmiert sie über den Hypothalamus (ein bestimmter Teil des Zwischenhirns) das Nervensystem und aktiviert das Fight-, Flight- oder Freeze-System aus. Der Körper reagiert mit den oben beschriebenen Anzeichen – etwa aufgrund der Ausschüttung verschiedener Stresshormone wie Adrenalin. 

Welchen Reiz hat die Angst?

Wir schauen schaurige Krimis im Fernsehen, machen atemberaubende Achterbahnfahrten und so mancher wagt sogar den Sprung ins Ungewisse beim Bungee-Jumping aus schwindelerregender Höhe. Menschen bringen sich oft absichtlich und zur puren Unterhaltung in Angstsituationen. Sie suchen den Nervenkitzel. Im englischsprachigen Raum fällt dann der Begriff „Thrill“. Hierzulande ist auch von der Angstlust die Rede. Aber: Warum suchen wir den Thrill? Woher kommt diese Angstlust? Eine Erklärung: Sobald der Körper oder das Gehirn erkannt hat, dass der unmittelbare Angstauslöser keine (echte) Bedrohung mehr darstellt, wird der Körper im Wesentlichen vom Hormon Dopamin durchflutet, das uns ein euphorisches, beglückendes Gefühl verleiht. Kein Wunder also, dass sich viele uns immer wieder bereitwillig in aufregende Momente stürzen.

Mann schwingt an einem Seil und springt in einen See

Der Sprung ins Ungewisse: Nach einer Angstsituation schüttet der Körper Dopamin aus. Für manche ein unwiderstehlicher Reiz.

Gibt es Menschen ohne Angst?

Großen Spinnen und Schlangen versetzen wohl die meisten Menschen in Angst. Nicht aber Personen mit dem sogenannten Urbach-Wiethe-Syndrom. Sie begegnen diese Situationen nahezu furchtlos, wie eine Untersuchung mit einer Betroffenen nahelegt. Bei dem Syndrom handelt es sich um eine sehr seltene genetisch bedingte Erkrankung, bei der ein Bestandteil des Angstnetzwerks verkalkt und in seiner Funktion gestört ist – der Mandelkern. 

Aber: Als ein Forscherteam Betroffenen in einem weiteren Experiment über eine Atemmaske Luft mit einer hohen Kohlendioxidkonzentration zuführte, um eine Erstickung zu simulieren, zeigte sich eine ungewöhnlich starke Angstreaktion – obwohl ihre Amygdala nicht funktionsfähig ist. Die Erklärung: Das sogenannte Atemzentrum im Hirnstamm schlägt Alarm, wenn die Kohlenstoffdioxid-Konzentration im Blut steigt und versetzt den Körper in Angst – nicht die Amygdala. Ganz ohne Angst leben Menschen mit dem Urbach-Wiethe-Syndrom also nicht.

Wann wird Angst zum Problem? 

Angst ist ein Teil unseres Lebens. Sie kommt und geht. Doch manchmal gewinnt die Emotion Überhand und ist kein hilfreiches Signal mehr. Die Angst verschwindet zum Beispiel erst sehr spät oder gar nicht, tritt in vielen – selbst ungefährlichen – Situationen auf und sorgt für sehr starke Angstgefühle. Dann kann eine Angststörung dahinterstecken. Betroffene sind dadurch in ihrem Alltag mitunter massiv eingeschränkt und belastet. Die Gründe für eine solche Störung sind komplex und vielfältig. Neben belastenden Lebensereignisse scheinen auch genetische Faktoren eine Rolle zu spielen.

Wichtig: Betroffene tragen keine Schuld und sind mit ihrer Angst nicht allein. Angststörungen gehören zu den verbreitetsten psychischen Erkrankungen weltweit.

Sie haben das Gefühl, dass die Angst das Steuer übernommen hat? Bestimmte Aktivitäten sind zum Beispiel gar nicht mehr möglich, weil die Angst so stark ist? Dann sollten Sie nicht zögern, sich Unterstützung zu suchen. Ärztinnen und Ärzte sowie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten können eine Angststörung feststellen und gemeinsam mit Ihnen Strategien entwickeln, um die Angst zu mindern. Neben Psychotherapie können Sport, Entspannungstechniken und Medikamente helfen. 
 

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