Junge Frau sitzt auf einem Küchenschrank und lässt den Kopf hängen
Angst

Emetophobie: Was steckt hinter der Angst vor Erbrechen?

Lesedauer weniger als 6 Min

Redaktion:

Ulrike Schnyder (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Nele Peerenboom (Psychologin, PhD)

Emetophobie: Das Wichtigste in Kürze

Angst, die das Leben einschränkt

Emetophobie ist die krankhafte Angst vor dem eigenen oder fremden Erbrechen. Sie kann das Leben der Betroffenen stark einschränken und dazu führen, dass sie sich sozial zurückziehen.

Übelkeit ist ein typisches Symptom

Vielen Menschen mit Emetophobie ist dauerhaft übel. Sie neigen zudem zu einem sehr vorsichtigen Umgang mit Nahrung, zu Untergewicht und Verdauungsproblemen.

Jeder tausendste Mensch betroffen

Rund 0,1 Prozent der Menschen sind von Emetophobie betroffen – Frauen häufiger als Männer. Fachleute vermuten, dass die Dunkelziffer noch höher liegt.

Es ist für niemanden angenehm, Erbrochenes auf dem Gehweg zu sehen, Kindern beim Übergeben die Schüssel zu halten – oder sich selbst übergeben zu müssen. Doch manchen Menschen tritt schon beim Gedanken daran der kalte Schweiß auf die Stirn – sie leiden an Emetophobie. Betroffene meiden alle Situationen, in denen sie selbst oder andere erbrechen könnten, und schränken ihr Leben dadurch extrem ein. Psychotherapie und begleitende Maßnahmen können dagegen helfen.

Was ist Emetophobie?

Erbrechen ist eigentlich eine sinnvolle Schutzreaktion des Körpers: verdorbenes Essen, Krankheitserreger, Giftstoffe – durch Übergeben können wir schädliche Stoffe wieder ausscheiden. Angenehm ist das nicht unbedingt. Für manche Menschen ist jedoch bereits die Vorstellung des Erbrechens der blanke Horror. Der Fachbegriff für die krankhafte Angst vor dem Erbrechen lautet Emetophobie. Sie gehört zu den Phobien und damit zu den Angststörungen.

Knapp die Hälfte der Betroffenen fürchtet sich ausschließlich davor, sich selbst übergeben zu müssen. Rund 35 Prozent haben eine starke Angst vor eigenem und fremdem Erbrechen und knapp 13 Prozent ausschließlich vor dem Erbrechen anderer.

Die Angst vor dem Erbrechen beeinflusst viele Lebensbereiche. Denn Betroffene gehen kritischen Situationen vorbeugend aus dem Weg – und da die „Gefahr“ des Erbrechens beinahe überall lauert, wird ihr Leben zum ständigen Ausweichmanöver: Das Glas Joghurt ist einen Tag über dem Verfallsdatum? Wegwerfen, es könnte verdorben sein. Eine lange nicht gesehene Freundin lädt zu ihrer Geburtstagsfeier ein? Bloß nicht, da sind sicher Betrunkene. Der Partner fühlt sich schlecht – was, wenn er einen Magen-Darm-Infekt hat und ich mich anstecke? 

Die Erkrankung wirkt sich nicht nur auf die Gegenwart aus, sondern auch auf Zukunftspläne: Manche Betroffene können sich nicht vorstellen, Kinder zu bekommen, oder brechen eine Schwangerschaft ab, da sie Schwangerschaftsübelkeit und Kindererbrochenes fürchten.

Wie viele Menschen sind von Emetophobie betroffen?

Während die Angst vor Spinnen oder Höhen recht bekannt ist, ist den meisten Menschen die Emetophobie weniger geläufig. Dabei tritt die auch salopp als Kotz-Phobie bezeichnete Emetophobie gar nicht so selten auf: Einer Studie zufolge plagt die pathologische Angst vor Übelkeit und Erbrechen etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland – überwiegend Frauen und Mädchen. Expertinnen und Experten nehmen an, dass noch mehr Menschen betroffen sind, die sich aber entweder aus Scham nicht trauen, darüber zu sprechen, oder selbst nicht wissen, was mit ihnen los ist.

Die Erkrankung beginnt oft schon bei Kindern, häufig um das zehnte Lebensjahr herum. Doch Ärztinnen und Ärzte erkennen Emetophobie häufig zunächst nicht. Denn viele Symptome treten auch bei anderen, weiter verbreiteten und besser erforschten Störungen auf, beispielsweise bei Anorexie (Magersucht). Bei der Diagnose kommt es auf Feinheiten an: Magersüchtige Menschen wollen so schlank wie möglich werden – Menschen mit Emetophobie sind dagegen meist unzufrieden, wenn sie ins Untergewicht rutschen. 

Emetophobie kann sich außerdem ähnlich äußern wie eine Hypochondrie – also die krankhafte falsche Überzeugung, krank zu sein –, zum Beispiel durch häufige körperliche Beschwerden und starke Gesundheitsängste. Personen mit einer Krankheitsangststörung haben nämlich eine generelle Angst, schwer krank zu sein – Emetophobikerinnen und Emetophobiker hingegen fürchten sich konkret vor dem Erbrechen und nicht vor einer Krankheit an sich.

Menschen, die schnell Ekelgefühle entwickeln oder sich in belastenden Lebenssituationen befinden, sind anfälliger für Emetophobie

Menschen, die schnell Ekelgefühle entwickeln oder sich in belastenden Lebenssituationen befinden, sind anfälliger für Emetophobie.

Was sind typische Emetophobie-Symptome?

Befinden sich die Betroffenen in einer akuten Angstsituation, fühlen sie sich beispielsweise unsicher, benommen, schwindelig, haben Herzklopfen und das Gefühl, schlechter Luft zu bekommen. Das sieht bei anderen Angststörungen ähnlich aus. Neben der Angst an sich treten bei einer Emetophobie meist zusätzliche Symptome auf:

  • Dauerübelkeit: Eine Folge der ständigen Angst
  • Flache Atmung: Begünstigt Bauchschmerzen und Übelkeit
  • Sehr vorsichtiger Umgang mit Nahrung: Meiden von bestimmten Lebensmitteln, eingeschränkte Nahrungsaufnahme wegen Angst vor Völlegefühl und Unwohlsein
  • Schwindel und Untergewicht: Hervorgerufen durch eingeschränkte Nahrungsaufnahme und psychische Belastung
  • Geringes Selbstwertgefühl und soziale Isolation: Vermeidung von Feiern, Reisen und Orten mit vielen Menschen
  • Zwangsverhalten: Häufiges Händewaschen, penible Kontrolle von Mindesthaltbarkeitsdaten von Lebensmitteln
  • Durchfall, Reizdarmsyndrom oder Sodbrennen: Eine Folge der permanenten Angst und Anspannung

Eine Frau steht in der Küche und riecht an einer Flasche Milch.

Menschen mit Emetophobie prüfen häufig zwanghaft die Haltbarkeit von Lebensmitteln.

Woher kommt die Erbrechens-Phobie? 

Die genauen Ursachen der Emetophobie sind noch nicht erforscht. Einig sind sich Expertinnen und Experten jedoch darin, dass einige Faktoren das Risiko für die krankhafte Angst erhöhen können.

  • Hohe Ängstlichkeit und Ekelsensitivität: Menschen, die generell ängstlicher sind und sich leicht ekeln, sind anfälliger für Emetophobie.
  • Empfindlicher Magen: Personen, die bei Angst körperliche Symptome wie Übelkeit oder Bauchschmerzen entwickeln, haben ein höheres Risiko für eine Emetophobie.
  • Negative Erlebnisse: Schlechte Erfahrungen mit eigenem oder fremdem Erbrechen in der Vergangenheit können die Angst verstärken.
  • Lebensbelastungen: Stressige Lebensereignisse wie ein Schulwechsel oder eine Trennung können ebenfalls dazu beitragen, dass sich die Phobie entwickelt.
  • Spezifische Auslöser: Erkrankungen wie eine heftige Magen-Darm-Grippe können die Angst vor dem Erbrechen auslösen.

Behandlung der Emetophobie: Was hilft gegen die Angst vorm Erbrechen?

Verschiedene Maßnahmen können dazu beitragen, die Emetophobie zu überwinden oder zumindest zu lindern. Allen voran steht eine psychologische Behandlung unter Anleitung von Fachleuten. Rund 40 Prozent der Betroffenen haben mindestens eine weitere psychische Erkrankung, die möglicherweise einer anderen Behandlung bedarf. Besonders häufig sind andere Phobien wie Agoraphobie (Platzangst), Panikstörungen, Zwangsstörungen und Depression

Bewährt: Verhaltenstherapie mit Expositionstherapie

Um eine tief sitzende Angst wie die Emetophobie zu überwinden, hat sich vor allem die kognitive Verhaltenstherapie bewährt. Sie ist das Mittel der Wahl bei der Behandlung aller Angststörungen. Teil dieser Therapie ist die Expositionstherapie. Dabei geht es nicht darum, sich zum Übergeben zu bringen oder anderen Personen dabei zuzusehen. Vielmehr sollen sich die Betroffenen Schritt für Schritt unter fachkundiger Begleitung den Situationen aussetzen, die sie aufgrund ihrer Angst gemieden haben – beispielsweise U-Bahn fahren trotz der Angst vor unangenehmen Gerüchen. Die Therapeutin oder der Therapeut ermutigt dazu, die Angst zuzulassen und sich nicht abzulenken. Denn so lernt das Gehirn: Die Katastrophe, vor der ich mich fürchte – das Übergeben – tritt nicht ein. Werden solche Übungen wiederholt, wird die Angst im besten Fall immer geringer. Auf diese Weise gewinnen die Betroffenen mehr Kontrolle über ihr Leben zurück und trauen sich wieder mehr zu.

Ergänzend möglich: Atemtraining und Biofeedback

Eine dauerhafte Übelkeit begleitet viele Menschen mit Emetophobie. Ein Grund dafür ist, dass Betroffene dazu neigen, schnell und zu flach zu atmen, was das Gefühl von Übelkeit verstärken kann. Eine tiefere Bauchatmung wirkt dem entgegen und lässt sich durch Atemtraining erreichen. Biofeedback kann bei den Übungen gegen Emetophobie-Übelkeit unterstützen: Bei diesem Therapieverfahren, das in manchen Psychotherapie- und Arztpraxen angeboten wird, erfassen an den Körper angebrachte Sensoren beispielsweise Puls und Atemfrequenz. Die Daten werden über einen Computer für die Patientinnen und Patienten sichtbar. Sie sehen also direkt, wie sich ihre Übungen auf Herzschlag und Atmung auswirken, und bekommen dadurch ein besseres Gespür für ihren Körper. 

Umstritten: Hypnose

Hypnose zur Behandlung von Angststörungen ist umstritten. Einige Fachleute halten sie für hilfreich, wenn traumatische Erlebnisse einer Phobie zugrunde liegen. Allerdings sind nicht alle Expertinnen und Experten von den positiven Effekten der Hypnose überzeugt und ob sie sich für alle Betroffenen eignet. In den Therapieleitlinien zu Angststörungen werden hypnotische Behandlungen nicht erwähnt.

Fazit: Angststörungen wie die Emetophobie lassen sich in der Regel gut behandeln. Im Gespräch mit Ärztin, Arzt oder Therapieteam können Betroffene entscheiden, welche therapeutischen Maßnahmen am besten zu ihnen passen. Am wichtigsten ist, sich überhaupt Hilfe zu holen, eine Therapie zu beginnen und dadurch wieder mehr – und ohne ständige Angst – im Leben zu stehen, gleich ob es um Treffen im Freundeskreis, die Arbeit oder den ganz normalen Alltag geht.

Literatur und weiterführende Informationen

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