Was ist Emetophobie?
Erbrechen ist eigentlich eine sinnvolle Schutzreaktion des Körpers: verdorbenes Essen, Krankheitserreger, Giftstoffe – durch Übergeben können wir schädliche Stoffe wieder ausscheiden. Angenehm ist das nicht unbedingt. Für manche Menschen ist jedoch bereits die Vorstellung des Erbrechens der blanke Horror. Der Fachbegriff für die krankhafte Angst vor dem Erbrechen lautet Emetophobie. Sie gehört zu den Phobien und damit zu den Angststörungen.
Knapp die Hälfte der Betroffenen fürchtet sich ausschließlich davor, sich selbst übergeben zu müssen. Rund 35 Prozent haben eine starke Angst vor eigenem und fremdem Erbrechen und knapp 13 Prozent ausschließlich vor dem Erbrechen anderer.
Die Angst vor dem Erbrechen beeinflusst viele Lebensbereiche. Denn Betroffene gehen kritischen Situationen vorbeugend aus dem Weg – und da die „Gefahr“ des Erbrechens beinahe überall lauert, wird ihr Leben zum ständigen Ausweichmanöver: Das Glas Joghurt ist einen Tag über dem Verfallsdatum? Wegwerfen, es könnte verdorben sein. Eine lange nicht gesehene Freundin lädt zu ihrer Geburtstagsfeier ein? Bloß nicht, da sind sicher Betrunkene. Der Partner fühlt sich schlecht – was, wenn er einen Magen-Darm-Infekt hat und ich mich anstecke?
Die Erkrankung wirkt sich nicht nur auf die Gegenwart aus, sondern auch auf Zukunftspläne: Manche Betroffene können sich nicht vorstellen, Kinder zu bekommen, oder brechen eine Schwangerschaft ab, da sie Schwangerschaftsübelkeit und Kindererbrochenes fürchten.
Wie viele Menschen sind von Emetophobie betroffen?
Während die Angst vor Spinnen oder Höhen recht bekannt ist, ist den meisten Menschen die Emetophobie weniger geläufig. Dabei tritt die auch salopp als Kotz-Phobie bezeichnete Emetophobie gar nicht so selten auf: Einer Studie zufolge plagt die pathologische Angst vor Übelkeit und Erbrechen etwa 0,1 Prozent der Bevölkerung in Deutschland – überwiegend Frauen und Mädchen. Expertinnen und Experten nehmen an, dass noch mehr Menschen betroffen sind, die sich aber entweder aus Scham nicht trauen, darüber zu sprechen, oder selbst nicht wissen, was mit ihnen los ist.
Die Erkrankung beginnt oft schon bei Kindern, häufig um das zehnte Lebensjahr herum. Doch Ärztinnen und Ärzte erkennen Emetophobie häufig zunächst nicht. Denn viele Symptome treten auch bei anderen, weiter verbreiteten und besser erforschten Störungen auf, beispielsweise bei Anorexie (Magersucht). Bei der Diagnose kommt es auf Feinheiten an: Magersüchtige Menschen wollen so schlank wie möglich werden – Menschen mit Emetophobie sind dagegen meist unzufrieden, wenn sie ins Untergewicht rutschen.
Emetophobie kann sich außerdem ähnlich äußern wie eine Hypochondrie – also die krankhafte falsche Überzeugung, krank zu sein –, zum Beispiel durch häufige körperliche Beschwerden und starke Gesundheitsängste. Personen mit einer Krankheitsangststörung haben nämlich eine generelle Angst, schwer krank zu sein – Emetophobikerinnen und Emetophobiker hingegen fürchten sich konkret vor dem Erbrechen und nicht vor einer Krankheit an sich.