Junge Menschen wandern in den Bergen und lachen
Angst

Die Furcht vor der Tiefe: Höhenangst erkennen und überwinden

Lesedauer weniger als 7 Min

Redaktion:

Luciano Arslan (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Höhenangst: Drei Fragen, drei Antworten

Was ist Höhenangst?

Höhenangst, auch Akrophobie genannt, ist die Angst vor Höhen und dem möglichen Absturz. Sie kann Schwindel, Herzrasen und Panik auslösen – selbst ohne reale Gefahr.

Was ist Höhenschwindel?

Höhenschwindel hat zunächst nichts mit Angst zu tun, sondern stellt eine normale körperliche Reaktion vieler Menschen dar. Ursache ist ein gestörtes Gleichgewicht.

Gibt es eine Therapie?

Bei Höhenangst bietet die Verhaltenstherapie bewährte Methoden. Sie kann helfen, alte Reaktionsmuster zu verändern und leichte sowie starke Angst zu überwinden.

Für manche ist schon die Trittleiter zu hoch und löst Herzrasen, Schweißausbrüche oder die Angst aus, den Halt zu verlieren. Andere bekommen erst auf hohen Brücken oder beim Bergsteigen ein mulmiges Gefühl. Und einigen scheint auch extreme Höhe kaum etwas auszumachen. Wann und warum wird aus einem natürlichen Respekt vor Höhen eine echte Höhenangst? Was genau ist Höhenschwindel? Und was hilft, wenn Höhenangst zum lähmenden Problem wird?
 

Höhenschwindel, Höhenangst und Akrophobie: Was ist was? 

Nicht jede Unsicherheit in luftiger Höhe ist gleich eine Phobie. Zwischen dem natürlichen Höhenschwindel, einer ausgeprägten Höhenangst und dem medizinischen Fachbegriff Akrophobie liegen feine, aber entscheidende Unterschiede. Wer den Begriff Höhenangst verwendet, meint oft alles auf einmal – doch die Wissenschaft blickt genauer hin.

Höhenschwindel: Wenn das Gleichgewicht streikt

Auch als „visuelle Höhenintoleranz“ bezeichnet, hat der Höhenschwindel zunächst wenig mit Angst zu tun. Er ist eine weitverbreitete körperliche Reaktion – bis zu 28 Prozent der Menschen erleben ihn mindestens einmal im Leben.

Was dabei im Körper passiert: 

In großer Höhe fehlt es oft an festen Bezugspunkten für die Augen. Fixpunkte sind zu weit entfernt, sodass das Gehirn die visuellen Informationen nicht richtig einordnen kann. Diese sind jedoch wichtig für unser Gleichgewichtsgefühl. Das Resultat: Schwindel, Unsicherheit, ein flaues Gefühl im Magen. Auch Herzrasen, Schweißausbrüche oder eine verkrampfte Muskulatur können auftreten.

Wie stark der Schwindel ausgeprägt ist, unterscheidet sich individuell. Manche Menschen sind kaum oder gar nicht betroffen, andere hingegen stark – vergleichbar mit der Seekrankheit.

Was kann gegen Höhenschwindel helfen?

Viele Menschen greifen intuitiv zu den richtigen Maßnahmen, die sich auch gezielt anwenden lassen. Mit diesen Strategien ist der Höhenschwindel oft gut kontrollierbar:

  • Blick fokussieren: Nicht in die Tiefe schauen, sondern den Weg direkt vor den Füßen fixieren.
  • Halt suchen: An Geländer oder Fels anlehnen, notfalls kurz hinsetzen.
  • Seitliches Blickfeld nutzen: Feste, kontrastreiche Objekte (zum Beispiel Felsen) im seitlichen Blickfeld geben Orientierung.
  • Bewegtes meiden: Nicht Vögeln oder Wolken folgen, kein Fernglas verwenden.
  • Kopf ruhig halten: Schnelle Kopfbewegungen oder extreme Kopfhaltungen (nach oben oder unten) vermeiden– sie belasten das Gleichgewicht zusätzlich.

Den Blick fokussieren und den Kopf ruhig halten – das sind gute Sofortmaßnahmen gegen Höhenschwindel.

Den Blick fokussieren und den Kopf ruhig halten – das sind gute Sofortmaßnahmen gegen Höhenschwindel.

Höhenangst

Während der Höhenschwindel ein körperliches Phänomen ist, beschreibt Höhenangst ein psychisches Phänomen: die Angst vor Höhe und dem möglichen Absturz.

Eine gewisse Ausprägung an Höhenangst besitzen viele Menschen. Es gibt vermutlich kaum eine Person, die keinen gesunden Respekt vor der Tiefe verspürt. Woher dieser kommt, ist noch nicht ganz geklärt. Einige Theorien gehen von einer angeborenen Angst bei Säugetieren aus, andere betonen frühe Lernerfahrungen: Ein Kind, das einmal gefallen ist, fragt sich künftig eher, ob es gefahrlos vom Sofa steigen kann.

Neben diesem natürlichen Respekt können auch ausgeprägtere Formen auftreten – mitunter so stark, dass der Gang über Brücken oder das Hinaufsteigen auf kleine Trittleitern vermieden wird.

Fakt ist: Höhenangst hat ein breites Spektrum, an dessen Ende die Akrophobie steht.

Akrophobie

Akrophobie ist der medizinische Fachbegriff für Höhenangst. Da sie als Phobie, also als extreme Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, zu den Angststörungen zählt, bezeichnet sie nicht den gesunden Respekt, den viele Menschen empfinden, wenn sie auf eine tiefe Klippe blicken. Gemeint ist eine unverhältnismäßige Angst gegenüber Höhe – selbst wenn objektiv keine Gefahr besteht oder die Distanz zum Boden gar nicht groß ist.

Was verursacht eine ausgeprägte Höhenangst?

Höhenangst kann aufgrund verschiedener Faktoren entstehen. Einerseits können genetische Einflüsse eine Rolle spielen: Manche Menschen haben ein besonders empfindliches Angstsystem. Auch belastende Erfahrungen und Traumata können dazu beitragen. Höhenangst kann aber ebenso erlernt sein. Wenn ein Elternteil starke Angst in der Höhe zeigt, kann sich das auf Kinder übertragen. Manchmal ist es auch der eigene Körper, der die Angst prägt: Wer in luftiger Höhe plötzlich unter Höhenschwindel leidet, kann daraus ein Gefühl der Unsicherheit entwickeln – ein Eindruck, der sich festsetzen und mit der Zeit zu Höhenangst werden kann.

Typische Symptome

Akrophobie und Höhenangst haben im Gegensatz zum Höhenschwindel eine psychische Komponente. Zentrales Zeichen ist die Angst. Bei der Akrophobie ist diese unverhältnismäßig zur realen Gefahr in der Situation. Das kann bis zur Panikattacke oder gar Todesangst reichen und dafür sorgen, dass Situationen, in denen man sich einer gewissen Höhe aussetzt, vermieden werden. Körperliche Angstsymptome können die Furcht begleiten:

  • Schweißausbrüche, Hitzegefühl, Kälteschauer
  • Zittern
  • Mundtrockenheit
  • Schwindel, Benommenheit und Unsicherheit
  • Atemnot mit Beklemmungs- oder Erstickungsgefühl
  • Brustschmerzen
  • Übelkeit
  • Missempfindungen wie Kribbeln
  • Muskelverspannungen

Eine Frau hat die Augen geschlossen und die Hand auf den Brustkorb gelegt

Menschen mit Höhenangst können intensive Symptome erleben, zum Beispiel Brustschmerzen oder Übelkeit.

Wann ist eine Behandlung nötig?

Nicht jede Angst benötigt eine Therapie. In manchen Fällen besteht kein besonderer Leidensdruck – etwa, wenn jemand im Flachland lebt, selten reist und keine besondere Vorliebe für Kletterparks oder Hochhäuser hat. Ist die Angst zudem nicht stark ausgeprägt, bleibt die Lebensqualität weitgehend unbeeinträchtigt.

Ob und wann man etwas gegen Höhenangst unternehmen sollte, ist daher sehr individuell. Entscheidend sind der persönliche Leidensdruck und die Einschränkungen im Alltag oder sozialen Leben.

Wer beispielsweise gern Kirchen besichtigt oder in den Bergen wandert, sich aber von der Angst bremsen lässt, erlebt bereits eine Belastung.

Grundsätzlich gilt: Sinkt die Lebensqualität, treten Vermeidungsverhalten oder Erwartungsangst auf, kann es sinnvoll sein, aktiv zu werden.

Lässt sich gegen Höhenangst etwas tun?

Die einfache Antwort: Ja! Mit einer Psychotherapie lassen sich häufig sehr gute Erfolge bei der Behandlung von Angststörungen erzielen. Die Verhaltenstherapie ist dabei der wichtigste Hebel. Mit ihr können Betroffene eingefahrene Verhaltensmuster aktiv im Alltag abtrainieren. Medikamente kommen bei Akrophobie eher selten zum Einsatz.

Was passiert in einer Verhaltenstherapie? 

Im Zentrum einer Verhaltenstherapie bei Akrophobie steht meist die Konfrontation mit Höhe. Das scheint zunächst absurd, doch die Wissenschaft zeigt: Konfrontation ist die wirksamste Methode, um Angst dauerhaft zu bewältigen.

Die Betroffenen setzen sich dabei kontrolliert und schrittweise angstauslösenden Situationen aus – zum Beispiel durch den Besuch eines Aussichtsturms oder das Besteigen einer Leiter.

Wichtig: Alles geschieht freiwillig und im eigenen Tempo. Eine gute Möglichkeit, um erste Erfahrungen in sicherer Umgebung zu sammeln, ist auch virtuelle Realität (VR). Dabei kann man zum Beispiel mittels einer VR-Brille simulieren, über eine Glasbrücke zu gehen oder in schwindelerregende Höhen auf einem Aussichtsturm zu sein – und das ganz ohne echtes Risiko.

Daneben lernen Betroffene, wie Angst entsteht und warum typische körperliche Reaktionen wie Herzklopfen oder Schwindel ganz normal und nicht gefährlich sind. Wer beispielsweise versteht, dass ein schneller Puls kein Warnzeichen für eine Ohnmacht ist, kann in der Situation gelassener bleiben.

In der Therapie lernen Betroffene auch, wie sie in unerwarteten Situationen ruhig bleiben können, etwa durch Atemtechniken oder einfache Denkstrategien. Ziel ist, die Übungen nach und nach selbstständig im Alltag anzuwenden – auch wenn die Angst einmal wiederkommt.

Was kann ich selbst gegen Höhenangst tun

Wenn die eigene Höhenangst zwar lästig, aber noch gut beherrschbar ist, kann man selbst aktiv werden. In vielen Fällen helfen einfache Strategien, um die Angst schrittweise zu mindern.

Wichtig: Geübt werden sollte nur in kontrollierbaren Situationen, zum Beispiel auf sicheren Aussichtspunkten, Balkonen oder kleinen Leitern. Es geht nicht darum, sich mit Bungee-Seilen in die Tiefe zu stürzen, sondern darum, im Alltag Stück für Stück die Erfahrung zu machen: Die Angst kommt – und sie geht auch wieder.

  • Sich der Angst stellen – aber in kleinen Dosen
    Wer Situationen dauerhaft meidet, in denen Angst auftritt, hält sie am Leben. Der Weg hinaus führt, so paradox es klingt, mitten hindurch. Konfrontieren sich Betroffene gezielt mit diesen Situationen, können sie lernen: Die Angst ist unangenehm, aber ungefährlich. Am wirksamsten ist es, sich nicht abzulenken, sondern die Gefühle bewusst zuzulassen. Ein paar Stufen auf der Leiter erklimmen, so lange stehen bleiben, bis das Herz wieder ruhiger schlägt – das ist bereits ein erster Schritt Richtung Freiheit.
  • Gedanken prüfen – und der Realität begegnen
    Hinter der Angst stehen oft dramatische Gedanken: „Ich werde stürzen. Ich werde ohnmächtig. Ich halte das nicht aus.” Fragen sich Betroffene, wie realistisch diese Befürchtungen wirklich sind, können sie Kontrolle zurückgewinnen. Der Körper ist nicht in Gefahr – auch wenn er sich so anfühlt. Wer vergangene Erfahrungen bewusst reflektiert („Letztes Mal ist auch nichts passiert“) und sich realistische Alternativen vor Augen führt, kann aus der Gedankenspirale aussteigen.
  • Akzeptieren statt ankämpfen
    Angst wird oft schlimmer, wenn man sich gegen sie wehrt. Der Gedanke: „Ich darf keine Angst haben“, bringt einen selbst unter Druck. Achtsamkeits- und Akzeptanztechniken helfen, Gefühle wertfrei zu beobachten, ohne sie sofort abstellen zu wollen. Meditation, langsames Atmen und das bewusste Wahrnehmen der Umgebung helfen, in der Situation ruhig zu bleiben. So lässt sich mit der Zeit nicht nur die Angst, sondern auch die Angst vor der Angst verringern.

Literatur und weiterführende Informationen

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