Porträt einer jungen Frau in einem orangefarbenem Pullover
Psychische Gesundheit

Bodyshaming: Liebe deinen Körper

Lesedauer unter 4 Minuten

Zur Autorin

  • Barbara Neuking schreibt für die Barmer über Lebensstil und gute Sitten.

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)
  • Andrea Jakob-Pannier (Diplom-Sozialpädagogin/ Psychologin/ Psychoonkologin, Barmer)
  • Marie-Victoria Assel (Psychologin, Barmer)

Bodyshaming ist verletzend und grenzt aus. Unsere Autorin Barbara Neuking denkt nach über ein Umdenken in der Sprache und im Umgang mit Übergewichtigen. 

Was ist Bodyshaming?

Unter Body Shaming versteht man jegliche Art von Herabsetzung eines Menschen wegen seines Körpers. Sehr oft sind übergewichtige Menschen (Fat Shaming) betroffen, aber auch andere Menschen, deren Aussehen nicht dem gängigen Schönheitsideal entspricht, zum Beispiel eine Behinderung haben oder sehr dünn sind, erleben Bodyshaming. Da Bodyshaming sehr oft auch im Internet passiert, ist es sozusagen mit dem Phänomen Cybermobbing verwandt.  

Wann beginnt Bodyshaming?

Es war nur ein kleiner Satz, doch im Kosmos der sozialen Netzwerke schlug er ein wie eine Bombe: Die österreichische Dirndl-Designerin Lena Hoschek wurde in einem ORF-Interview nach Modesünden im Sommer gefragt. Neben Trekkingsandalen nannte sie Radlerhosen. Das Verbot gelte aber nicht für alle, denn es gäbe durchaus „Girls, die knackig genug dafür sind“, sagte sie. Bei denen sei dieser Trend schon wieder witzig.

Der Shitstorm ließ nicht lange auf sich warten: Body-Aktivistinnen, Influencerinnen und andere erboste Frauen hinterließen ihren Unmut auf Hoscheks Instagram-Seite: Sie betreibe Bodyshaming und diskriminiere Dicke.

Doch für viele Menschen – inklusive der völlig überrumpelten Lena Hoschek – war der „Modetipp“ nichts Schlimmes. Denn von Bodyshaming sprechen die meisten Menschen erst dann, wenn es um konkrete Beleidigungen geht: Wenn Fotos von Mädchen mit „fette Kuh“ kommentiert werden. Oder wenn übergewichtige Frauen und Männer im Bus verbal belästigt werden, weil sie angeblich zu viel Raum einnehmen. Wenn dicke Männer mitleidig belächelt werden, wenn sie sich einen Eisbecher bestellen.

Diese Art des Bodyshamings ist lange bekannt und auch schon hinreichend von der Wissenschaft untersucht worden: Dass füllige Menschen Nachteile im Job haben, zeigte eine Studie der Universität Tübingen aus dem Jahr 2012, die deutsche Adipositas-Gesellschaft berichtet immer wieder von Stigmatisierungen gegenüber Übergewichtigen.

Bodyshaming: Übergewichtige Menschen werden benachteiligt

Diese Haltung hat weitreichende Konsequenzen: Kinder mit mehr Gewicht werden bereits in der Schule gehänselt. Sie finden später nicht so leicht gute Jobs und wenn doch, werden sie nicht so schnell befördert, so die Studie der Universität Tübingen. Dicke Menschen verdienen durchschnittlich weniger Geld und sie werden von Ärztinnen und Ärzten weniger aufmerksam behandelt, wie eine Untersuchung der Rice University Houston belegte.

Insgesamt ist die Liste der Vorurteile lang: faul, undiszipliniert, ungebildet. Vor allem aber wähnen sich viele Menschen, die Übergewichtige schlecht behandeln oder abfällig über sie und ihr Aussehen denken, im Recht: Die Dicken sind ja selber schuld daran, dass sie dick sind. 

Sollen sie sich doch gesünder ernähren und abnehmen. Dass auch ein medizinisches Problem hinter dem Übergewicht stecken kann und dass Crash-Diäten nicht funktionieren, wird dabei verdrängt. Aber es ist klar, dass Übergewicht eine Menge medizinischer Probleme verursachen kann.

Die vermeintlich lustige Herabsetzung von Übergewichtigen ist Mainstream-Thema: In vielen TV-Sendungen rund um Mode und Beauty ist Bodyshaming fast schon ein Leitmotiv. Immer wieder stehen abfällige Kommentare über Dicke zur "Belustigung" des Publikums auf der Tagesordnung. Bodyshaming als Garant für Lacher, Clicks und Views.

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Bodyshaming ist Alltag in sozialen Medien

Für Bodyaktivistinnen und -Aktivisten im Netz, die sich für mehr Body Positivity einsetzen, geht es weniger um einen unbedachten Spruch wie den von Lena Hoschek, als um das System dahinter, das menschliche Körper zum Objekt macht und diesen bestimmte Rechte abspricht, wenn sie nicht dem Schönheitskonsens entsprechen. Sollen nur dünne, „knackige Girls“ Radlerhosen anziehen dürfen? 

Dann bedeutet dies indirekt, dass es dicke Frauen besser lassen sollen - dass Frauen, die nicht dem Ideal entsprechen, ihren Körper weniger betonen sollten. Und dass Jungs und Männer ohne perfekten Körper und Sixpack sich im Schwimmbad auch besser nicht blicken lassen.

Diese Art der Vorurteile gegen Menschen mit Übergewicht haben wir so verinnerlicht, dass nicht nur stark übergewichtige, sondern fast alle Menschen mit ihren Körpern hadern: Laut einer Umfrage der Datingplattform Bumble gaben 45 Prozent aller Befragten an, schon mal ein Date oder eine Unternehmung abgesagt zu haben, weil sie sich ihres Körpers schämten. 

Ein Studienergebnis des Instituts für Jugendkulturforschung Wien ging sogar noch weiter: Dort hatten junge Frauen zwischen 15 bis 19 Jahren angegeben, dass Bodyshaming eine ganz normale Erscheinung der sozialen Netzwerke und somit „part of the game“ sei.

Schönheit mal neu denken?

Es ist also wichtig, dass die Aktivistinnen und Aktivisten in den Social Media ein Bewusstsein für das Thema schaffen und zeigen, dass die Abwertung von Körpern verletzend und schädlich sein kann – selbst wenn es ohne böse Absicht geschehen ist. Und es kann ganz spannend und befreiend sein, Sehgewohnheiten in Frage zu stellen und seine Wahrnehmungen und Beurteilungen zu reflektieren. Körper mit einer neutraleren Brille zu betrachten. Sie nicht mit einem normierten Idealbild (jung, groß, dünn, trainiert, gesund) zu vergleichen, sondern als Ausdruck von Lebensfreude und Selbstliebe zu sehen.

Wer seinen Körper nicht mehr nur an den unerreichbaren Standards der Models misst, sondern mit den echten Körpern echter Menschen, tut sich leichter mit Selbstakzeptanz. Dann betrachtet man sich selbst liebevoller und beleidigt auch keine anderen Menschen auf Instagram, sondern geht ganz einfach auf Dates, Partys und zur Arbeit – ohne Angst vor negativen Kommentaren und ohne darüber nachzudenken, ob die Mitmenschen vielleicht etwas an einem auszusetzen haben könnten.

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