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Trigeminusneuralgie: Symptome, Ursachen und Therapie

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Redaktion:

Luciano Arslan (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Dr. med. Ewgenia Stenmans (Neurologin, Assistenzärztin für Psychiatrie)

Blitzartig, stechend, kaum auszuhalten: Bei einer Trigeminusneuralgie handelt es sich um extreme Nervenschmerzen in einer Gesichtshälfte. Betroffene beschreiben sie oft als Stromschlag mitten ins Gesicht. Schon eine leichte Berührung kann ausreichen, um eine Schmerzattacke auszulösen. Doch was steckt hinter diesem Gesichtsschmerz und wie sieht die Behandlung einer Trigeminusneuralgie aus?

Auf einen Blick

  • Symptome: Typisch für eine Trigeminusneuralgie sind blitzartig einschießende, einseitige Gesichtsschmerzen, die oft durch Berührung, Kauen oder Sprechen ausgelöst werden.
  • Ursachen: Die häufigste Ursache ist, dass ein benachbartes Blutgefäß zu nah am betroffenen Gesichtsnerv (Nervus trigeminus) verläuft und diesen dadurch reizt. Seltener liegen Grunderkrankungen wie Multiple Sklerose oder ein Tumor zugrunde. In manchen Fällen bleibt die Ursache unklar (idiopathisch).
  • Verlauf: Eine Trigeminusneuralgie verläuft meist schubweise mit Phasen der Besserung, jedoch treten häufig Rückfälle auf.
  • Diagnose: Die Diagnose basiert auf den typischen Beschwerden, ergänzt durch bildgebende Verfahren, um die Ursache zu klären.
  • Therapie: Die Behandlung erfolgt zunächst mit Medikamenten. Bei unzureichender Wirkung kommen bei einigen Formen der Trigeminusneuralgie bestimmte operative und nicht operative (interventionelle) Verfahren zum Einsatz. Auch ein bewusster Lebensstil und Umgang mit den Schmerzattacken können den Verlauf der Erkrankung positiv beeinflussen.
     

Was ist eine Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie ist eine Nervenerkrankung, bei der es zu blitzartig einschießenden, einseitigen Gesichtsschmerzen kommt. Betroffen ist der sogenannte Nervus trigeminus, ein Hirnnerv. Er ist unter anderem für das Empfinden im Gesicht verantwortlich, also dafür, Reize wie Berührungen, Schmerzen sowie Wärme und Kälte wahrzunehmen.

Junge Frau sitzt auf dem Sofa und hält sich vor Schmerzen die rechte Hand an die rechte Gesichtshälfte. Ihr Ellenbogen ruht auf dem Knie.

Die Trigeminusneuralgie verursacht einseitige, blitzartige Gesichtsschmerzen – oft ausgelöst durch Berührung, Kauen oder Sprechen.

Schmerzattacken bei einer Trigeminusneuralgie treten entweder spontan auf oder entstehen durch eigentlich harmlose Reize, etwa durch eine leichte Berührung, beim Kauen oder Sprechen. Für Betroffene ist das äußerst belastend und schränkt die Lebensqualität stark ein. Umso wichtiger ist eine gezielte Behandlung, in der Regel mit Medikamenten. Wenn diese nicht ausreichen, kommen operative und interventionelle Verfahren (nicht operative Eingriffe) zum Einsatz, die Linderung verschaffen können.

Die Trigeminusneuralgie ist selten. Pro Jahr erkranken etwa 4 bis 42 von 100.000 Menschen neu. Die Erkrankung tritt meist im Alter zwischen Anfang und Mitte 50 auf. Frauen sind etwas häufiger betroffen als Männer.

Gut zu wissen: Anders als bei herkömmlichen Schmerzen, die beispielsweise bei einer Verletzung über Schmerzrezeptoren vermittelt werden und Schmerzreize an die Nerven weitergeben, entsteht der Schmerz bei der Trigeminusneuralgie direkt im Nerv. Er zählt somit zu den Nervenschmerzen, auch neuropathische Schmerzen genannt.

Was sind die Ursachen einer Trigeminusneuralgie?

Die Trigeminusneuralgie kann verschiedene Ursachen haben. Je nach Auslöser unterscheidet die Medizin drei Hauptformen:

  1. Klassische Trigeminusneuralgie
  2. Sekundäre Trigeminusneuralgie
  3. Idiopathische Trigeminusneuralgie

Klassische Trigeminusneuralgie

Bei einer klassischen Trigeminusneuralgie liegt oftmals eine Reizung des Nervus trigeminus durch benachbarte Blutgefäße vor. Dabei verläuft ein Blutgefäß so nah am Trigeminusnerv, dass es auf den Nerv drückt und ihn dadurch reizt. Die Medizin beschreibt dies als pathologischen (krankhaften) Gefäß-Nerven-Kontakt. 

Durch diesen dauerhaften Gefäß-Nerven-Kontakt kann die schützende Myelinscheide des Nervs, die ähnlich wie die Isolierung bei einem Kabel funktioniert, Schaden nehmen. Es entstehen fehlerhafte Signale: Nervensignale werden ohne oder bereits durch minimale äußerliche Einwirkung ausgelöst. 

Zudem kann es zu fehlerhaften Signalübertragungen zwischen benachbarten Nervenfasern im Nervus trigeminus kommen. Dabei können zum Beispiel Nervensignale der Fasern im Trigeminusnerv, die ausschließlich Berührung registrieren, irrtümlich die Fasern aktivieren, die Schmerzreize wahrnehmen. So kann schon ein harmloser Reiz wie Wind oder eine Berührung eine heftige Schmerzattacke auslösen.

Die Reizung durch ein Blutgefäß kann an verschiedenen Stellen entlang des Nervus trigeminus entstehen, da im Gesichts- und Schädelbereich viele Strukturen eng beieinanderliegen. In den allermeisten Fällen findet der reizende Gefäß-Nerven-Kontakt jedoch am Hirnstamm statt, wo der Nerv aus dem Gehirn austritt.

Sekundäre Trigeminusneuralgie

Eine sekundäre Trigeminusneuralgie ist die Folge einer anderen, häufig neurologischen Vorerkrankung. Zu solchen Erkrankungen zählen unter anderem:

  • Multiple Sklerose
  • Hirntumore, insbesondere an der Stelle, an der der Trigeminusnerv aus dem Hirn austritt.
  • Gefäßfehlbildungen (arteriovenöse Malformationen)

Idiopathische Trigeminusneuralgie

In einigen Fällen bleibt die Ursache ungeklärt. Es finden sich weder krankhafte Gefäß-Nerven-Kontakte noch sichtbare Veränderungen an der Nervenwurzel oder Hinweise auf eine zugrunde liegende Erkrankung. Diese Form bezeichnen Fachleute als idiopathisch.

Welche Symptome treten bei einer Trigeminusneuralgie auf?

Typisch für die Trigeminusneuralgie sind plötzlich einschießende, einseitige Gesichtsschmerzen von extremer Intensität. Die Schmerzattacken halten in der Regel nur kurz an, von Sekundenbruchteilen oder wenigen Sekunden bis zu zwei Minuten. Betroffene beschreiben sie oft als „elektrisierend“ oder „messerscharf“ oder geben an, dass sich der Schmerz „wie ein Stromschlag“ anfühle.

Die Attacken können spontan auftreten oder durch alltägliche Reize ausgelöst werden: beim Kauen, Sprechen, Schlucken oder durch Berührungen – etwa beim Zähneputzen oder Waschen des Gesichts.

Die Beschwerden treten entweder einzeln auf oder in Serien, manchmal bis zu 100-mal pro Tag. Mehrheitlich sind der zweite und der dritte Nervenast des Trigeminusnervs betroffen, die Wange, Oberkiefer und Unterkiefer unter anderem mit Berührungs-, Temperatur- und Schmerzempfinden versorgen.

Begleitend kann es zu reflektorischen Muskelspasmen im Gesicht kommen – einem unwillkürlichen Zusammenziehen der Mimik während der Attacke. Bei manchen Betroffenen entwickelt sich zudem ein dumpfer Dauerschmerz, der zwischen den Schmerzanfällen anhält.

Infografik zeigt den Verlauf des Trigeminusnervs und seiner drei Äste im Gesichtsquerschnitt

Der Trigeminusnerv verläuft vom Gehirn aus und teilt sich in drei Äste: Augenast (oberes Gesichtsdrittel), Oberkieferast (mittleres Drittel) und Unterkieferast (unteres Drittel).

Wie verläuft eine Trigeminusneuralgie?

Unter einer geeigneten Therapie kommt es bei vielen Betroffenen zunächst zu Phasen mit deutlicher Besserung oder sogar vorübergehender Beschwerdefreiheit (Remission).

Langfristig treten jedoch häufig Rückfälle (Rezidive) auf, oft nach Monaten oder Jahren. Auch die Häufigkeit und Intensität der Attacken kann im Laufe der Zeit schwanken. Der Krankheitsverlauf ist somit oft wellenförmig, mal ruhiger, mal belastender.

Heilen lässt sich die Neuralgie nur, wenn dahinter eine andere und heilbare Grunderkrankung steckt.

Die anfallsartigen, unvorhersehbaren Schmerzen haben auch psychische Folgen. Viele Betroffene entwickeln im Verlauf depressive Verstimmungen oder Angststörungen.

Wie lässt sich eine Trigeminusneuralgie diagnostizieren?

Die erste Anlaufstelle für Betroffene einer Trigeminusneuralgie stellt in der Regel die Hausarztpraxis dar. Nach einer Ersteinschätzung folgt für gewöhnlich eine Überweisung an Ärztinnen und Ärzte der Neurologie oder Neurochirurgie. Die zentrale Aufgabe besteht zunächst darin, eine Trigeminusneuralgie sicher zu diagnostizieren und zu ermitteln, um welche der drei Hauptformen der Erkrankung es sich handelt: klassisch, sekundär oder idiopathisch. Das ist entscheidend, da sich die Behandlung je nach Ursache unterscheiden kann. 

Sicherung der Diagnose

Die Bestätigung, dass es sich um eine Trigeminusneuralgie handelt, erfolgt bereits auf Basis der typischen Schmerzsymptome, des Arztgesprächs (Anamnese) und der körperlichen Untersuchung. Eine Trigeminusneuralgie lässt sich so sehr zuverlässig feststellen.

Für die Einordnung in eine der drei Hauptformen sind in der Regel weiterführende Untersuchungen notwendig. Doch bereits das ärztliche Gespräch und die körperlich-neurologische Untersuchung können erste Hinweise auf mögliche Grunderkrankungen liefern.

Ein junges Erkrankungsalter, bekannte neurologische Vorerkrankungen wie Multiple Sklerose, beidseitige Schmerzen und begleitende Gefühlsstörungen im Gesicht deuten beispielsweise auf eine sekundäre Form der Trigeminusneuralgie hin.

Erwachsenen Frau liegt im MRT

Ein MRT zeigt bei einer Trigeminusneuralgie Gefäß-Nerven-Kontakte und andere mögliche Auslöser.

Weiterführende Diagnostik

Zur Abklärung, welche Form der Trigeminusneuralgie vorliegt, kommt vor allem bildgebende Diagnostik zum Einsatz. Mithilfe der Magnetresonanztomographie (MRT), seltener auch der Computertomographie (CT), lassen sich krankhafte Gefäß-Nerven-Kontakte erkennen, aber auch Tumoren, Gefäßfehlbildungen und Hinweise auf Multiple Sklerose (MS).

Ergänzend können eine Untersuchung des Nervenwassers (Liquor) und sogenannte neurophysiologische Tests helfen, eine Nervenschädigung oder eine zugrunde liegende Erkrankung wie MS nachzuweisen oder auszuschließen.

Wie erfolgt die Therapie bei Trigeminusneuralgie?

Die Behandlung einer Trigeminusneuralgie richtet sich nach der Form der Erkrankung, dem individuellen Verlauf und dem Ansprechen auf Medikamente. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen medikamentösen, operativen/interventionellen und ergänzenden Behandlungsansätzen

In der Regel beginnt die Behandlung mit Medikamenten. Erst wenn diese nicht ausreichend wirken oder zu starke Nebenwirkungen verursachen, kommen je nach Form der Erkrankung verschiedene Eingriffe infrage. Ergänzende Behandlungsansätze können zu jedem Zeitpunkt der Therapie unterstützend zum Einsatz kommen.

Bei der sekundären Trigeminusneuralgie ist es zusätzlich notwendig, auch die Grunderkrankung zu behandeln, etwa bei Multipler Sklerose mit einer Therapie, die das Immunsystem reguliert, mit einem operativen Eingriff bei Tumoren oder mit einer gezielten Maßnahme bei Gefäßfehlbildungen.

Medikamente als erste Wahl

In der Regel beginnt die Therapie mit Medikamenten und hat das Ziel, Häufigkeit und Stärke der Schmerzattacken zu verringern.

Zum Einsatz kommen vor allem sogenannte Antikonvulsiva, ursprünglich zur Epilepsiebehandlung entwickelt. Sie hemmen die Reizweiterleitung überaktiver Nerven. 

Wegen möglicher Nebenwirkungen wird die Dosierung langsam gesteigert und bei guter Wirkung später reduziert. Auch wenn viele der Medikamente den Betroffenen zunächst gut helfen, ist es oft nötig, wegen auftretender Nebenwirkungen oder nachlassender Wirkung die Therapie immer wieder zu optimieren und anzupassen.

Gut zu wissen: Klassische Schmerzmittel wie Ibuprofen, Aspirin und Paracetamol sind bei einer Trigeminusneuralgie wirkungslos.

Wenn Medikamente nicht ausreichen – operative und interventionelle Eingriffe

Wenn Medikamente nicht (mehr) wirken oder nicht vertragen werden, kommen verschiedene operative oder nicht operative, minimalinvasive Verfahren infrage. Die Wahl der Methode hängt von der Form der Trigeminusneuralgie ab.

Zu den häufigsten operativen und nicht operativen Verfahren zählen: 

  • Mikrovaskuläre Dekompression: Diese Methode findet nur bei der klassischen Form der Trigeminusneuralgie Anwendung, wenn ein Blutgefäß auf den Nerv drückt. Fachleute lösen in einer Operation das Gefäß vom Nerv und legen ein Teflonplättchen als Kontaktschutz dazwischen.
  • Ablative Methoden: Bei diesen Verfahren werden gezielt schmerzleitende Fasern im Bereich des Nervs zerstört, entweder durch Hitze (perkutane Radiofrequenzthermokoagulation) oder durch präzise Bestrahlung. Die Wirkung der Bestrahlung setzt verzögert ein, zeigt aber gerade bei Betroffenen mit Multipler Sklerose gute Anfangsergebnisse.
  • Invasive Neuromodulation: Bei dieser Methode werden feine Elektroden unter die Haut im Gesichtsbereich eingesetzt, um gezielt elektrische Impulse auf den Nervus trigeminus abzugeben und die Schmerzweiterleitung zu dämpfen.

Multimodale Schmerztherapie – ein ergänzender Ansatz

Neben alleiniger medikamentöser und interventioneller Therapie kann auch eine multimodale Schmerztherapie hilfreich sein. Diese Behandlungsmethode verbindet Methoden aus unterschiedlichen Therapiebereichen miteinander, etwa die medikamentöse Schmerztherapie, Physiotherapie, Psychotherapie und Akupunktur. Erste Studien zeigen gute Effekte, etwa eine Schmerzreduktion und Verbesserung der Lebensqualität. Bislang fehlen jedoch belastbare Daten zur Wirksamkeit.

Was Betroffene selbst tun können

Auch Betroffene können aktiv zur Linderung beitragen. Vor allem Stressbewältigung spielt eine wichtige Rolle, da Stress Schmerzattacken verstärken kann. Durch gezieltes Stressmanagement in Verbindung mit Techniken zur Schmerzbewältigung und einer guten Aufklärung etwa darüber, wie sich alltägliche Schmerzauslöser durch Kauen oder Sprechen vermeiden lassen, können Betroffene die Häufigkeit und Intensität der Attacken spürbar senken.

Zudem lässt sich dank moderner Diagnostik und einer Vielzahl an Behandlungsmöglichkeiten die Erkrankung heute meist gut kontrollieren. Entscheidend ist eine frühzeitige, individuell angepasste Therapie abgestimmt auf die Ursache der Trigeminusneuralgie und den Verlauf der Beschwerden. 

Literatur

Weiterführende Informationen

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