Eine junge Frau ist von einem jungen Mann irritiert
Angst

Angst vor Ablehnung: Warum Zurückweisungen so weh tun

Lesedauer weniger als 7 Min

Redaktion:

Dr. rer. nat. Clara Neuhaus (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Angst vor Ablehnung: Drei Fragen, die weiterhelfen

Woher kommt die Angst vor Ablehnung?

Bei der Entstehung von Angst vor Ablehnung spielen vermutlich genetische Veranlagungen und Umwelteinflüsse eine Rolle. Dazu gehören unter anderem eine überbehütende Erziehung und Ausgrenzungserfahrungen.

Worunter leiden Betroffene besonders?

Angst vor Ablehnung kann zu deutlichen Einschränkungen im privaten und beruflichen Leben führen. Die Furcht vor Zurückweisung kann es Betroffenen sehr schwer machen, enge Beziehungen aufzubauen.

Was hilft gegen Ablehnungsangst?

Relevant für die Wahl der Therapie sind die zugrundeliegenden Ursachen bei Angst vor Ablehnung. Für die Behandlung stehen verschiedene psychotherapeutische Verfahren zur Verfügung.

Ein neues Team bei der Arbeit, der gerade beginnende Sportkurs oder eine Feier mit vielen unbekannten Personen: Das ist für viele Menschen eine Situation, in der sie Sorge haben, die anderen Personen könnten sie nicht mögen. Eine gewisse Angst vor Ablehnung kennt nahezu jeder Mensch – sie gehört zu den grundlegenden zwischenmenschlichen Erfahrungen. Doch wo endet normale Schüchternheit und wann wird Angst vor Ablehnung behandlungsbedürftig?

Was ist Angst vor Ablehnung? 

Je nach Persönlichkeit zeigt sich die Angst vor Ablehnung mal seltener, mal häufiger in unserem Alltag. Die Ursachen der Angst können vielfältig sein. Angst vor Ablehnung ist eine normale, menschliche Empfindung und nicht direkt behandlungsbedürftig. Bei manchen Menschen nimmt diese Furcht jedoch eine deutlich stärkere Ausprägung an und kann unter anderem zu starker Anspannung und erheblichen Einschränkungen im Alltag führen. 

Angst vor Ablehnung stellt keine eigenständige Diagnose dar, kann aber als Symptom bei verschiedenen Störungen wie zum Beispiel Persönlichkeitsstörungen und sozialen Angststörungen auftreten. Bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung ist Angst vor Ablehnung ein zentrales Symptom. Die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung zählt zu den spezifischen Persönlichkeitsstörungen, die verschiedene Persönlichkeitsbereiche umfassen können und fast immer mit sozialen und persönlichen Beeinträchtigungen verbunden sind.

Die Betroffenen erleben eine tiefgreifende Furcht vor Zurückweisung und Kritik. Diese Ängste prägen ihren Alltag so stark, dass sie oft soziale Kontakte meiden und sich dadurch in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen einschränken. Das Paradoxe dabei ist: Obwohl sie sich nach Nähe und Akzeptanz sehnen, halten Menschen mit ängstlich-vermeidender Persönlichkeitsstörung sich aus Angst vor negativen Bewertungen zurück – ein Dilemma, das für Betroffene sehr belastend sein kann.

Was sind die Ursachen einer Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung?

Bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung spielen, wie bei vielen anderen Persönlichkeitsstörungen auch, verschiedene Faktoren eine Rolle. Fachleute gehen davon aus, dass ein Zusammenspiel aus biologischer Veranlagung, psychischen Faktoren wie Persönlichkeitsmerkmalen und umweltbezogenen Faktoren wie das soziale Umfeld eine Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung entstehen lässt. Schätzungen zufolge sind 1,5 bis 2,5 Prozent der Bevölkerung von dieser Form der Persönlichkeitsstörung betroffen. 

Aufgrund genetischer, also erblich bedingter Veranlagungen neigen Betroffene bereits von Natur aus stärker zu Nervosität und innerer Anspannung als andere Menschen. Zusätzliche soziale Einflüsse können dann zur Entstehung und Verstärkung der Angst vor Ablehnung beitragen. Prägende Erlebnisse in der Kindheit spielen hierbei eine besondere Rolle:

  • Erziehung durch die Eltern: Ein ängstlicher oder überbehütender Erziehungsstil führt dazu, dass ohnehin schüchterne Kinder sich weniger zutrauen und sich bereits im Kindergartenalter verstärkt zurückziehen. Ohne entsprechende Unterstützung verstärkt sich dieses Vermeidungsverhalten mit der Zeit und die Kinder verinnerlichen die Angst vor Ablehnung zunehmend.
  • Ausgrenzung durch Gleichaltrige: Die ausgeprägte Schüchternheit kann dazu führen, dass betroffene Kinder von Gleichaltrigen ausgeschlossen oder gemieden werden. Diese sozialen Ablehnungserfahrungen verstärken wiederum die bestehende Schüchternheit und das Rückzugsverhalten – es entsteht ein Teufelskreis, der die Entwicklung einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung begünstigt.
  • Konflikte und Gewalterfahrungen: Auch traumatische Erlebnisse wie körperliche Gewalt oder emotionale Vernachlässigung durch enge Bezugspersonen können die Entwicklung einer ausgeprägten Angst vor Ablehnung fördern und damit zur Entstehung einer Persönlichkeitsstörung beitragen.

Was sind Anzeichen für eine Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung?

Zu den typischen Anzeichen einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung gehören folgende Symptome: 

  • Starke Sorge, in sozialen Situationen kritisiert oder abgelehnt zu werden
  • Persönliche Kontakte nur bei der Gewissheit, gemocht zu werden
  • Vermeidung beruflicher oder sozialer Aktivitäten mit intensivem zwischenmenschlichem Kontakt
  • Anhaltende und umfassende Anspannung und Besorgtheit
  • Die Überzeugung, sozial unbeholfen, unattraktiv oder anderen unterlegen zu sein
  • Eingeschränkter Lebensstil aufgrund des Bedürfnisses nach Sicherheit

Psychotherapeutinnen und Psychologen können die Persönlichkeitsstörung diagnostizieren, wenn mindestens vier der sechs Symptome über einen längeren Zeitraum zutreffen. Mithilfe standardisierter Interviews und Selbstbeurteilungsfragebögen werden spezifische Symptome wie die Angst vor Ablehnung, Vermeidungsverhalten und charakteristische Denkmuster systematisch erfasst und bewertet.

Auf Basis dieser detaillierten Diagnose lässt sich die Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung von anderen psychischen Störungen abgrenzen. Körperliche Ursachen der Symptome schließen Ärztinnen und Ärzte durch eine körperliche Untersuchung aus.

Unterschiede zur sozialen Phobie 

Die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung und die soziale Angststörung, auch als soziale Phobie bezeichnet, zeigen viele Gemeinsamkeiten. Sie unterscheiden sich jedoch in wichtigen Aspekten.

Der zentrale Unterschied liegt darin, dass die Ängste und das niedrige Selbstwertgefühl bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung überdauernd sind, als Teil der eigenen Persönlichkeit erlebt werden und tief im Selbstbild verankert sind.

Darüber hinaus tritt die ängstlich-vermeidende Persönlichkeitsstörung deutlich häufiger zusammen mit anderen psychischen Erkrankungen auf als die soziale Phobie. In vielen Fällen erhalten Betroffene jedoch beide Diagnosen gleichzeitig. 

Unterschiede zu People Pleasern

Vielleicht haben Sie bei der Beschreibung der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung bereits an den Begriff „People Pleasing“ gedacht. People Pleasing beschreibt die Neigung, kontinuierlich die Wünsche und Erwartungen anderer Menschen erfüllen zu wollen.

Der entscheidende Unterschied liegt jedoch in der Motivation: Während bei der ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung die tiefe Angst vor Ablehnung und Zurückweisung im Zentrum steht, ist People Pleasing primär durch das Bedürfnis geprägt, es allen recht zu machen und Harmonie zu schaffen. Zudem handelt es sich beim People Pleasing um ein psychologisches Phänomen und nicht um eine klinische Diagnose.

Obwohl People Pleaser oft an ihre persönlichen Grenzen gehen, um anderen zu gefallen, hat dieses Verhaltensmuster in der Regel nicht die schwerwiegenden Auswirkungen einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung und schränkt die Lebensqualität weniger stark ein.

Gut zu wissen: Die Grenzen zwischen ausgeprägten Charakterzügen und einer Persönlichkeitsstörung sind fließend. Nur weil der Charakter etwas von der sogenannten Norm abweicht, liegt noch keine Persönlichkeitsstörung vor. Ausschlaggebend ist der persönliche Leidensdruck: Sollten Betroffene sich durch ihre Persönlichkeitsmerkmale erheblich eingeschränkt fühlen und sich in bestimmten Situationen ein anderes Verhalten wünschen, ist es ratsam, professionelle therapeutische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Neben dem Leidensdruck sind auch Dauer und Beeinträchtigung in mehreren Lebensbereichen wichtige Kriterien.

Welche Folgen hat eine Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung? 

Menschen mit einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung erleben eine ständige Anspannung und Unsicherheit, sie fühlen sich zudem minderwertig. Trotz ihrer Ängste haben sie ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Zuneigung und Akzeptanz, das jedoch durch die tief sitzende Angst vor Ablehnung nicht erfüllt werden kann. Diese Angst schränkt die Betroffenen in ihrem privaten und beruflichen Leben erheblich ein.

Freundschaften und Partnerschaften sind für Personen mit einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung nur schwer aufzubauen und zu erhalten. Die Angst vor Ablehnung erschwert es, enge Freundschaften zu schließen, und macht auch Dating und Liebesbeziehungen schwierig. Oft vergehen Jahre, bis Betroffene Intimität zu einer Person zulassen können. Aus Furcht vor einer möglichen Zurückweisung ziehen sie sich häufig präventiv aus entstehenden Beziehungen zurück – und bestätigen dadurch ihre eigenen Befürchtungen.

Eine junge Frau tröstet eine Freundin, die unter ihrer Trennung leidet.

Menschen mit großer Angst vor Ablehnung benötigen in Freundschaften und Beziehungen oft mehr Unterstützung und Zeit, um Vertrauen und Nähe aufzubauen.

In schweren Fällen kann eine Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung zu zusätzlichen psychischen Erkrankungen wie einer Depression, Angststörung oder Essstörung führen.

Wie kann ich eine Persönlichkeitsstörung mit Angst vor Ablehnung überwinden?

Leider führt eine Therapie bei einer ängstlich vermeidenden Persönlichkeitsstörung in vielen Fällen nicht zu einer Zurückbildung der Symptome. Einige Studien deuten jedoch darauf hin, dass in manchen Fällen eine Therapie auf lange Sicht Besserung bringen könnte. 

Zur Behandlung von Persönlichkeitsstörungen ist die Psychotherapie das Mittel der Wahl. Medikamente setzen Medizinerinnen und Mediziner nur ein, wenn zusätzlich zu der Persönlichkeitsstörung noch weitere Symptome oder psychische Erkrankungen vorliegen, bei denen nachweislich eine medikamentöse Behandlung wirksam ist. 

Bei der Psychotherapie haben sich sowohl Formen der Verhaltenstherapie wie die kognitive Therapie als auch psychodynamische Verfahren bewährt. 

  • Verhaltenstherapeutische Verfahren: In der Verhaltenstherapie analysieren Sie gemeinsam mit Ihrer Therapeutin oder Ihrem Therapeuten die der Persönlichkeitsstörung zugrundeliegenden Muster und erkennen typische Denk- und Verhaltensweisen. Sie bekommen konkrete Methoden vermittelt, mit denen Sie im Alltag gezielt üben und an problematischen Verhaltensmustern arbeiten können. Auch eine Kombination aus Einzel- und Gruppentherapie oder eine sogenannte Expositionstherapie kann sinnvoll sein. Bei dieser Therapieform setzen sich Betroffene in psychotherapeutischer Begleitung gezielt angsteinflößenden Situationen aus.
  • Psychodynamische Verfahren: Die psychodynamische Therapie fokussiert sich auf Gefühle und zwischenmenschliche Beziehungen. Während der Therapie beschäftigen Sie sich mit unbewussten Konflikten sowie prägenden Ereignissen aus Ihrer Vergangenheit.

Bei beiden Therapieformen ist der Aufbau einer vertrauensvollen therapeutischen Beziehung entscheidend. Zudem sollten vorab klare Zielvereinbarungen getroffenen werden, damit Betroffene wissen, worauf sie hinarbeiten. Besonders wichtig ist die Einbeziehung des sozialen Umfelds in die Therapie, um Beziehungsmuster zu erkennen, die möglicherweise zu der Angst vor Ablehnung beitragen.

Wichtig: Die Angst vor Ablehnung ist Teil der Persönlichkeit und wird sich daher nicht kurzfristig ändern. Eine Therapie kann Betroffene jedoch dabei unterstützen, ihre Verhaltensmuster zu verstehen und so langfristig einen besseren Umgang mit den Ängsten zu entwickeln.

Literatur und weiterführende Informationen

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