Ein Mann liegt krank auf der Couch
Ungleichbehandlung

Männergrippe: Gibt es sie wirklich? Und leiden Männer tatsächlich mehr?

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin, Allergologin, Phlebologin, Barmer)

Männer leiden tagelang unter „Männergrippe“, Frauen niesen ein paar Mal, sind bald wieder fit und arbeiten weiter. Was lustig klingen mag, hat einen ernsten Hintergrund: In ihrer Infektabwehr sind Männer den Frauen unterlegen. Keime erwischen sie schwerer. Selbst Impfungen schlagen bei ihnen weniger gut an.

Was ist mit Männergrippe gemeint?

Was lustig klingen mag, hat einen ernsten Hintergrund: In ihrer Infektabwehr sind Männer den Frauen unterlegen. Keime erwischen sie schwerer. Selbst Impfungen schlagen bei ihnen weniger gut an. Wem kommt es bekannt vor? Wenn Männer eine Erkältung haben, geht nichts mehr. Sie liegen im Elend auf der Couch und wollen am liebsten gar nichts tun (auch nicht zum Arzt gehen), während die meisten Frauen von Schnupfen und Husten unbeeindruckt bleiben.

Männer werden von Infekten schwerer erwischt – auch von Corona

Viele Frauen reagieren mitunter genervt und haben die Männer im Verdacht, wehleidig zu sein. Die Realität ist aber eine andere. Bei genauerem Hinsehen spielt das Geschlecht nämlich doch eine Rolle, wenn es darum geht, Infekte abzuwehren. „Das männliche Immunsystem arbeitet weniger effizient“, sagt auch Carsten Watzl, der den Forschungsbereich Immunologie am IfADo (Leibniz-Institut für Arbeitsforschung) der TU Dortmund leitet und zum Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Immunologie gehört.

Das zeigt sich nicht nur bei der sogenannten Männergrippe, sondern auch in der Coronapandemie: Für mehr Männer als Frauen verläuft COVID-19 schwer und sogar tödlich – obwohl beide Geschlechter etwa gleich häufig erkranken.

Der Hintergrund: Experten unterscheiden bei einer Corona-Infektion zwei Phasen: die erste, in der sich das Virus im Körper vor allem an den Orten des ersten Kontakts vermehrt und eine zweite, bei der die Viren in den gesamten Körper ausschwärmen und die mit einer heftigen Entzündung in der Lunge und anderen Organen einhergeht und diese dabei massiv schädigt.

Nicht jeder Mensch wird derart krank. „Dass Frauen eine stärkere spontane Immunabwehr haben, könnte der Grund sein, dass bei ihnen Corona seltener in die zweite, bedrohlichere Phase übergeht“, so Immunologe Watzl.

Wir sind nicht alle gleich. Unser biologisches Geschlecht bestimmt mit, welche Symptome wir entwickeln und wie wir medizinisch behandelt werden. Warum deswegen eine "Ungleichbehandlung" so wichtig ist.

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Männergrippe: Männer haben häufiger Infekte

Dass es das starke Geschlecht beim Schnupfen und anderen Infektionskrankheiten schwerer erwischt als Frauen, weiß man schon länger aus Studien: Sie belegen, dass Männer für diverse Erreger anfälliger sind als Frauen.

In Europa erkranken beispielsweise Männer häufiger und heftiger an einer Grippe, ausgelöst von Influenzaviren. Auch Tuberkulose, Meningokokken, Pneumokokken und Hepatitis B treffen Männer schwerer. Sogar eine Blutvergiftung (Sepsis) als Folge von Infektionen trifft eher Männer.

Grippe bei Männern: Es fehlt an Östrogenen

Doch warum schwächelt das Immunsystem der Herren, wenn Viren und Bakterien es attackieren? Die Hormone scheinen eine entscheidende Rolle zu spielen: „Dass Frauen ein stärkeres Immunsystem haben, liegt daran, dass die Geschlechtshormone es beeinflussen“, sagt Watzl. Das weibliche Sexualhormon Östrogen stimuliert die spontane Immunantwort und regt die Vermehrung spezifischer Abwehrzellen an.

Deswegen werden Erreger im Körper einer Frau schneller und aggressiver bekämpft als bei Männern. Das männliche Hormon Testosteron dagegen unterdrückt die spezifische Immunantwort. Je mehr Testosteron der Körper produziert, umso mehr wird das Immunsystem geschwächt. Männer mit hohem Testosteronspiegel sollen daher besonders anfällig für Infektionen sein.

Wie gut reagieren Männer auf Impfungen?

Wie effektiv Östrogen das Immunsystem stärkt, zeigen jüngste Studien zur Corona-Impfung:  Ein halbes Jahr nach dem Piks hatten Frauen unter 65 im Schnitt mehr als doppelt so viele Antikörper wie die Teilnehmer beider Geschlechter, die 65 Jahre und älter waren. Generell bildeten weibliche Probandinnen mehr SARS-CoV-2-Antikörper als männliche.

Warum Frauen immunstärker sind als Männer, konnten Forschende bis heute nicht final klären. Eine These ist, dass Frauen immerhin für den Erhalt der Menschheit zuständig sind. Tödliche Infekte während der Schwangerschaft und in den ersten Lebensjahren der Kinder wären fatal gewesen. Dazu passt, dass das Hormon Östrogen nicht ein Leben lang einen immunstärkenden Effekt hat: Es ist vor allem zwischen Pubertät und Menopause aktiv – in der Lebensphase also, in der Frauen Kinder gebären können.

Welche Kraft hat das X-Chromosom?

Männerschnupfen wird wohl auch begünstigt, weil Männer nur ein X-Chromosom haben. „Wichtige Gene, die das Immunsystem regulieren, liegen ausschließlich auf dem X-Chromosom. Und davon haben Frauen die doppelte Dosis“, betont Immunologe Watzl.

Der alte Glaube, dass das zweite X-Chromosom bei Frauen wegen der Doppelung komplett inaktiv ist, ist längst widerlegt. Dadurch hat der weibliche Teil der Bevölkerung schlicht „mehr“ Immunsystem zur Verfügung. Fällt ein X-Chromosom aus, können sie immer noch auf das andere zugreifen.

Männer leben ungesünder

Aber nicht nur Gene und Hormone spielen eine Rolle. Vermutlich gefährden Männer ihr Immunsystem auch durch ihren Lebensstil: Sie trinken mehr Alkohol und rauchen häufiger, sie ernähren sich ungesünder, bewegen sich weniger und arbeiten oft bis zum Umfallen und sind deswegen gestresst  – alles Angewohnheiten, die die körperliche Abwehr eher drosseln. „Chronischer Stress, eine einseitige Ernährung oder zu wenig Bewegung können das Immunsystem entkräften“, bestätigt Watzl.

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Dazu kommt: Männer gehen seltener zu Vorsorgeuntersuchungen und überschätzen die eigene Gesundheit. Sie halten sich fälschlicherweise für gesünder als Frauen und fühlen sich weniger anfällig für Erkrankungen. Diese Idee erschüttert auch die Männergrippe nicht.

Interessieren Männer sich nicht für ihre Gesundheit? Männer und Prävention. 

Was kann man gegen den Männerschnupfen machen?

„Wie stark jemanden eine Erkältung trifft, hängt vom Virus ab und davon, wie stark seine Infektabwehr anspringt“, sagt Roman Huber, Leiter des Zentrums für Naturheilkunde an der Universität Freiburg. Wirksame Mittel, die Erkältungsviren den Garaus machen, gibt es bis heute nicht. Es gibt jedoch eine Reihe von Medikamenten und Hausmitteln, die die Beschwerden wie etwa Kopf- und Gliederschmerzen lindern können.

Schleimlösende Medikamente können beim Abhusten helfen. Bei Schnupfen ist Nasenspray ein bewährtes Erste-Hilfe-Mittel. „Fieber sollte man nur senken, wenn die Symptome sehr unangenehm sind, etwa bei starken Kopfschmerzen“, so Huber. Eher sind Ruhe und körperliche Schonung angebracht. Lassen Sie sich vor der Einnahme von Medikamenten in Ihrer Apotheke beraten.

Schon gewusst? Nasenspray kann abhängig machen.

Wie lange dauert es, bis eine Erkältung weg ist?

Mehr als 200 verschiedene Virenarten können erkältungsähnliche Beschwerden auslösen. Zuerst kratzt es im Hals, dann muss man ständig niesen, und schon läuft die Nase. Doch nach ein paar Tagen Ruhe ist der Patient normalerweise wieder fit. Auch ganz ohne Behandlung klingen die Beschwerden nach sieben bis zehn Tagen ab. Lediglich der Reizhusten kann hartnäckig sein und sich auch mal bis zu drei Wochen halten.

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Was hilft am besten gegen Erkältung?

Die Nase läuft, der Kopf ist dicht. Etliche bewährte Hausmittel bringen bei Männerschnupfen Linderung: 

Das Einatmen von Wasserdampf reinigt die Schleimhäute der oberen Atemwege und fördert die Durchblutung.
Nasenspray lässt die Schleimhäute abschwellen. Nicht länger als eine Woche anwenden.
Myrtol und Thymian, gemixt mit Efeu oder Primelwurzel, bessern Husten. Pflanzenstoffe und ätherischen Öle, die darin enthalten sind, mobilisieren den Schleim, töten Viren ab und wirken entzündungshemmend.
Eine Nasendusche spült erregerhaltiges Sekret von der Schleimhaut herunter. Dadurch lässt sich die Dauer der Männergrippe verkürzen. Dafür lässt man eine Salzlösung (1 gehäufter EL Salz/1 Liter warmes Wasser) mit einer Nasendusche aus der Apotheke durch die Nase und die Nasennebenhöhlen laufen. Der Effekt lässt sich noch steigern, wenn man vorher abschwellendes Nasenspray verwendet.
Der Körper verliert bei Schnupfen und Fieber vermehrt Flüssigkeit. Daher bis zu zwei Liter trinken sind das Mindestgebot. Warmer Tee lindert Hustenreiz und Halskribbeln.
Zink unterstützt das Immunsystem. Es soll auch eine heilende Wirkung bei Erkältungen haben, was aber wissenschaftlich nicht eindeutig belegt ist. In einer Studie konnte Einnahme von 75 Milligramm Zink pro Tag Erkältungen abkürzen.
Hat zwar keine nachgewiesenen Effekte auf das Immunsystem, kann sich aber trotzdem positiv auf die Männergrippe auswirken: Die dampfende Suppe verbessert die Nasenatmung und ersetzt Flüssigkeit und Salz, die beim Schwitzen verloren gehen. 

Literatur und weiterführende Informationen

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