Freundinnen mit Getränken in Händen gehen bei einem Stadturlaub durch eine Einkaufsstraße
Frauengesundheit

Frauengesundheit: Keine reine Frauensache

Lesedauer weniger als 9 Min

Redaktion:

Dr. rer. nat. Clara Neuhaus (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Dr. med. Ursula Marschall (Leitende Medizinerin der Barmer)

Jahrhundertelang war der männliche Körper in der Medizin der Goldstandard, an dem sich Diagnosen und Behandlungen orientierten. Die Folgen? Eine oftmals unzureichende und nicht optimale medizinische Versorgung von Frauen – und eine Menge unnötiger Tabus rund ums Thema Frauengesundheit. Höchste Zeit, das endlich zu ändern.

Starke Regelschmerzen, Hitzewallungen oder unregelmäßige Blutungen? Pst, nicht so laut! Zahlreiche Aspekte der Frauengesundheit sind immer noch schambehaftet, doch diese Tabus machen vielen Frauen das Leben unnötig schwer. Nicht nur privat, sondern auch im Job. Es ist überfällig, dass sich etwas ändert: Frauengesundheit muss besser erforscht, stärker in der Gesundheitsversorgung verankert und – besonders wichtig – in der Gesellschaft endlich ernst genommen werden. Schluss mit den Tabus, lasst uns endlich Klartext sprechen!

Barmer: Als Krankenkasse Aufklärung leisten und Versorgung verbessern

Die Barmer engagiert sich daher mit zahlreichen Projekten und Aktivitäten für eine bessere Gesundheitsversorgung von Frauen. So kann auch zur Enttabuisierung von Themen wie Periode und Menopause beigetragen werden. Frauengesundheit ist bei der Barmer sogar Vorstandssache. Für die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Simone Schwering hat das Thema eine herausragende Bedeutung: „Als Krankenkasse tragen wir hier eine besondere Verantwortung. Wir wissen, dass es nach wie vor blinde Flecken, Tabus und Versäumnisse gibt, die Frauen ihre Gesundheit kosten können, und das wollen wir ändern. Darum rücken wir das Thema Frauengesundheit noch stärker in den Fokus: um Aufklärung zu leisten, Versorgung zu verbessern und echte Sichtbarkeit für die Anliegen von Frauen zu schaffen.“

Wichtig sind konkrete Maßnahmen, damit Frauengesundheit nicht nur mehr Aufmerksamkeit erhält, sondern sich auch wirklich etwas ändert. Doch was gehört eigentlich alles zum Themenbereich Frauengesundheit? Welche gesundheitlichen Herausforderungen betreffen speziell Frauen? Und was lässt sich unternehmen, um die Gesundheit und das Wohlbefinden von Frauen nachhaltig zu fördern?

Biologie: Mehr Unterschiede zwischen Männern und Frauen als Penis und Vagina

„Männer haben einen Penis, Frauen eine Vagina“ – so erklären viele Eltern ihren Kindern schon im Grundschulalter die Unterschiede zwischen den Geschlechtern. Klingt simpel, stimmt so aber nicht. Denn zum einen fehlen hier nicht binäre Personen, trans*-Menschen und andere Geschlechtsidentitäten. Zum anderen haben die körperlichen Unterschiede oftmals weitreichendere Folgen, als die meisten Menschen denken.

In der Medizin galt jahrzehntelang der männliche Körper als Standard in Forschung und Lehre – und das mit teils dramatischen Folgen. Beispiel gefällig? Brustschmerzen, die in den linken Arm ausstrahlen? Klar, Herzinfarkt. Stimmt auch, trifft aber hauptsächlich auf Männer zu. Frauen zeigen bei einem Herzinfarkt oft ganz andere Symptome, daher wird ein Infarkt häufig erst später erkannt als bei Männern. Geschlechtersensible Medizin? In vielen Fällen Fehlanzeige.

#Ungleichbehandlung: BARMER-Kampagne für geschlechtersensible Medizin

Auf den Mangel an geschlechtersensibler Medizin machte schon 2021 die Social-Media-Kampagne #Ungleichbehandlung der Barmer aufmerksam. Denn Männer und Frauen unterscheiden sich biologisch in viel mehr Bereichen als nur bei den Geschlechtsorganen: Der Hormonhaushalt tickt anders, Krankheiten äußern sich unterschiedlich, Schmerzen werden verschieden wahrgenommen. Dazu kommen für Frauen Periode, Schwangerschaft, Wechseljahre...

Die Barmer unterstützt die Gesundheit von Frauen in jeder Lebensphase. Ob HPV-Impfung, Brustkrebsvorsorge oder Informationen zu Schwangerschaft und Geburt – jedes Thema verdient die volle Aufmerksamkeit, wie die stellvertretende Vorstandsvorsitzende Simone Schwering betont: „Für mich gibt es nicht das eine Thema der Frauengesundheit. Wir Frauen sind sehr unterschiedlich und durchlaufen verschiedene Lebensphasen, von der Pubertät über Schwangerschaft und Familiengründung bis hin zu den Wechseljahren und darüber hinaus. Jede Phase bringt ihre eigenen Herausforderungen mit sich.“

Zwei Frauen im Gespräch auf der Straße

Frauengesundheit ist in jeder Lebensphase ein Thema. Daher unterstützt die Barmer ihre Versicherten mit einer Vielzahl an Leistungen und Informationen.

Simone Schwering führt weiter aus: „Wichtig ist mir deshalb vor allem zweierlei: zum einen, dass wir unser Bewusstsein für Frauengesundheit insgesamt schärfen und bestehende Tabus brechen. Denn solange bestimmte Themen verschwiegen oder kleingeredet werden, können wir sie nicht wirklich angehen. Zum anderen möchte ich dazu beitragen, die Gesundheitskompetenz zu stärken, also das Wissen und die Sicherheit, mit der wir Entscheidungen für unsere eigene Gesundheit treffen.“

Periode: Die Monatsblutung ist ein ganz natürlicher Vorgang

Die Monatsblutung ist für viele Mädchen und Frauen immer noch schambehaftet. „Hast du einen Tampon?“, wird geflüstert, dann wandert das begehrte Objekt schnell und heimlich von Hand zu Hand. Oder: „Ich gehe mal vor, kannst du schauen, ob etwas zu sehen ist?“ Ein Blutfleck an der Hose oder am Rock, das wäre ja peinlich.

Dabei ist die Monatsblutung eine völlig normale Körperfunktion. Jeden Monat baut sich die Gebärmutterschleimhaut auf – als gemütliches Nest für eine befruchtete Eizelle. Kommt keine Schwangerschaft zustande, räumt die Gebärmutter wieder auf und stößt die Schleimhaut ab. Et voilà: Die Blutung ist da. Die erste Periode im Leben heißt übrigens Menarche und ist ein ziemlich aufregendes Ereignis.

Was wäre, wenn Frauen offen mit ihren Freundinnen und Freunden, ihrer Familie und sogar bei der Arbeit über ihren Zyklus sprechen könnten? Das würde das Leben so viel entspannter machen. Plötzlich wäre klar: Sex während der Periode ist gar nicht unhygienisch. Und diese starken Krämpfe und Blutungen? Vielleicht doch nicht so normal, wie alle immer behaupten.

In den sozialen Medien ruft die Barmer mit der Aktion „Let’s talk about …“ deshalb dazu auf, Tabus zu brechen. Zusammen mit Influencerinnen wie Elena Carrière (@elenacarriere), Carolin-Sophie Bausch (@caro.psychologie) und Susanna Bouchain (@spicyladyy) informiert sie unter anderem über Menstruation, mentale Gesundheit und weibliche Lust. Denn nur wenn offen über diese Themen gesprochen wird, kann sich etwas ändern.

Endometriose: Das „Chamäleon der Gynäkologie“ betrifft zahlreiche Frauen

Bei Endometriose wächst Gewebe, das der Gebärmutterschleimhaut ähnelt, da, wo es nicht hingehört: an den Eierstöcken, am Darm, im Bauchraum und manchmal sogar an der Lunge. Diese Endometrioseherde können sehr starke Schmerzen und Unfruchtbarkeit verursachen – oder aber auch völlig unbemerkt bleiben. Deshalb wird Endometriose auch das „Chamäleon der Gynäkologie“ genannt. Das Verrückte: Obwohl schätzungsweise 10 bis 15 Prozent aller Frauen im gebärfähigen Alter betroffen sind, sind die genauen Ursachen von Endometriose bisher nicht bekannt.

Immerhin hat sich in den vergangenen Jahren einiges in Forschung, Diagnostik und Behandlung getan. Das liegt auch daran, dass immer mehr Betroffene wie die Influencerin Anna Adamyan offen über die Erkrankung sprechen und für mehr Aufmerksamkeit für Endometriose kämpfen. Trotzdem bleibt noch viel zu tun, denn: Betroffene warten im Schnitt mehr als sieben Jahre auf eine Diagnose. Sieben Jahre!

Noch weniger bekannt ist zudem die Adenomyose – dabei wachsen die Endometrioseherde direkt in der Muskelwand der Gebärmutter. Auswirkungen der Adenomyose sind unter anderem starke Schmerzen und eine eingeschränkte Fruchtbarkeit. Auch hier: Ursachen unbekannt.

Die Barmer möchte das ändern und fördert zusammen mit der Berliner Charité ein Projekt zur Verbesserung der Frauengesundheit speziell für Mädchen und junge Frauen mit Menstruationsschmerzen. Eine App soll unter anderem dazu beitragen, dass von Endometriose Betroffene schneller eine Diagnose erhalten. 

Hormonveränderungen: Die Wechseljahre im Job endlich enttabuisieren

Nicht nur in jungen Jahren können Hormonveränderungen für Aufregung sorgen: Auch die Wechseljahre mit der letzten Blutung wirbeln das Leben womöglich noch einmal durcheinander. Hitzewallungen mitten im Meeting? Check. Nächtelang wach liegen? Leider auch. Wortfindungsstörungen durch Brain Fog? Ein weiteres mögliches Extra. Die Wechseljahre können eine ganze Palette neuer „Überraschungen“ mit sich bringen. Diese Veränderungen sind sehr individuell und jede Frau erlebt sie unterschiedlich – mal mit mehr, mal mit weniger Auswirkungen auf ihren Alltag. 

Ein Paar mittleren Alters sitzt zusammen lachend auf dem Sofa.

Wechseljahre können das Leben einer Frau gehörig durcheinanderwirbeln. Oft gilt das Thema immer noch als Tabu. 

Ein Problem, zusätzlich zu den körperlichen Symptomen: Frauen in den Wechseljahren erfahren oftmals kaum Unterstützung. Besonders im beruflichen Umfeld ist das Thema häufig noch ein großes Tabu. Die Barmer hat deshalb das Projekt Menopause@work ins Leben gerufen. Ein Leitfaden mit Empfehlungen für Unternehmen soll dazu beitragen, die Wechseljahre im Job endlich zu enttabuisieren und Frauen in dieser Phase den Rücken zu stärken. Denn mit der richtigen Unterstützung lässt sich diese Lebensphase mit all ihren Veränderungen gut bewältigen.

Hitze: Tropische Temperaturen wirken sich auf Frauen stärker aus

Hitzewallungen in den Wechseljahren – klar. Aber auch die Sommerhitze hat unterschiedliche gesundheitliche Auswirkungen auf Frauen und Männer. Hitze verursacht bei Frauen enorme gesundheitliche Probleme. Das Risiko für Schwangerschaftskomplikationen und Frühgeburten steigt erheblich. Während Hitzewellen sterben mehr hochbetagte Frauen als Männer. Und Frauen in der Menopause sind anfälliger gegenüber Hitzestress.

Warum das so ist? Neben körperlichen Unterschieden sind ein weiterer Grund klassische Rollenmuster, die sich hartnäckig halten: Frauen kümmern sich oft erst um ältere Familienmitglieder und Kinder, bevor sie an sich selbst denken. Dazu kommt: Sie haben häufig weniger Geld zur Verfügung und leisten mehr Care-Arbeit. Aus diesen Gründen können Frauen beispielsweise oft keine Pausen einlegen, die bei Hitze aber dringend notwendig wären, und es fehlen finanzielle Mittel für Maßnahmen zum Schutz vor Hitze.

Je heißer es wird, desto wichtiger wird Hitzeschutz. Die Barmer geht das Thema von zwei Seiten an: mit langjährigem Engagement für Klimaschutz und gezielter Aufklärung über Schutzmaßnahmen, besonders für Frauen

Müttergesundheit: Mamas kommen oft zu kurz

Mutter zu werden bringt große Veränderungen im Leben von Frauen mit sich – vielleicht die größten überhaupt. Viele Frauen merken dann schnell, wie verdammt hoch und auch wie widersprüchlich die Erwartungen an Mütter sind: Kochen, Putzen, Wäsche waschen – und, ach ja, um die Kinder kümmern, aber am besten auch noch „nebenbei“ Vollzeit arbeiten und regelmäßig im Gym trainieren, für den perfekten After-Baby-Body, versteht sich. Obwohl viel über Gleichberechtigung gesprochen wird, leisten Frauen im Durchschnitt pro Woche immer noch neun Stunden mehr unbezahlte Haus- und Care-Arbeit als Männer. Diesen Unterschied bezeichnen Fachleute als Gender-Care-Gap.

Die hohen Anforderungen gehen an die Substanz: Viele Mütter leiden unter Schlafmangel, sind erschöpft und haben kaum Zeit zur eigenen Verfügung. 

Kommen dann behandlungsbedürftige Gesundheitsprobleme dazu, erhalten Mütter oft nicht die Entlastung und Unterstützung, die sie benötigen. Ob medizinische Angebote wie Psychotherapie, Medikamente und Reha-Maßnahmen oder eine Unterstützung im Alltag: Um Mütter wirklich zu entlasten und Therapieangebote langfristig wirken zu lassen, muss ein gesellschaftliches Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass eine gerechte Verteilung der Care-Arbeit und die Mithilfe aller Institutionen erforderlich ist.

Das Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung (bifg) hat einen Forschungsschwerpunkt rund um Schwangerschaft, Geburt und Mutterwerden. In verschiedenen Kooperationen erforscht es, was im Gesundheitssystem funktioniert – und was (noch) nicht so gut läuft. So bekommen wichtige Themen wie die Gesundheit von Müttern die Aufmerksamkeit, die sie verdienen.

Frauengesundheit in den Fokus rücken: So geht die Barmer voran

So viele Baustellen bei der Frauengesundheit, so viel zu tun. Aber einfach nichts machen und hoffen, dass sich die Probleme von selbst lösen? Kommt nicht infrage. „Mit dem Barmer Women’s Health Club haben wir eine interne Plattform geschaffen, die unser Wissen und unsere Expertise im Bereich Frauengesundheit bündelt, fachbereichsübergreifend und gemeinsam mit Expertinnen und Experten unter anderem aus den Bereichen Prävention, medizinische Versorgung, Betriebliches Gesundheitsmanagement und Wissenschaft“, berichtet Simone Schwering. Auch mit dem seit 2022 stattfindenden Frauenkongress setzt sich die Barmer nicht nur aktiv für Karriereförderung, sondern auch für Frauengesundheit ein.

Die Barmer ist überzeugt: Frauengesundheit ist nicht nur ein medizinisches, sondern auch ein gesellschaftliches Thema, das alle angeht. Und genau da setzen die Barmer und Simone Schwering an – mit konkreten Aktionen, viel Engagement und der Mission, etwas zu verändern: „Wenn wir mehr Offenheit und mehr Wissen schaffen, können wir Frauen auf ihrem gesamten Lebensweg besser begleiten und ihnen die Unterstützung geben, die sie brauchen.“

Literatur und weiterführende Informationen

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