Schwangere Frau um die 30. Schwangerschaftswoche trinkt ein Glas Wasser an Fenster in der Küche
Hitze und Gesundheit

Hitzeschutz und Frauengesundheit: Die Ungleichheit in der Klimakrise

Lesedauer unter 5 Minuten

Redaktion

  • Dirk Weller (BARMER)

Qualitätssicherung

  • Dr. Katharina Scherber
  • Dr. Dagmar Hertle

Die fortschreitende Erderhitzung ist ein global drängendes Problem, das verschiedenste gesellschaftliche Gruppen vor diverse Herausforderungen stellt. Besonders Frauen sind in vielerlei Hinsicht überdurchschnittlich von den gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze betroffen. Wir beleuchten die Ursachen dieser Ungleichheit, ihre Auswirkungen auf die Frauengesundheit in Deutschland und eine angemessene Berücksichtigung von Frauen im Hitzeschutz.

Die gesundheitlichen Risiken für Frauen bei Hitze

Wussten Sie, dass bei Hitzewellen in Deutschland mehr Frauen als Männer sterben? Dies liegt nicht nur an der Tatsache, dass Frauen in höheren Altersgruppen überrepräsentiert sind, sondern auch an biologischen Faktoren. Frauen schwitzen weniger und können sich schlechter an Hitze anpassen, was bei Hitzewellen ein signifikantes gesundheitliches Risiko darstellt. Neben demografischen und körperlichen Faktoren sind Frauen auch aufgrund von sozialen und ökonomischen Unterschieden besonders von den Risiken hoher Temperaturen betroffen. Die Erderhitzung erfordert somit einen engagierten Einsatz für Gendermedizin und Geschlechtergerechtigkeit.

Video: Hitzeschutz und Frauengesundheit

Frauen vor Hitzegefahren schützen

Frauen leiden besonders unter extremer Hitze. Ein neuer Kommunikationsleitfaden zeigt Lösungen.

Zum Leitfaden

Weibliche Lebensphasen: Schwangere und Ältere besonders angewiesen auf wirkungsvollen Hitzeschutz

Schwangere Frauen sind von den Auswirkungen von Hitze besonders stark betroffen. Sie haben per se einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf und eine erhöhte Körpertemperatur. Hitze kann nicht nur für die Mutter gefährlich sein, sondern auch das ungeborene Kind schädigen und zu Frühgeburten führen. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass heutzutage jedes elfte Kind in Deutschland zu früh geboren wird. Schon in einem Jahrzehnt könnte bereits jedes sechste Kind aufgrund von Hitze zu früh auf die Welt kommen. Und jede Frühgeburt bringt ein gesundheitliches Risiko mit sich. 

In den höchsten Altersgruppen gibt es aufgrund der höheren Lebenserwartung deutlich mehr Frauen als Männer. Viele ältere Frauen leben allein, das ist ein weiterer Gefahrenpunkt, der fatale Folgen haben kann. Ein Beispiel aus der Vergangenheit ist die Hitzewelle in Paris 2003, bei der hochbetagte Frauen in überhitzten Dachgeschosswohnungen starben. Alleine lebend vergisst man besonders leicht, ausreichend zu trinken. Ältere Frauen trinken aber oft auch absichtlich weniger bevor sie das Haus verlassen, z.B. weil sie unter Blasenschwäche leiden oder befürchten müssen, keine saubere öffentliche Toilette zu finden. 

Ein Mann, eine sehr alte Dame und eine ältere Frau umarmen sich

Gerade für Seniorinnen ist Hitzeschutz besonders wichtig. Dass Angehörige, Nachbarn und Pflegedienste regelmäßig nach ihrem Wohlbefinden schauen, kann lebensrettend sein.

Der weibliche Zyklus beeinflusst ebenfalls die Körpertemperatur und den Flüssigkeitsbedarf, Phasen extremer Hitze können zudem Menstruationsbeschwerden verstärken.

Auch die Wechseljahre gehen mit Veränderungen der Regulation der Körpertemperatur einher, beispielsweise im Kontext der sprichwörtlichen Hitzewallungen. Schlechterer Schlaf und Erschöpfungszustände können die Resilienz gegenüber strapaziösen Hitzewellen senken. Ohnehin verschärft diese Zeit die Risiken für Herz-Kreislauf-Probleme. 

Weshalb sind Frauen von Hitze stärker betroffen? 

Einfluss von hormonellen Veränderungen, z.B.

  • in der Adoleszenz
  • in der Schwangerschaft
  • in den Wechseljahren
  • zyklusabhängig

Geringere Fähigkeit zur Akklimatisierung durch z.B.

  • geringeres und später einsetzendes Schwitzen
  • niedrigeren Blutdruck  
  • kleinere Körpergröße
  • höheren Körperfettanteil

Gesundheitliche Klimarisiken im Arbeitsleben und in Fürsorgerollen

Nach wie vor ein einflussreicher Faktor ist die finanzielle und strukturelle Benachteiligung von Frauen. Frauen leisten deutlich mehr Care-Arbeit, sowohl beruflich als auch unbezahlt im häuslichen Umfeld. Care-Arbeit kann meist nicht warten und oft ist bei hohen Temperaturen eine intensivere Fürsorge nötig. Berufstätige Mütter sind zudem an die Betreuungszeiten von Kindern gebunden. Nach der Arbeit geht es direkt weiter und sie können häufig keine Pausen einlegen, die bei Hitze dringend notwendig wären. Auch eine Verlagerung der Arbeitszeit ist aufgrund von Mehrfachbelastungen durch die Familienarbeit meist nicht möglich. 

Eine Frau mit medizinischer Arbeitskleidung unterwegs im Auto

Frauen leisten noch immer deutlich mehr Care-Arbeit – und können so oft nicht flexibel auf hohe Temperaturen reagieren.

Care-und Dienstleistungsberufe sind Tätigkeiten mit einem besonders hohen Frauenanteil. Während zunächst viele an Bauarbeiter und Dachdecker und damit meist an Männer denken, haben Care- und Dienstleistungsberufe (z.B. in der Gastronomie) eine hohe Hitzebelastung bei wenig Flexibilität und fallen zahlenmäßig stärker ins Gewicht.

Denken wir zum Beispiel an den typischen Arbeitsalltag in der ambulanten Pflege, in der Frauen den größten Anteil stellen. Diese Frauen sind nicht nur in der Hitze viel unterwegs, sondern arbeiten auch in oft überhitzten Wohnungen der Pflegebedürftigen, die bei Hitze zudem einen höheren Pflegeaufwand haben. Die Klimaanlagen ihrer Fahrzeuge können auf den anfallenden Kurzstrecken nicht wirkungsvoll kühlen.

Hitzeschutzmaßnahmen für Pflegebedürftige und das Pflegepersonal sind daher eine der höchsten Prioritäten in der Klimaanpassung des Gesundheitswesens.

Politik und Planung zur Hitzeanpassung: Immer geschlechtersensibel

Bei der Anpassung an die Klimakrise ist die Rolle der Politik auf allen Ebenen entscheidend. Es braucht mehr Sensibilität und Aufklärung darüber, dass Frauen stärker von der Klimakrise betroffen sind. In vielen Städten mangelt es an Grünflächen, Schatten und Trinkbrunnen, die für alle wichtig sind, aber für Frauen aufgrund ihrer spezifischen Bedürfnisse noch dringlicher sein können.

Ein oft übersehener Aspekt sind öffentliche Toiletten. Bei Hitze ist es wichtig, ausreichend zu trinken. Ein Mangel an verfügbaren kostenlosen Toiletten kann – besonders bei Blasenschwäche oder in der Schwangerschaft – dazu führen, dass Frauen weniger trinken, was ihre Gesundheit weiter gefährden kann. Bei Hitze und vermehrtem Schwitzen erhöht sich zudem der Bedarf an Menstruationshygiene.

„Es muss im Bewusstsein aller Handelnden noch stärker ankommen, dass Frauen beim Schutz der Gesundheit vor Hitze spezifisch berücksichtigt werden müssen. Darauf sollte ein besonderes Augenmerk liegen, sowohl in der Politik und Forschung als auch im alltäglichen Leben“, betont Dr. Katharina Scherber, Klimagesundheitsexpertin bei der Barmer.

Fazit

Im Angesicht der Klimakrise ist es entscheidend, dass die gesundheitlichen Risiken für Frauen erkannt und in die Planung von Anpassungsmaßnahmen einbezogen werden. Es gibt bereits einige positive Ansätze, wie zum Beispiel die Hebammenschulung zu Hitzestress in der Schwangerschaft der Hebammenzentrale Hannover sowie der Flyer „Kühler Kopf trotz Hitze“ vom Deutschen Hebammenverband und den Midwives for Future.

Die Positionspapiere „Klimakrise – was jetzt für Geburtshilfe und Frauengesundheit in Deutschland zu tun ist“ sowie „Klimawandel, Familien und Hebammen: Anwaltschaft in Zeiten der Krise“ weisen auf strukturelle Probleme hin, benennen konkrete Lösungsansätze und motivieren zum aktiven Handeln. 

Vorbereitung betrifft uns alle

Wenn Sie das Thema Frauengesundheit und Klimawandel wichtig finden, empfehlen wir, sich aktiv an Diskussionen zu beteiligen und sich über existierende Projekte und Initiativen zu informieren. Nur gemeinsam können wir Lösungen finden und umsetzen, die Frauen und ihre Gesundheit in den Mittelpunkt rücken.

Weiterführende Informationen

Literatur

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