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Hormone

Testosteronmangel: Wenn Männern die Kraft ausgeht

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Redaktion:

Constanze Löffler (Autorin und Ärztin, Nerdpol – Redaktionsbüro für Medizin- und Wissenschaftsjournalismus)

Qualitätssicherung:

Dr. med. univ. Claudia Burgis

Testosteronmangel: Drei Dinge, die Sie gern früher gewusst hätten

Die Andropause gibt es nicht

Der Testosteronspiegel sinkt langsam im Alter und kann im Zusammenspiel mit weiteren Faktoren so abfallen, dass es zu Beschwerden kommt. „Männliche Wechseljahre“ gibt es aber nicht.

Abnehmen kann helfen

Viele Betroffene hoffen auf eine schnelle Hormontherapie. Doch ein gesunder Lebensstil hilft oft besser: Abnehmen und Sport können den Testosteronspiegel stabilisieren.

Testosteron als Krebsrisiko?

Testosteron galt lange Zeit als Risikofaktor für Prostatakrebs. Aktuellen Studien zufolge besteht jedoch kein Zusammenhang: Das Risiko ist bei normalem PSA-Wert nicht erhöht.

Der Begriff Andropause suggeriert, Männer durchliefen eine Art Wechseljahre wie Frauen. Die Wissenschaft widerspricht: Ein Testosteronmangel ist meist kein unausweichliches Altersphänomen, sondern hat häufig andere Ursachen. 

Wozu braucht der Körper Testosteron?

Testosteron spielt eine zentrale Rolle in vielen lebenswichtigen Prozessen. „Das Hormon ist die Basis männlicher Energie und Vitalität“, erklärt Professor Michael Zitzmann, Androloge am Universitätsklinikum Münster. Es beeinflusst Libido und Potenz, steuert Muskelaufbau und Knochendichte, reguliert das Blutbild und sogar die Stimmung. 

Wann spricht man von Testosteronmangel?

Ein Testosteronmangel liegt vor, wenn bei Männern das Gesamttestosteron im Blut unter 8 Nanomol pro Liter sinkt. Zwischen 8 und 12 Nanomol pro Liter liegt die Grauzone. In diesem Bereich hängt die Diagnose oft von Symptomen und dem Wert des freien Testosterons ab. Die Grenzwerte müssen bei zwei voneinander unabhängigen morgendlichen Messungen unterschritten sein. 

Niedrige Werte allein bedeuten nicht automatisch eine Erkrankung. „Die Hälfte aller übergewichtigen Männer hat einen Testosteronspiegel unter dem Normbereich“, sagt Zitzmann. Ohne Beschwerden sei das unproblematisch. „Wir behandeln keine Laborwerte.“

Testosteronmangel: Symptome

Fehlt Testosteron, fühlen sich viele Männer antriebslos und erschöpft. „Ein Testosteronmangel raubt ihnen buchstäblich die Kraft“, sagt Hormonexperte Zitzmann. Viele Betroffene berichten auch von depressiven Verstimmungen, Konzentrationsschwierigkeiten und Stimmungsschwankungen. „Die Männer fühlen sich wie ausgebremst – mental und emotional“, so Zitzmann.

Auf einen Testosteronmangel können vielfältige Beschwerden hindeuten: 

  • Sexuelle Symptome wie verminderte Libido, Potenzprobleme oder Abnahme der morgendlichen Erektionen
  • Psychische Symptome wie Reizbarkeit, depressive Verstimmung, Konzentrationsprobleme oder chronische Müdigkeit
  • Körperliche Symptome wie Schlaflosigkeit, Abnahme der Muskelkraft, Gewichtszunahme oder Insulinresistenz 

Symptome wie eine verminderte Libido, Konzentrationsprobleme oder Gewichtszunahme können auf einen Testosteronmangel hindeuten.

Symptome wie eine verminderte Libido, Konzentrationsprobleme oder Gewichtszunahme können auf einen Testosteronmangel hindeuten.

Ein Testosteronmangel erhöht das Risiko für eine Anämie (Blutarmut). Auch die Wahrscheinlichkeit, eine Osteoporose zu entwickeln, steigt. Die Antwort des Immunsystems kann sich verändern - so erkrankten Männer mit Testosteronmangel während der Covid-Pandemie schwerer und hatten ein höheres Risiko, an der Infektion zu sterben. Äußerlich fällt häufig eine Zunahme von Bauchfett auf – oft begleitet von einer Insulinresistenz. Bei dieser Vorstufe von Typ-2-Diabetes reagieren die Zellen weniger empfindlich auf Insulin, der Blutzuckerspiegel steigt. 

Welche Ursachen kann Testosteronmangel haben?

Es wird oft suggeriert, dass Männer auch eine Art Wechseljahre – die Andropause – durchlaufen. Der Begriff „männliche Wechseljahre“ sei jedoch irreführend, betont Zitzmann. Ab dem 40. Lebensjahr kommt es zu einer natürlichen Abnahme des Testosterons um etwa 0,4 bis 1 Prozent pro Jahr. Eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von Symptomen spielen jedoch Krankheiten und der Lebensstil. 

 In der Medizin wird zwischen klassischem und funktionellem Testosteronmangel unterschieden. Beim klassischen Mangel sind die Hoden oder der hormonelle Regelkreis im Gehirn geschädigt. Der Körper produziert zu wenig oder gar kein Testosteron – eine Therapie ist notwendig. Beim funktionellen Mangel stören Entzündungsstoffe aus dem Fettgewebe die hormonelle Regulation. „Übergewicht ist der Haupttreiber“, sagt Zitzmann. Ein Teufelskreis aus Übergewicht, Entzündung und weiter sinkendem Testosteron kann entstehen. Auch Medikamente wie Glukokortikoide oder bestimmte Schmerzmittel können den Testosteronspiegel verringern.

Es gibt Gerüchte, dass Haferflocken den Testosteronspiegel senken würden. Doch dem ist nicht so. 
„Hafer enthält Phytoöstrogene – aber in so geringen Mengen, dass sie den Hormonspiegel nicht beeinflussen“, sagt Zitzmann. Im Gegenteil: Hafer liefert wichtige Pflanzen- und Mineralstoffe sowie Vitamine, die sich in vielerlei Hinsicht positiv auf die Gesundheit auswirken können. 

Wie wird ein Testosteronmangel festgestellt?

Männer sollten eine neu aufgetretene körperliche Schwäche immer abklären lassen. Erster Anlaufpunkt ist die Hausarztpraxis. Denn auch eine Schilddrüsenunterfunktion, chronisch-entzündliche Krankheiten oder psychische Belastungen können ähnliche Beschwerden wie ein Testosteronmangel verursachen. Sind solche Ursachen ausgeschlossen und ein Testosteronmangel bestätigt, empfiehlt sich ein Termin bei einer Ärztin oder einem Arzt mit der Zusatzbezeichnung Andrologie – sie sind auf Hormonstörungen beim Mann spezialisiert.

 Ein einziger Bluttest reicht meist nicht aus, um zwischen den verschiedenen Ursachen eines Testosteronmangels zu unterscheiden. Daher kann es hilfreich sein, wenn neben dem Gesamttestosteron auch diese Werte bestimmt werden: Freies Testosteron (fT), Luteinisierendes Hormon (LH), Follikelstimulierendes Hormon (FSH) und Sexualhormonbindendes Globulin (SHBG). 

Wie wird ein Testosteronmangel behandelt?

Die Therapie eines Testosteronmangels richtet sich nach der Ursache – entscheidend sei, die Grunderkrankung zu behandeln, betont Androloge Zitzmann. Bei Ausfall der Hoden (primärer Hypogonadismus) ist eine lebenslange Hormonersatztherapie notwendig. Ist die Hirnanhangdrüse gestört (sekundärer Hypogonadismus), kommen je nach Ursache Testosteron und andere Medikamente infrage. Bei funktionellem Mangel steht die Änderung des Lebensstils im Vordergrund. Wichtige Faktoren sind hierbei Gewichtsabnahme, gesunde Ernährung und regelmäßige Bewegung. Doch nicht jeder schafft das allein: „Wenn Patienten zu erschöpft sind, kann Testosteron vorübergehend helfen, den Teufelskreis zu durchbrechen“, sagt Zitzmann.

Junger Mann trainiert Gruppe im Fitnesstudio mit Hanteln

Bei Testosteronmangel lässt sich der Hormonspiegel oft auf natürliche Weise wieder stabilisieren – durch einen gesunden Lebensstil mit viel Bewegung und gesunder Ernährung.

Testosteronmangel: Medikamente

Zur Behandlung eines Testosteronmangels gibt es Gele, Tabletten, Pflaster oder Spritzen. Wer was bekommt, hängt von den Vorlieben des Patienten und der medizinischen Situation ab. Gele lassen sich gut dosieren. Depotspritzen wirken über eine längere Zeit, was eine Korrektur schwierig machen kann.

In diesen Fällen ist die Gabe von Testosteron nicht erlaubt (absolute Kontraindikation): 

  • Kinderwunsch
  • Brust- oder Prostatakrebs
  • Hämatokritwert von 54 Prozent oder höher

In manchen Situationen ist die Testosterongabe nur unter strenger Abwägung der sich dadurch ergebenden Risiken zugelassen (relative Kontraindikation). Dazu zählen etwa schwere Herzschwäche, ausgeprägte Akne oder gutartige Prostatavergrößerung.

Testosteronmangel natürlich entgegenwirken

Eine Änderung des Lebensstils kann auf natürliche Weise Testosteron steigern. Regelmäßige Bewegung, gesunde Ernährung und Abnehmen können die Testosteronwerte deutlich verbessern. Auch der Malaysische Ginseng (Tongkat Ali) gilt als natürlicher Booster. Doch Zitzmann warnt vor Selbstversuchen: Herkunft, Verarbeitung und Dosierung seien oft unklar.

Welche Nebenwirkungen kann Testosteron haben?

„Wird korrekt dosiert, sind Nebenwirkungen selten“, sagt Hormonexperte Zitzmann. Möglich ist ein Anstieg des Hämatokrits: Die Zahl roter Blutkörperchen nimmt zu, das Blut wird „dicker“. Doch Zitzmann gibt Entwarnung: „Bislang fehlen Belege für ein erhöhtes Thromboserisiko.“ Dennoch sind bei einer Testosterontherapie regelmäßige Kontrollen wichtig: anfangs alle drei Monate, später reichen größere Abstände.

Führt Testosteron zu Prostatakrebs?

Ein Zusammenhang zwischen Testosteron und Prostatakrebs besteht laut Studien aktuell nicht: Bisherige Untersuchungsdaten zeigen kein erhöhtes Risiko bei Männern mit normalem PSA-Wert. Doch das Thema wird in der Wissenschaft weiter im Blick behalten. Vorsicht ist dagegen bei bereits bestehendem, noch unentdecktem Tumor geboten. Hier kann Testosteron das Wachstum beschleunigen. Daher sind PSA-Tests und urologische Checks vor und während der Behandlung mit Testosteron Pflicht.

Bekommt man von Testosteron einen Herzinfarkt?

Das Gerücht, dass Testosteron Herzinfarkte auslösen könne, hält sich hartnäckig – auch, weil immer wieder Bodybuilder mit Herzproblemen Schlagzeilen machen. Auch das gilt laut Zitzmann als widerlegt. „Die TRAVERSE-Studie zeigt: Selbst bei vorerkrankten Männern stieg das Risiko für Herzinfarkt oder Schlaganfall nicht“, sagt der Androloge. Die US-Zulassungsbehörde FDA habe daher mittlerweile einen entsprechenden Warnhinweis zu Herzrisiken von Testosteronpräparaten gestrichen. 

Gibt es Testosteronmangel bei Frauen?

Vor allem nach den Wechseljahren oder nach Operationen an Eierstöcken und Nebennieren kann bei Frauen ein Testosteronmangel auftreten. Die Folgen sind weniger Lust auf Sex, Erschöpfung, Antriebslosigkeit und Unwohlsein. „Dennoch werden Frauen nur zurückhaltend mit Testosteron therapiert, obwohl das Hormon in Studien das Wohlbefinden und die Sexualität verbesserte“, sagt Zitzmann. Ein Problem: In Europa gebe es bislang kein zugelassenes Präparat für Frauen. Die Behandlung erfolge individuell dosiert und off-label
 

Barmer Doc Sebastian: Was passiert bei einem Testosteronmangel?

Barmer Doc Sebastian erklärt, welche Symptome bei zu wenig Testosteron im Körper auftreten können.

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