Eine Frau wiegt Cannabisblüten
Cannabis

Achtzehn erstaunliche Fragen und Antworten zu Cannabis und seiner medizinischen Wirkung

Lesedauer unter 11 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Ursula Marschall (Fachärztin für Anästhesie, Barmer)

Der Verkauf von Cannabis ist seit vielen Jahrzehnten in Deutschland verboten. Nun soll das Rauschmittel legalisiert werden und frei verkäuflich sein. Wir beantworten alle Fragen rund um die Wirkung im Gehirn, die unerwünschten Nebenwirkungen, den medizinischen Nutzen und die Therapie mit Cannabis. 

1. Was sind die Besonderheiten der Pflanze Cannabis?

Cannabis gehört zur Familie der Hanfpflanzen, es gibt drei Sorten: Cannabis indica, Cannabis ruderalis und Cannabis sativa. Der Hauptwirkstoff Delta-9-Tetrahydrocannabinol (kurz THC) ist in allen drei Sorten enthalten, er gehört zur Stoffgruppe der Cannabinoide. Bis zu 80 weitere Cannabinoide stecken in jeder der drei Hanfsorten in unterschiedlichen Mengen. So wirken manche eher beruhigend, andere anregend oder halluzinogen. 

2. Seit wann nutzen und konsumieren Menschen Cannabis?

Seit Jahrtausenden wird Cannabis schon als Nutz- und Heilpflanze verwendet, in China wurden bereits vor 6000 Jahren Kleidung, Fischnetze und Heilmittel daraus gemacht. Von Asien aus kam Cannabis über den Mittleren und Nahen Osten nach Europa und Amerika. Die berauschende Wirkung wurde jedoch in Europa erst spät bekannt. 

Im Jahr 1929 verabschiedete der Deutsche Reichstag dann ein Opiumgesetz, das den Umgang mit Betäubungsmitteln regelte – Cannabis zählte auch dazu. 1971 wurde es vom Betäubungsmittelgesetz (BtMG) abgelöst, in dem Regeln für den Besitz, Handel, das Strafmaß und die Verschreibung von Cannabis festgelegt wurden.

3. Wie kommt man an Cannabis?

Cannabis wird auf der ganzen Welt angebaut und exportiert. In Europa gibt es vor allem Plantagen in Albanien, den Niederlanden und der Schweiz. Seit Cannabis aber auch medizinisch genutzt werden darf, gibt es in Deutschland zahlreiche Anbauflächen – meist in Hallen. Sogenannte Head Shops verkaufen in Deutschland Zubehör wie Bongs oder Pfeifen für den Cannabis-Konsum. Cannabis außerhalb der medizinischen Anwendung wird derzeit nur unter der Hand und illegal verkauft oder zum Eigenbedarf angebaut. 

Der Konsum von Cannabis ist nicht strafbar. Bis zu welcher Menge jedoch der Besitz straffrei bleiben kann, ist in den Bundesländern unterschiedlich geregelt. Generell gilt, dass von einer Bestrafung abgesehen werden kann, wenn es nur um den Umgang mit geringen Mengen Cannabis zum Eigenkonsum ohne jede Gefährdung von Dritten geht.

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4. Wie wird Cannabis konsumiert?

Die Hanfpflanze wird auf drei verschiedene Arten genutzt:

  • Marihuana (auch Gras genannt) sind getrocknete Pflanzenteile – vor allem die Blüten und Blätter – der weiblichen Pflanze. Gras hat einen durchschnittlichen THC-Gehalt von zwei Prozent, manche Züchtungen deutlich mehr.
  • Haschisch (auch Shit oder Dope genannt) ist zu Platten gepresstes Harz der weiblichen Hanfpflanze mit einem durchschnittlichen THC-Gehalt von 8,3 Prozent.
  • Haschischöl (auch als Haschöl oder THC-Öl bezeichnet) ist ein Extrakt aus dem Harz der weiblichen Blüten mit einem THC-Gehalt von durchschnittlich 30 Prozent.

Meist wird Cannabis mit Tabak vermischt als Joint oder pur als sogenannter Blunt geraucht. Auch in Wasserpfeifen (Bongs) oder Verdampfern setzen sich die Inhaltsstoffe frei, das THC flutet den Körper schneller. Cannabis wird außerdem in Fett aufgelöst zu Kuchen oder Keksen verbacken oder als Tee getrunken. Am risikoärmsten sind Verdampfer, da bestimmte Substanzen nicht verbrannt werden, die zusätzliche Schäden anrichten können. 

Sehr gefährlich ist ein Mischkonsum, also Cannabis mit Ecstasy, Speed, Crystal, Alkohol, Kokain oder Psylocibin. Dadurch kann es zu Kreislaufversagen oder dauerhaften Psychosen kommen. Um beim Verkauf das Gewicht zu erhöhen, wird Gras manchmal auch mit Streckstoffen verunreinigt (zum Beispiel Gewürze, andere Pflanzenteile, Sand, Zucker, Talkum), Haschisch werden Fette, Öle oder Wachs untergemischt. Dadurch steigt die Gefahr von Gesundheitsschäden stark an. 

5. Was ist synthetisches Cannabis?

Seit einigen Jahren werden Cannabinoide auch künstlich hergestellt und als Kräutermischungen verkauft. Sie tragen Namen wie Spice oder Bonzai. Synthetische Cannabinoide sind teilweise hundertmal so stark wie herkömmliches THC und auch die Wirkung kann ganz anders sein. Manche Konsumenten berichten, dass der Rausch belastend und anstrengend ist und die körperliche Beeinträchtigung oft noch Tage anhielt. Es gibt wissenschaftliche Hinweise, dass die synthetischen Substanzen krebserregend sein und akute Psychosen auslösen könnten. Es gab bereits einige Todesfälle, daher wird dringend vom Konsum abgeraten.

6. Wie wirkt Cannabis und was passiert im Gehirn, wenn man high ist? 

Die pharmakologische Wirkung von Cannabis ist noch nicht ganz entschlüsselt. Sicher weiß man nur, dass Cannabis vor allem über körpereigene Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn und im Körper wirkt, die man erst in den 1980er Jahren fand. Manche Menschen reagieren dann mit euphorischen Gefühlen, überschwänglicher Freude, großer Gelassenheit. Sie haben neuartige, kreative Ideen, aber auch starke Gedankensprünge. 

Das Kurzzeitgedächtnis ist gestört – was vor fünf Minuten passiert ist, ist vergessen. Viele berichten, dass sich ihr Raum-Zeit-Gefühl verändert – meist verlangsamt – und sie Farben oder Geräusche anders wahrnehmen, die Konzentration herabgesetzt ist. Zu den negativen Auswirkungen gehören Angstzustände und die Befürchtung von Kontrollverlust. Es kann zu optischen und akustischen Halluzinationen kommen. Die Pupillen weiten sich, die Augen sind rot, der Mund wird trocken, der Blutdruck, die Körpertemperatur und der Blutzuckerspiegel fallen, vielen wird schwindelig. 

Cannabis in der Medizin wird vor allem bei Nervenschmerzen wegen seiner schmerzlindernden Wirkung eingesetzt. Bei Krebspatienten hilft es, den Appetit zu steigern.

7. Was macht mehr high - ein Keks oder ein Joint?

Wird Cannabis geraucht, wirkt es schneller (bereits nach zehn Minuten), als wenn es gegessen wird (nach 30 Minuten oder zwei Stunden). Denn der Wirkstoff THC wird beim Rauchen schnell über die Atemwege aufgenommen und überwindet die Blut-Hirn-Schranke. Über den Magen gelangt das THC langsamer in den Stoffwechsel. Aber: Die Wirkung eines Joints lässt auch schneller wieder nach. 

Bei einem Stück Kuchen oder einem Keks kann man hingegen schlecht einschätzen, wieviel Cannabis man gegessen hat, und damit leicht überdosieren. Also lieber vorsichtig herantasten und abwarten – ein Cannabisrausch kann sehr unangenehm werden. 

8. Wie lange kann man THC im Körper nachweisen?

Im Blut kann THC bis zu drei Tage, im Urin sogar bis zu drei Monaten nachgewiesen werden – je nachdem wie häufig und stark man raucht oder inhaliert. In Haaren lagert sich THC ab und ist dort sogar mehrere Monate lang nachweisbar.

9. Kann passives Kiffen nachweisbare THC-Werte im Blut hinterlassen?

Selbst wer nicht aktiv am Joint zieht, sondern nur passiv mitraucht, kann davon berauscht sein – und hat mit Konsequenzen zu rechnen. Zumindest entschied das der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg (VGH) in einem Urteil aus dem Jahr 2004.  Ab einer THC-Konzentration von 1,0 Nanogramm pro Milliliter im Blut gilt man als fahruntüchtig – egal, ob man selbst raucht oder, wie in jenem Urteil vorgebracht, sich zwei Stunden „in einem mit dicken Cannabis-Nebelschwaden durchzogenen Nebenraum“ aufgehalten hat. Liegt der Blutwert über der Grenze, müssen Betroffene mit Bußgeld, Punkten und Fahrverbot rechnen. 

10. Welche Auswirkungen kann Haschisch-Konsum haben?

Neben der berauschenden Wirkung hat Haschisch noch weitere Effekte: Der CaPRis-Studie zufolge steigert es auch das Risiko für psychische Störungen. Dazu gehören Angststörungen, psychotische und bipolare Störungen sowie Depressivität und Suizidgedanken.  Besonders hoch ist die Gefahr für jene, die jung mit dem Kiffen anfangen und täglich konsumieren. Ärzte sehen eine Legalisierung der Droge kritisch: Forschende der Uni Ulm haben etwa herausgefunden, dass zwischen 2000 und 2018 fast fünf Mal mehr Menschen wegen psychischer Störungen nach Cannabis-Konsum in der Klinik behandelt werden mussten. 

In den letzten Jahren konnte beobachtet werden, dass der Cannabiskonsum zugenommen hat. Speziell gezüchtete Hanfpflanzen mit einem sehr hohen THC-Gehalt und auch synthetische Cannabinoide haben dazu vor allem beigetragen. 
Seit 2017 können auch Cannabisblüten auch von Ärzten verschrieben werden. Hier werden überwiegend Fertigarzneimittel verordnet. 

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11. Kann man durch Marihuana depressiv werden? 

Kiffen kann das Risiko für Angststörungen, Depressivität und psychotische Störungen erhöhen. Bipolare Störungen treten durch Cannabiskonsum drei Mal häufiger auf.  Bei medizinischer Anwendung wird Cannabis vereinzelt auch zur Therapie von Angst- und Schlafstörungen, bei ADHS und posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) sowie gegen Depressionen eingesetzt.  Zwar liegen erste Hinweise auf die Wirksamkeit von Cannabinoiden bei solchen psychischen Erkrankungen vor. Doch noch reichen die Studiendaten nicht aus, um daraus konkrete Behandlungsstrategien abzuleiten.

12. Wie verursacht Kiffen eine Psychose?

Kiffen macht nicht nur entspannt, euphorisch oder lustig, es kann auch schwerwiegende Folgen für die Psyche haben. Der Auslöser: Tetrahydrocannabinol, kurz THC. Es verändert Psyche und Bewusstsein und ist der eigentliche Grund dafür ist, dass Menschen Cannabis konsumieren. Das THC ist für die rauschartige Wirkung verantwortlich. Im Gehirn kann THC die Wahrnehmung so verändern, dass man Dinge sieht und hört, die nicht echt sind. Solche Wahnvorstellungen und Halluzinationen sind erste Anzeichen für eine Psychose. In eine solche Situation können auch Menschen geraten, die schon mehrfach gekifft und bisher keine Probleme hatten – aber auch jene, die zum ersten Mal am Joint ziehen. 

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13. Lässt sich vorhersagen, wer besonders gefährdet ist, eine Psychose zu erleiden?

Nicht jeder, der kifft, bekommt eine Psychose. Gefährdet sind beispielsweise Menschen, die Cannabis mit sehr hohem THC-Gehalt konsumieren oder die täglich rauchen. Damit erhöht sich auch das Suchtpotential und die Abhängigkeit erheblich. Aber auch schon ein einziges Mal Kiffen kann psychisch krank machen, vor allem, wenn bei einem das Gen AKT 1 verändert ist.

 Es liegt auf dem kurzen Arm von Chromosom 14 und kodiert ein Enzym, einen Katalysator, der an zahlreichen Stoffwechselwegen im menschlichen Körper beteiligt ist. Leider weiß niemand vorher, ob man von dieser Genvariante betroffen ist. Ein weiteres Risiko für eine Psychose ist das Alter: Gerade bei Jugendlichen finden immense Umbauprozesse im Gehirn statt, so dass sie in dieser Zeit sehr viel anfälliger für schädliche Substanzen sind. Deshalb wirkt Cannabis bei Jugendlichen auch stärker, macht schneller abhängig und psychisch krank. 

14. CBD – Wundermittel oder Abzocke?

Cannabis enthält über 80 Inhaltsstoffe, so genannte Cannabinoide.  Die wichtigsten sind das psychoaktive THC und das nicht-psychoaktive CBD.  THC kann aktivierend, körperlich mobilisierend und stimmungsaufhellend wirken. CBD ist dagegen kaum psychoaktiv. Es hat eher muskelentspannende Effekte und soll in freiverkäuflichen Produkten sanft gegen Menstruationsbeschwerden, Schlafstörungen oder Anspannungszuständen wirken.

 In Drogerien, Supermärkten und Onlineshops sind Kapseln, Öl oder Kaugummis erhältlich, die CBD enthalten. Diese Produkte haben in der Regel jedoch eine Zulassung. Verbraucherschützer warnen trotz niedriger CBD-Konzentrationen vor gesundheitlichen Nebenwirkungen solcher Produkte und raten vom Konsum ab. 

15. Was ist Cannabis auf Rezept?

Zu medizinischen Zwecken verschreiben Ärztinnen und Ärzte ihren Patienten Produkte, die THC oder CBD oder eine Mischung aus THC und CBD enthalten. THC und CBD haben gegensätzliche Wirkmechanismen und therapeutische Indikationen; THC birgt im Vergleich zu CBD ein höheres Risiko für unerwünschte Ereignisse. Im Unterschied zu frei verkäuflichen Produkten ist bei den medizinischen Produkten vorgegeben, wie viel Wirksubstanz enthalten ist. Die sind die sognannten Fertigarzneimittel. 

Es können aber auch unverarbeitete Naturprodukte wie etwa Cannabisblüten verschrieben werden. Hier schwankt die Konzentration der verschiedenen Inhaltsstoffe wie bei allen Naturprodukten. Zudem müssen die Blüten vor der Anwendung durch die Patienten erst selbst zur Anwendung beispielsweise im Vaporisator vorbereitet werden.

16. Wer verschreibt Cannabis?

Seit März 2017 haben Patienten mit schwerwiegenden Erkrankungen unter bestimmten Voraussetzungen Anspruch auf Cannabis auf Kosten der Krankenkassen. Der Arzt oder die Ärztin verordnen das medizinische Cannabis auf einem Betäubungsmittelrezept. Die Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Therapie nur nach vorheriger Genehmigung. Zahnärzte und Tierärzte sind nicht berechtigt, Cannabis zu verschreiben.

17. Bei welchen Krankheiten hilft Cannabis? 

Cannabis wird vor allem zur Behandlung von chronischen Schmerzen, bei Spastik und schmerzhaften Muskel- und Blasenkrämpfen bei Multipler Sklerose (MS) und bei Aids- und Krebspatienten eingesetzt. Bei diesen Erkrankungen ist sowohl die schmerzlindernde, aber auch appetitsteigernde Wirkung von Cannabis wirksam. Cannabis wird häufig zusätzlich in Behandlungskonzepten eingesetzt, die schon andere Medikamente und nicht-medikamentöse Behandlungsverfahren wie etwa Krankengymnastik umfassen.

Nur für wenige Indikationen, etwa bei chronischen Schmerzen oder bei Übelkeit und Erbrechen nach Chemotherapie, gibt es wissenschaftliche Belege, dass Cannabis wirkt. Bei vielen anderen Indikationen ist die Studienlage zur medizinischen Anwendung von Cannabis dünn. Verfechter der Cannabis-Therapie erwähnen zwar oft Einzelschicksale, bei denen Cannabis geholfen hat. Doch Cannabis sei kein Allheilmittel, da würden sich viele Leute falsche Hoffnungen machen, sagen Experten auf der anderen Seite. Sie fordern methodisch hochwertige Studien, um handfeste Aussagen zum therapeutischen Potenzial von Cannabisarzneimitteln treffen zu können.   

18. Wie gut wirkt Cannabis bei Schmerzen? 

Cannabis enthält zahlreiche Substanzen, sogenannte Cannabinoide wie THC und CBD. Sie gelangen beim Essen oder durchs Rauchen zunächst ins Blut und binden dann an Cannabinoid-Rezeptoren im Gehirn. Dort hat Cannabis eine entspannende Wirkung. Dadurch empfinden Schmerzpatienten ihre Beschwerden nicht mehr als so störend; die Schmerzen werden erträglicher. 

Allerdings können Cannabinoide die Schmerzschwelle nur wenig anheben, und auch die Schmerztoleranz ändert sich kaum.  Einem aktuellen Report der US-amerikanischen National Academies of Sciences, Engineering and Medicine sollte Cannabis nicht bei akuten Schmerzen eingesetzt werden. 

Literatur

Weiterführende Informationen

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