Zwei Junge Männer mit Gesundheitskarte in der Hand
Einsamkeit

Einsam im Studium: So knüpfst du neue Kontakte

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Oliver Treubel (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Direkt nach dem Abi kommt die Euphorie: endlich eigene Wege gehen! Viele zieht es jetzt zum Studieren in eine andere Stadt. Es geht um Unabhängigkeit, Erwachsenwerden, schon klar. Aber ebenso darum, neue Freundschaften zu knüpfen. Das klappt leider nicht immer auf Anhieb. „In einer neuen Stadt kann es schon zu einer Herausforderung werden, Anschluss zu finden“, berichtet Hannah*, deren Studienbeginn auch noch inmitten pandemiebedingter Kontaktbeschränkungen lag.

Wie Hannah mit der Einsamkeit im Studium umging, welche Gründe häufig dazu führen, sich im Studium einsam zu fühlen und was dagegen helfen kann. 

Neue Stadt, immer allein, keine Freunde? Gründe für Einsamkeit im Studium

Wenn sich Studierende immer einsam und immer allein fühlen, wenn sie Probleme haben, neue Kontakte zu knüpfen, kann das sehr belastend werden und letztlich in Verbindung mit anderen Faktoren auch die psychische Gesundheit gefährden. Die Entstehung von belastender Einsamkeit hat dabei meist mehrere Ursachen. Bei Hannah war das auch so. Wir haben für euch einige wesentliche Gründe für Einsamkeit im Studium identifiziert.

Anonymität an (großen) Unis

In den populären Studiengängen an großen Unis schreiben sich oft mehrere hundert Erstis ein. Das Problem dabei: Je größer die Gruppe Mitstudierender ist, desto unscheinbarer und anonymer kann sich die oder der Einzelne fühlen.

Was folgt daraus? Um in einer sehr großen Gruppe wahrgenommen zu werden und Freunde zu finden, ist einiges an Eigeninitiative gefragt. Extrovertierte Menschen tun sich naturgemäß leichter, schüchterne Studierende haben es entsprechend schwerer.

Hinzu kommt: Wenn sich unter den Studierenden mit der Zeit Cliquen herausbilden, kann das auf Außenstehende leicht demotivierend wirken – und die Kontaktaufnahme fällt noch schwerer.

Digitalisierung statt Zusammentreffen in der realen Welt

Digitale Vorlesungen, virtuelle Seminare und Online-Tutorien haben während der Coronapandemie den Uni-Alltag bestimmt. Auch nach dem Ende der Kontaktbeschränkungen sind digitale Veranstaltungen aus dem Studium nicht mehr wegzudenken. Einer der Nachteile dieser fortschreitenden Digitalisierung: Man trifft sich einfach nicht mehr so häufig an der Uni.

Dadurch reduzieren sich spontane Verabredungen zum Kaffee oder zum After-Uni-Bier. Hannah bekam das von Beginn an zu spüren: „Schnell merkte ich, wie der rein virtuelle Austausch an seine Grenzen stieß und sich ein Gefühl von Einsamkeit in mir breitmachte. Der soziale Kontakt und die Unterstützung fehlten mir sehr.“

Ausgeprägte Heimatverbundenheit

Was ist falsch an etwas Heimatverbundenheit? Natürlich nichts! Aber Studierende, die in jeder freien Minute nach Hause fahren, sehen ihre Eltern und alten Freundinnen und Freunde vermutlich deutlich häufiger als ihre Kommilitoninnen und Kommilitonen.

Das mag vorübergehend gegen Einsamkeitsblues am Studienort helfen. Jedoch berauben sich Studierende so der Chance, die neue Umgebung und neue Menschen kennen und mögen zu lernen.

Heißt? Wer in den ersten Monaten nicht so häufig nach Hause fährt, sondern sich auf die neue Umgebung einlässt, kann das Gefühl der Einsamkeit schneller überwinden. Das muss ja nicht bedeuten, dass man die Eltern und alten Freundinnen und Freunde gar nicht mehr besucht. 

Ungewissheit und finanzielle Sorgen

Ihr kennt das vielleicht aus eigener Erfahrung: Traditionell jobben viele Studierende am Studienort in der Gastronomie und finanzieren so ihre Wohnung oder ihr WG-Zimmer. In der Coronapandemie fielen jedoch zahlreiche Jobs im Gastgewerbe weg.

Auch die zuletzt stark gestiegenen Lebenshaltungskosten tragen wesentlich dazu bei, dass Studierende ihr WG-Zimmer aufgeben und in die Heimat zurückziehen, um Geld zu sparen. Die Uni-Vorlesungen besuchen sie dann vorzugsweise virtuell.

Gehen oder bleiben, Geld sparen oder Ersti-Partys feiern? Das muss jeder selbst entscheiden. Hannah jedenfalls blieb, auch während der Lockdowns. Für sie bedeutete das zumindest zeitweise, dass persönliche Kontakte am Studienort wegbrachen, weil Mitstudierende kurzerhand zurück zu den Eltern zogen. Ihre pragmatische Reaktion darauf: „Ich lernte, Zeit allein zu verbringen.“

Allein vs. einsam – wo ist der Unterschied?

Eine Studentin entspannt und genießt ihre Me-Time in ihrem Zuhause.

Alleinsein und bewusst Zeit mit sich selbst verbringen hat positive Effekte. 

Hannahs Umgang mit dem vorübergehenden Alleinsein zeigt: Nur weil man für eine gewisse Zeit für sich ist, muss man sich nicht unbedingt einsam fühlen. Allein vs. einsam – wo ist der Unterschied?

Das Kompetenznetz Einsamkeit (KNE) beschreibt Einsamkeit so: „Einsam ist, wer sich einsam fühlt. Als subjektives Gefühl ist Einsamkeit etwas, das erlebt wird. Entsprechend ist das eigene Empfinden der beste Maßstab für die Frage, ob man einsam ist oder nicht.“ 

Es gibt natürlich viele weitere Gründe für Einsamkeit im Studium, die wir noch nicht genannt haben. Welche Gründe im Einzelfall auch vorliegen: Entscheidend für das Empfinden von Einsamkeit im Studium ist, dass zwischen den gewünschten und den tatsächlichen Beziehungen eine Diskrepanz empfunden wird, die sich zum Beispiel in einem Gefühl des Verlassenseins oder des Ausgeschlossenseins äußern kann.

Daher kann Einsamkeit im Studium ebenso auftreten, wenn man zwar jeden Tag Kontakt zu Menschen hat, die emotionale Bindung sich aber nicht so entwickelt, wie man es sich wünschen würde.

Problematisch wird Einsamkeit, wenn sich dieses negative Gefühl verstetigt, also dauerhaft auftritt. Insbesondere, weil sich daraus ernste körperliche oder seelische Beschwerden entwickeln können, sollte Einsamkeit für niemanden zum Dauerzustand werden.

Sich nicht mehr einsam fühlen: Was man gegen Einsamkeit im Studium tun kann

Einsamkeit im Studium kann sowohl von individuellen äußeren Umständen begünstigt werden als auch von eigenen Denkmustern. Die folgenden Tipps solltet ihr daher als Anregungen verstehen, was grundsätzlich gegen Einsamkeit im Studium helfen kann. Eine persönliche Beratung können diese Tipps nicht ersetzen. Diese Beratung bieten beispielsweise die Beratungsstellen der Uni und Studierendenwerke an.

Verbessern der äußeren Umstände: Aktiv wertvolle Kontakte knüpfen

Trotz der herausfordernden Zeiten zu Studienbeginn schaffte es Hannah, neue Freundschaften zu schließen, die bis heute bestehen. „Wir eröffneten Lerngruppen, die zunächst per Video stattfanden, und unterstützten uns gegenseitig, auch bei Problemen des Alltags. Als es die Gesundheitslage dann zuließ, trafen wir uns zum Spazierengehen, Kaffeetrinken oder zum Sport.“

Das wöchentliche Engagement in der Fachschaft ihrer Fakultät half Hannah ebenfalls, neue Kontakte zu knüpfen: zu Mitstudierenden, die im Uni-Alltag mit ähnlichen Herausforderungen umgehen müssen.

Eine Gruppe von Studierenden macht gemeinsam einen Ausflug.

Gemeinsame Ausflüge abseits des Uni-Alltags helfen dabei, andere Studierende besser kennenzulernen. 

Ohnehin sind die universitären Einrichtungen und Angebote sehr gut dazu geeignet, Menschen in der gleichen Lebenssituation und mit gleichen Interessen kennenzulernen – sei es beim Uni-Sport, beim Fachschaftsausflug oder im Rahmen eines Hiwi-Jobs.

Auch Azubis können unter Einsamkeit leiden 
Von Einsamkeit können natürlich nicht nur Studierende, sondern auch Auszubildende betroffen sein, die für ihre Ausbildung in eine neue Stadt ziehen. Für sie gilt ebenso: aktiv wertvolle Kontakte knüpfen. So gibt es beispielsweise in vielen Unternehmen eigene Programme und Angebote für Auszubildende, bei denen man sich gut kennenlernen kann.

Das richtige Mindset: Bewusstes Alleinsein ja, Einsamkeit nein

Wer sich einsam fühlt, sollte aktiv Kontakte knüpfen oder sich bei Bedarf Unterstützung und Hilfe holen. Von der Einsamkeit abzugrenzen ist das bewusst gewählte Alleinsein als Zeit für sich, auch Me-Time genannt.

Oder wie es Hannah formuliert: „Die nicht ganz so leichte Anfangszeit in der neuen Stadt hat mir gezeigt, wie wichtig es ist, Zeit mit sich selbst verbringen zu können. Dabei kann es zu Beginn sehr befremdlich sein, sich aktiv mit sich selbst auseinanderzusetzen. Für die persönliche Entwicklung sind die Zeit allein und die Reflektion der eigenen Person jedoch äußerst hilfreich.“

* Es handelt sich um echte Erfahrungen aus dem Leben einer Studierenden. Aus Datenschutzgründen wird der Nachname nicht genannt.

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