Ein Mann guckt skeptisch auf zwei Medikamentendosen im Badezimmer
Coronavirus

Welche Medikamente bei einer Corona-Infektion helfen

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Mittlerweile haben sich verschiedene Medikamente bei einer Corona-Infektion bewährt. Antikörper oder antivirale Mittel können den Verlauf abmildern, müssen aber möglichst frühzeitig gegeben werden. Medikamente, die Entzündungen dämpfen, kommen in einer späteren Phase zum Einsatz, falls die Abwehrreaktion des Körpers aus dem Ruder läuft. Ein Überblick.

Zu Beginn der Pandemie waren Ärzte und Ärztinnen ratlos: Wie können sie Menschen helfen, die schwer an Corona erkrankt sind? Mit welchen Medikamenten lassen sich die Folgen der Infektion abmildern? Sie versuchten es mit Mitteln, die gegen vergleichbare Leiden eingesetzt werden, und gaben ihr Wissen weiter, sobald ein Medikament Wirkung zeigte.

Auch Forschende weltweit suchten und suchen immer noch intensiv nach einem Heilmittel. Heute gibt es eine Handvoll Präparate, die den Krankheitsverlauf erwiesenermaßen oft abmildern können. 

Medikamente gegen das Coronavirus: Impfungen und bestimmte Wirkstoffe können helfen, den Verlauf einer COVID-19-Infektion abzumildern.

Medikamente gegen das Coronavirus: Impfungen und  bestimmte Wirkstoffe können helfen, den Verlauf einer COVID-19-Infektion abzumildern.

Wann sind Medikamente gegen Corona nötig?

Die Impfung gegen das Coronavirus schützt weitgehend vor einem schweren Verlauf der Erkrankung. Dennoch können Medikamente bei einer Corona-Infektion notwendig sein.

Corona-positiv: Und jetzt? Was sie selbst bei einer Infektion tun können.

Wer unter COVID-Symptomen leidet, sollte sich rasch an den Hausarzt oder die Hausärztin wenden und eine mögliche Therapie zu besprechen. Das gilt besonders für Menschen mit einem unvollständigen Impfschutz oder Immunschwäche, etwa bei einer Krebserkrankung oder nach einer Organtransplantation

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Medikamente zu Beginn der Erkrankung

Direkt nach einer Ansteckung mit COVID-19 ist das Hauptziel der Behandlung, die Vermehrung und Ausbreitung der Viren im Körper einzudämmen. Dafür gibt es bisher zwei grundlegende Methoden: Antikörper, die sich von außen an die Erreger heften, und antivirale Medikamente, die von den Viren aufgenommen werden.

Sotrovimab (Handelsname Xevudy)

„Monoklonale Antikörper“, das klingt erst einmal nach einem neuen Science-Fiction-Roman für Immunologen. Tatsächlich handelt es sich dabei um Eiweiße, die Antikörpern des menschlichen Immunsystems nachempfunden sind. In der Krebs- und Immuntherapie kommen sie bereits seit ein paar Jahren zum Einsatz, jetzt wurden neue Varianten entwickelt, die sich spezifisch an Coronaviren heften und diese blockieren. 

So wird verhindert, dass die Viren in die Körperzellen eindringen und sich dort weiter vermehren können. Während die Impfung dazu führt, dass der Körper eigene Antikörper gegen das Coronavirus bildet, werden bei dieser Behandlung Antikörper gespritzt, die zuvor im Labor hergestellt wurden. 

Solche künstlichen Antikörper können etwas schneller an neue Varianten des Virus angepasst werden als Impfstoffe. Die Impfung hat den Labor-Antikörpern allerdings etwas voraus: Sie verringert die Wahrscheinlichkeit, sich überhaupt zu infizieren. 

Und wer sich dennoch ansteckt, hat ab Tag eins einen gewissen Schutz, nicht nur über Antikörper, sondern auch durch spezialisierte Immunzellen. Die Antikörper-Präparate hingegen müssen in den ersten fünf Tagen nach Symptombeginn gegeben werden, sonst haben sich die Viren womöglich schon zu sehr vermehrt. 

Ein weiterer Nachteil: Die Antikörper aus dem Labor müssen in einer aufwendigen Behandlung intravenös verabreicht werden. Für die Infusion wird etwa eine Stunde eingeplant, für die Nachbetreuung noch einmal so lang. All dies muss in einem abgetrennten Raum stattfinden, damit andere Patienten und Patientinnen geschützt werden.  

Einige der Antikörper, die vor dem Auftreten der Omikron-Variante wirksam erschienen, spielen nun keine große Rolle mehr. Der Wirkstoff Sotrovimab scheint hingegen auch bei Omikron gut zu helfen. Allerdings nur, wenn er bis etwa fünf Tage nach Symptombeginn gegeben wird.  Die schwerwiegendste Nebenwirkung (die etwa fünf von 10 000 Behandelten betraf) ist die Anaphylaxie, also ein allergischer Schock.  

Antivirale Mittel Remdesivir (Handelsname Veklury)

Remdesivir war zu Beginn der Pandemie ein großer Hoffnungsträger. Der Wirkstoff wurde ursprünglich gegen Ebola entwickelt und hemmt die Vermehrung bestimmter Viren. 

Auch Remdesivir sollte frühzeitig gegeben werden, in den ersten fünf bis sieben Tagen nach Symptombeginn.  „Auch dieser Wirkstoff muss per Infusion verabreicht werden, in mehreren Dosen – was ihn im ambulanten Umfeld unattraktiv macht“, so Prof. Stefan Kluge. Er ist Direktor der Klinik für Intensivmedizin am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf und Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin. 

Kluge hat bereits zahllose Corona-Patientinnen und -Patienten behandelt und arbeitet federführend an der ärztlichen Leitlinie zur Klinikbehandlung dieser Patienten mit. Zu den in Studien beobachteten Nebenwirkungen von Remdesivir gehören Übelkeit, Verstopfung, eine Venenentzündung, Kopfschmerzen und Gliederschmerzen. Auch lokale Blutungen kleiner Hautgefäße traten unter Behandlung auf.  

Molnupiravir (Handelsname Lagevrio)

Der Wirkstoff Molnupiravir wurde Anfang 2022 ohne Zulassung in der EU in den Verkehr gebracht. Das heißt, er darf angewendet werden, eine offizielle Zulassung steht allerdings noch aus. 

Auch er hemmt die Vermehrung der Coronaviren, allerdings unterscheidet sich sein Wirkprinzip grundlegend von dem der anderen antiviralen Medikamente gegen COVID-19. Molnupiravir wird vom Virus irrtümlich in dessen Erbgut eingebaut und sorgt dort für viele Veränderungen. Wenn sich das Virus vermehrt, entstehen Varianten, die dann zugrunde gehen. 

Dieser Effekt scheint sich recht gezielt auf Viren zu beschränken. „Komplett ausgeschlossen ist allerdings nicht, dass auch menschliche Zellen davon betroffen sein könnten“, sagt Kluge. Insbesondere bei Föten im Mutterleib könnten solche potentiellen Mutationen zu Fehlbildungen und Behinderungen führen. Daher ist während einer Therapie mit Molnupiravir eine Schwangerschaftsverhütung wichtig.  

Nirmatrelvir (Handelsname Paxlovid)

Der Wirkstoff Paxlovid ist seit Februar 2022 in der EU bedingt zugelassen. Ein antivirales Mittel in Pillenform, das in ersten Studien die Rate an Klinikeinweisungen um beinahe 90 Prozent senkte. 

Auch die Viruslast, also die Zahl der Erreger im Körper, reduzierte sich deutlich: um den Faktor 10. „Auf dieses Medikament setze ich durchaus Hoffnungen“, sagt Kluge. „Denn es ist einfach zu verordnen und das Nebenwirkungsprofil erscheint günstig.“ 

Das Medikament ist eine Mischung aus den Wirkstoffen Nirmatrelvir und Ritonavir. Ersterer hemmt die Vermehrung der Viren, indem es den Proteinabbau bremst, der vor der Entstehung der neuen Generation nötig ist. Der zweite Wirkstoff zielt auf die menschliche Leber und verlangsamt dort den Abbau des ersten. Das führt dazu, dass das Medikament länger im Körper bleibt und dort wirken kann. 

Es kann bei erwachsenen Patienten mit COVID-19, bei denen kein Impfschutz und mindestens ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf vorliegt, innerhalb der ersten fünf Tage nach Symptombeginn eingesetzt werden. Durch die beiden kombinierten Wirkstoffe erhöht sich jedoch auch die Zahl der Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten

Daher müssen relevante Interaktionen mit der bestehenden Medikation unbedingt vor dem Therapiebeginn überprüft werden. Die Weitere leichte Nebenwirkungen sind beispielsweise Durchfall und vorübergehende Geschmacksstörung.

Fazit

Mittlerweile kann gleich zu Beginn einer Infektion recht wirksam eingegriffen werden. „Dennoch werden die ambulanten Behandlungen bisher nicht ausgeschöpft“, sagt Stefan Kluge. 

Der Intensivmediziner appelliert an seine niedergelassenen Kollegen und Kolleginnen, bei Patientinnen und Patienten mit Risikofaktoren auf einen schweren Verlauf, die entsprechenden Medikamente einzusetzen. Aufgrund der Wirkungsmechanismen müssen die Medikamente rechtzeitig eingesetzt werden, weil sie ansonsten wirkungslos sind.  

Wer sich angesteckt hat, sollte rechtzeitig mit seiner Ärztin oder seinem Arzt besprechen, welche Behandlung unter Beachtung des aktuellen Impfstatus sinnvoll ist.

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Medikamente bei schwerem Verlauf

Verläuft eine Infektion mit COVID-19 schwer, wehrt sich der Körper erbittert. Die starken Immunreaktionen können allerdings aus dem Ruder laufen und dann selbst zur Gefahr für Erkrankte werden. Daher dienen Medikamente in dieser Phase vor allem dazu, die Körperabwehr in Schach zu halten, mit Hilfe sogenannter Immunmodulatoren. Diese werden für gewöhnlich in der Klinik an Patienten und Patientinnen verabreicht, die bereits auf eine Sauerstoffgabe angewiesen sind. Gemeinsam mit der Sauerstoffgabe können sie lebensrettend sein. 

Dexamethason

„Cortison ist nach wie vor eines der wichtigsten Medikamente, um schwere Verläufe unter Kontrolle zu bekommen“, sagt Stefan Kluge. Zum Einsatz kommt meist der Cortison-Wirkstoff Dexamethason. Er wird schon lange gegen überschießende oder fehlgeleitete Immunreaktionen eingesetzt. Der Wirkmechanismus ähnelt ein bisschen dem Gießkannenprinzip – das Mittel unterdrückt die Bildung von entzündungsvermittelnden Signalstoffen und neuen Zellen des Immunsystems. So werden Entzündungsprozesse stark abgemildert. 

Dieses Mittel wird Infizierten in der Klinik per Infusion verabreicht, wenn sie so stark erkrankt sind, dass sie eine Sauerstoffgabe brauchen. Dexamethason ist bei kurzfristiger Anwendung gut verträglich, bei einer Coronainfektion beschränkt sich der Einsatz meist auf einige Tage. Zu den Nebenwirkungen zählen dann vor allem Wassereinlagerungen und eine Störung des Zuckerstoffwechsels. Gravierendere Nebenwirkungen treten eher bei längerer und höher dosierter Behandlung auf, beispielsweise ein erhöhter Augeninnendruck, eine erhöhte Infektanfälligkeit oder auch Wachstumsstörungen bei Kindern.

Baricitinib (Olumiant) und Tocilizumab (RoActemra)

Die Wirkstoffe Baricitinib und Tocilizumab wurden bisher in der Rheuma-Behandlung eingesetzt. Beide senken Entzündungsreaktionen nicht ganz so umfassend und zielen auf unterschiedliche Ansatzpunkte im Immunsystem. Baricitinib hemmt sogenannte Janus-Kinasen, die Entzündungsprozesse fördern. Tocilizumab ist ein monoklonaler Antikörper, das den Entzündungsbotenstoff Interleukin 6 hemmt. Beide Medikamente kommen in der Klinik manchmal zum Einsatz bei Patienten und Patientinnen, die zwar beatmet, dafür allerdings noch nicht intubiert werden müssen. Zu den Nebenwirkungen beider Wirkstoffe zählen erhöhte Cholesterinwerte und Infektionen der oberen Atemwege.

Fazit

Nachdem sich das COVID-19-Virus weiter verändert, wird es auch in Zukunft neue Therapieansätze brauchen. Die bestehenden Medikamente können derzeit jedoch den Verlauf der Coronainfektion abmildern und dazu beitragen, dass viele schwer erkrankte Menschen genesen. „Dann trommeln wir immer das Team zusammen, damit sich alle darüber freuen können“, erzählt Kluge.

Medikamente für Kinder

Noch gibt es keine aussagekräftigen Studienergebnisse zu COVID-19-Medikamente für Kinder unter 12 Jahren bzw. mit einem Körpergewicht unter 40 Kilogramm. Mediziner und Medizinerinnen orientieren sich bei ihrer Behandlung an den Vorgaben für Erwachsenen. Die Dosierung wird dabei ans Körpergewicht angepasst. In der Frühphase einer Coronainfektion erhalten Kinder normalerweise keine Medikamente. Bestehen Risikofaktoren, kann eine Remdesivir-Gabe in Frage kommen, bei einem schweren Verlauf auch die Verabreichung von Dexamethason. Zum Glück erkranken Kinder äußerst selten schwer an Corona

Literatur und weiterführende Informationen

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