Eine lachenende Frau zeigt ihre schönen Zähne
Kieferorthopädie

Kieferorthopädie - Wie sich Zahnfehlstellungen korrigieren lassen

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • almeda GmbH

Qualitätssicherung

  • Meinhard Schwarz (Zahnarzt)

Aus der Reihe tanzende Zähne erhöhen das Risiko für Karies oder Parodontitis und können das Abbeißen, Kauen und Sprechen behindern. Mit Hilfe einer Zahnspange lassen sie sich oft gerade rücken.

Was fällt unter Kieferorthopädie?

Idealerweise sollten sich unsere Zähne wie Perlen auf einer Schnur aneinander reihen und beim Zusammenbeißen perfekt ineinandergreifen, ohne sich gegenseitig im Weg zu stehen. Das heißt, jeder Zahn des Unterkiefers sollte sich passgenau in die entsprechenden Gegenspieler im Oberkiefer senken. In vielen Fällen weicht unser Gebiss jedoch mehr oder weniger stark von diesem Ideal ab.

So sind heute fast zwei Drittel der Kinder und Jugendlichen in Deutschland wegen Zahnfehlstellungen oder falscher Kieferlage in Behandlung. Auch immer mehr Erwachsene lassen sich inzwischen aus der Reihe tanzende Zähne mit Hilfe von Spangen und Schienen gerade rücken. Für die Betroffenen mag dabei der Wunsch, besser auszusehen im Vordergrund stehen.

In erster Linie dient eine kieferorthopädische Behandlung jedoch der Prävention. Denn eine gerade Zahnreihe erleichtert die alltägliche Zahnpflege, was wiederum Zahnfleischentzündungen und Karies vorbeugt. Darüber hinaus lässt sich durch exakt ineinandergreifende Zähne die Kau- und Sprechfunktion verbessern. Dadurch werden eine übermäßige Abnutzung des Gebisses und der Abbau des Zahnhalteapparats vermieden.

Selbst körperliche Beschwerden wie Kopfschmerzen, Nacken- und Rückenschmerzen, aber auch Migräne, Ohrgeräusche und Schwindel bessern sich mitunter, wenn Fehlbelastungen durch einen falschen Biss beseitigt werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche kieferorthopädische Behandlung ist jedoch ein kariesfreies Gebiss mit gesundem Zahnfleisch.

Wann muss man zum Kieferorthopäden?

Zähne sind von Natur aus in einem gewissen Rahmen "beweglich", da sie nicht im Kieferknochen festgewachsen, sondern durch ein enges Fasergewebe elastisch mit ihm verbunden sind. Deshalb können Zähne auch wandern und ihre Stellung verändern – und das in jedem Alter. Diese Beweglichkeit machen sich Kieferorthopäden und Zahnärzte zunutze, wenn Sie die Zähne durch Druck und Zug in die gewünschte Position dirigieren.

Das sind die häufigsten Zahnfehlstellungen, die eine kieferorthopädische Behandlung benötigen

  • Engstand
    Reicht das Platzangebot im Kiefer nicht aus, weil dieser entweder zu schmal ist, die Zähne im Verhältnis zu groß sind oder Backenzähne von hinten auf die Zahnreihen drücken, entsteht ein Engstand. Die Folge des knappen Platzangebots sind verdrehte oder in zweiter Reihe stehende Zähne. Häufig sind die Eckzähne betroffen. Dann kommt es zu den typischen Vampirzähnen.
  • Lücken
    Trotz eines vollständigen Gebisses können Lücken entstehen, wenn die Zähne im Verhältnis zum Kiefer entweder zu klein ausfallen oder der Kiefer zu breit ist. Es kommt aber auch immer wieder vor, dass Zähne genetisch nicht angelegt sind. Haben die Zähne aufgrund eines großen Platzangebots keinen Kontakt mehr zu ihren Nachbarn, können sie sich beim Kauen auch nicht gegenseitig abstützen, um die Belastung gleichmäßig zu verteilen.
  • Überbiss
    Hierbei ragt der Oberkiefer zu weit über den Unterkiefer hinaus, sodass die oberen Schneidezähne beim Zusammenbeißen die unteren Frontzähne nicht berühren und gleichsam in der Luft schweben. In extremen Fällen überdecken sie diese sogar vollständig. Dann sprechen Zahnmediziner von einem Tiefbiss.
  • Vorbiss (umgekehrter Überbiss)
    Bei dieser Fehlstellung überragt der Unterkiefer den Oberkiefer, so dass die unteren Schneidezähne einen Teil der oberen abdecken (Progenie). Diese Fehlstellung sollte schnellstmöglich behandelt werden, da hierbei das Wachstum des Oberkiefers gefördert und das des Unterkiefers gehemmt werden muss. Je länger damit gewartet wird, desto langwieriger und schwieriger wird die Korrektur.
  • Kreuzbiss
    Beim Kreuzbiss ist der obere Kieferbogen in Relation zum Unterkiefer zu klein, so dass die der Wange zugewandten Höcker der unteren Backenzähne seitlich an denen der oberen vorbeigleiten, was das Zermahlen der Nahrung erschwert. Ist der Kreuzbiss nicht ganz so stark ausgeprägt, stehen die Zähne Kante auf Kante und es entsteht ein sogenannter Kopfbiss.
  • Offener Biss
    Vom offenen Biss spricht man, wenn sich beim Zusammenbeißen eine Lücke zwischen den oberen und unteren Frontzähnen, seltener auch zwischen den seitlichen Zähnen bildet. Diese Fehlstellung fördert Lispeln und Mundatmung, die wiederum die Anfälligkeit für Erkältungen erhöhen kann. Zusätzlich haben die Betroffenen große Probleme beim Abbeißen. Ursache für diese Fehlstellung ist oft das exzessive Daumenlutschen oder Dauernuckeln im Kleinkindalter.

Auch wenn ein Zahnersatz notwendig wird, beispielsweise durch eine Brücke oder ein Implantat, kann eine vorherige kieferorthopädische Behandlung erforderlich sein, um optimale Voraussetzungen zu schaffen. Sind beispielsweise die Zähne, an denen eine Brücke verankert werden soll, gekippt, ist es möglich sie vor der prothetischen Versorgung mit Hilfe einer Spange aufzurichten.

Wann kann mit der Behandlung begonnen werden?

Kieferorthopädische Behandlungen im Kindesalter beginnen zwar in der Regel erst mit acht oder neun Jahren. Trotzdem sollten Eltern die Gebissentwicklung ihres Kindes schon im Alter von etwa drei Jahren zum ersten Mal vom Zahnarzt überprüfen lassen. Denn mit spielerischen Muskelübungen oder einfachen herausnehmbaren Zahnspangen lässt sich einer späteren Fehlstellung bereits in diesem Alter entgegenwirken. Sollten Milchzähne, insbesondere Backen- oder Eckzähne, vorzeitig verloren gehen, muss die entstandene Lücke überwacht werden. Sonst besteht die Gefahr, dass Nachbarzähne in die Lücke wandern oder kippen. Mit Hilfe eines Lückenhalters kann der Zahnarzt jedoch sicherstellen, dass diese nicht den später durchbrechenden bleibenden Zähnen den Platz rauben.

Die eigentliche Behandlung erstreckt sich in der Regel über drei bis vier Jahre, gefolgt von einer passiven Behandlungszeit (Retentionszeit), in der entweder eine lose Spange (Retentionsplatte) dafür sorgt, dass die Zähne auch weiterhin an ihrem neuen Platz bleiben oder ein starrer Draht an die Innenseite der Zähne geklebt wird (Kleberetainer). Die herausnehmbare Retentionsplatte wird dann nur noch nachts getragen und nach und nach abgesetzt. Der Kleberetainer kann bis zum 25. Lebensjahr im Mund belassen werden, mindestens aber 4 Jahre.

Was machen Kieferorthopäden mit Zahnspangen?

Mit Zahnspangen lassen sich Fehlstellungen der Zähne bei Kindern wie auch bei Erwachsenen erfolgreich behandeln. Kieferorthopädische Korrekturen von Kieferfehlstellungen sind im Erwachsenenalter jedoch meist nur noch operativ Erfolg versprechend.

  • Herausnehmbare Zahnspange
    Solange das Kind noch wächst, kann je nach vorliegendem Krankheitsbild das Wachstum von Ober- und Unterkiefer entweder gehemmt oder angeregt werden. Die losen Spangen wirken dabei wie ein Turngerät. Indem sie Gewebe, Muskulatur und Kieferknochen anregen, bringen sie Zähne und Kiefer dazu, sich in die gewünscht Richtung zu entwickeln. Auf diese Weise lassen sich in vielen Fällen spätere Zahnextraktionen vermeiden. Herausnehmbare Spangen haben vor allem den Vorteil, dass sie bei der Mundhygiene nicht stören. Allerdings hängt der Behandlungserfolg bei dieser Art der Korrektur entscheidend von der konsequenten Mitarbeit der Patienten ab. Zudem ist die Therapie mit herausnehmbaren Spangen im Allgemeinen langwieriger, als die mit festsitzenden Apparaturen.
  • Festsitzende Zahnspange
    Bei schwerwiegenden Zahnfehlstellungen oder erwachsenen Patienten, setzen Kieferorthopäden auf festsitzende Zahnspangen. Sie verrichten ihre Arbeit mithilfe von Drahtbögen, Bändern und kleinen viereckigen Metall-Plättchen (Brackets), welche auf die Wangenseite der Zähne geklebt werden. Exakt kalkulierter Druck und Zug bewegt hierbei die Zähne auf den vorgesehenen Platz. Inzwischen stehen für diese Art der Korrektur neben den üblichen Brackets aus Metall auch ästhetisch ansprechendere Alternativen aus Keramik oder Kunststoff zur Verfügung.

    Speziell zertifizierte Kieferorthopäden bieten, besonders für erwachsene Patienten, zusätzlich die Lingualtechnik an. Dabei werden die Brackets an der Zungen- oder Gaumenseite der Zähne befestigt, so dass sie von außen nicht zu sehen sind. Allerdings stellen sie sowohl beim Sprechen, als auch beim Zähneputzen ein Hindernis dar. Zudem sind die einzelnen Behandlungsmaßnahmen schwieriger umzusetzen als bei einer herkömmlichen Zahnspange und erfordern einen größeren Zeitaufwand.

    Generell müssen Träger von Bracket-Spangen besonders stark auf ihre Mundhygiene achten und den Genuss von zu vielen Süßigkeiten vermeiden. Auch bei harten Nahrungsmitteln wie Nüssen oder Rohkost ist Vorsicht geboten, da sie die Brackets beschädigen oder absprengen können.

    Welche Art von Apparatur im Einzelfall die geeignete ist, hängt von vielen individuellen Faktoren ab. Dabei spielen nicht nur Ausprägung und Art der Zahnstellungs- und Kieferanomalie, sondern auch das Alter des künftigen Spangenträgers, die Reife seines Gebisses sowie der Wachstumsfortschritt eine Rolle. Bevor der Kieferorthopäde eine Entscheidung trifft, wird er jedoch auch die Kooperationsbereitschaft und die Mundhygienegepflogenheiten des Betroffenen überprüfen.
  • Durchsichtige Schienen
    Eine relativ neue Form der herausnehmbaren Zahnspangen sind durchsichtige Kunststoffschienen, sogenannte Aligner, die einfach über die Zähne gestülpt werden. Sie bieten den Vorteil, dass sie kaum auffallen und eine uneingeschränkte Mundhygiene erlauben. Falls erforderlich, können die Schienen auch in Kombination mit festsitzenden Spangen zum Einsatz kommen. Diese Aligner sind jedoch nicht mit den ebenfalls transparenten Knirschschienen zu verwechseln, die lediglich nachts getragen werden, um bei Knirschern die Zähne zu schonen, die aber keinen therapeutischen Effekt haben.

Besonderheiten der kieferorthopädischen Behandlung bei Zahnfehlstellungen im Erwachsenenalter

Mit den heute zur Verfügung stehenden Behandlungsmöglichkeiten, lassen sich selbst bei Erwachsenen Zahnstellungsfehler mit guten Aussichten auf einen bleibenden Erfolg korrigieren. Besonders zu beachten ist bei ihnen allerdings der Zustand des Zahnhalteapparates. Außerdem schränken das fehlende Knochenwachstum und die bei manchen Patienten bereits reduzierte Zahl der Zähne die Behandlungsmöglichkeiten ein.

Fehlstellungen der Kiefer können im Erwachsenenalter mit Spangen und Schienen hingegen meist nicht mehr zufriedenstellend behandelt werden. Sie lassen sich dann nur durch zusätzliche operative Maßnahmen beheben. Man spricht dann von einer kieferorthopädisch-kieferchirurgischen Kombinationsbehandlung. Diese sind häufig notwendig, da solche Anomalien nicht nur einen ungünstigen Einfluss auf die Harmonie der Gesichtsästhetik haben, sondern in vielen Fällen auch das Kau- und Sprechvermögen sowie die Atmung einschränken.

Literatur

  • Abruf vom 11.09.2015, Berufsverband der deutschen Kieferorthopäden
  • Knak: Praxisleitfaden Kieferorthopädie. Urban Fischer Verlag, 2004.
  • Sander, Schwänzer, Ehrenfeld: Kieferorthopädie. Georg Thieme Verlag , 211.
  • Harzer: Kieferorthopädie. Georg Thieme Verlag KG.
  • The piercing truth about tongue splitting and oral jewelry. Journal of the American Dental Association, 2012.

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