Eine junge Frau sitzt mit rheumatischen Beschwerden im Bett.
Rheuma

Rheuma verursacht stärkere Beschwerden bei Frauen

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Karoline Weik (Medical Writer, TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Ursula Marschall (Fachärztin für Anästhesie, Barmer)

Rheuma ist der Überbegriff für verschiedene Erkrankungen des Bewegungsapparates. Umgangssprachlich ist mit „Rheuma“ in der Regel die rheumatoide Arthritis gemeint, eine entzündliche Gelenkerkrankung. Sie kann in jedem Alter auftreten, unterschiedlich verlaufen und unterschiedlich starke Beschwerden verursachen. Daneben sind Arthrosen weit verbreitet, bei denen es sich um Verschleißerscheinungen der Gelenke handelt. Bei beiden Erkrankungen zeigt sich bei Frauen und Männern ein etwas anderes Krankheitsbild. Welche Rolle spielen die biologischen Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Rheumatoide Arthritis und Arthrosen betreffen Frauen häufiger als Männer

Knapp 1 von 100 Erwachsenen in Deutschland ist an rheumatoider Arthritis erkrankt. Das sind etwa 550.000 Menschen, was ungefähr der Einwohnerzahl von Hannover entspricht. Dabei erkranken Frauen etwa 3-mal so häufig wie Männer – und im Durchschnitt zehn Jahre früher. Neben dem weiblichen Geschlecht gibt es weitere Risikofaktoren für rheumatoide Arthritis wie bestimmte genetische Faktoren, höheres Alter, Rauchen und Übergewicht.

Arthrosen sind die häufigsten andauernden Gelenkerkrankungen. Es wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 5 Millionen Menschen Beschwerden durch Arthrosen haben. Ab einem Alter von 60 Jahren ist etwa die Hälfte der Frauen und ein Drittel der Männer von Arthrose betroffen. Besonders häufig treten die Beschwerden im Bereich der Hüft- und Kniegelenke auf. Das Risiko steigt mit dem Alter und ist besonders erhöht für Frauen und für Menschen, die rauchen.

Welche rheumatischen Erkrankungen gibt es?

Der Begriff „Rheuma“ umfasst alle Krankheiten der Gelenke, Gelenkkapseln, Sehnen, Knochen, Muskeln und des Bindegewebes, die nicht durch eine Verletzung oder einen Tumor entstehen. Diese unterschiedlichen rheumatischen Krankheitsbilder lassen sich in fünf Gruppen einteilen:

  1. Autoimmunbedingte entzündlich-rheumatische Erkrankungen wie die rheumatoide Arthritis
  2. Verschleißbedingte rheumatische Erkrankungen (Arthrosen)
  3. Stoffwechselstörungen, bei denen es zu rheumatischen Beschwerden kommt, wie Gicht
  4. Rheumatische Erkrankungen der Weichteile (Muskulatur und Sehnen) wie Fibromyalgie
  5. Anhaltende (chronische) Knochenerkrankungen wie Osteoporose

Rheuma wird häufig mit Arthrose in Verbindung gebracht und daher oft irrtümlich als „Alterskrankheit“ verstanden. Die zahlreichen rheumatischen Krankheitsbilder treten jedoch nicht nur im Alter auf. Autoimmunbedingte entzündliche Rheuma-Formen beginnen meist zwischen 50 und 70 Jahren. Sie können aber auch schon in einem jüngeren Alter auftreten – in Deutschland sind etwa 20.000 Kinder und Jugendliche betroffen. Zudem treten entzündliche Rheuma-Formen unterschiedlich häufig bei Frauen und Männern auf.

Rheumatoide Arthritis in Zahlen

Bei Frauen tritt rheumatoide Arthritis zehn Jahre früher auf als bei Männern. 

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Geschlechtsspezifische Unterschiede bei rheumatischen Erkrankungen

Rheumatische Erkrankungen unterscheiden sich bei Frauen und Männern in

  • ihrer Häufigkeit,
  • dem Krankheitsbild,
  • dem Verlauf,
  • dem Ansprechen auf Medikamente,
  • möglichen gesundheitlichen Folgen.

Dabei sind Frauen nicht nur häufiger als Männer von rheumatoider Arthritis und Arthrosen betroffen, sondern auch schwerer. Die Gendermedizin erforscht diese Unterschiede und ihre Ursachen.

Welche Rolle spielt das Immunsystem bei rheumatoider Arthritis?

Rheumatoide Arthritis ist eine sogenannte Autoimmunerkrankung – die Ursache ist also eine Überreaktion des Immunsystems. Insgesamt sind Frauen häufiger von Autoimmunerkrankungen betroffen als Männer – dazu zählen zum Beispiel Multiple Sklerose, Diabetes Typ 1 und Schilddrüsenerkrankungen.

Bei einer Autoimmunerkrankung liegt eine Fehlfunktion der Immunabwehr vor. Aufgrund überschießender Immunantworten greift der Körper eigenes Gewebe an und es kommt zu Entzündungen. Die Gendermedizin beschäftigt sich mit den genauen Ursachen, weshalb Frauen häufiger als Männer von Autoimmunerkrankungen betroffen sind.

Es sind Unterschiede in der angeborenen und der erworbenen Immunantwort zwischen Frauen und Männern bekannt, die sich im Laufe des Lebens ändern. Mit zunehmendem Alter lässt die Aktivität des Immunsystems nach. Das kann dazu führen, dass sich auch die Krankheitsaktivität im Alter reduziert. Außerdem berichten Betroffene zum Beispiel von einem Nachlassen oder Zunehmen der Beschwerden in der Pubertät oder den Wechseljahren. Neben der Genetik beeinflussen auch die Geschlechtshormone die Stärke der Immunantwort.

Geschlechtshormone beeinflussen die Immunabwehr

Evolutionär ist es sinnvoll, dass Frauen eine stärkere Immunabwehr haben – der biologische Schutz für eine Mutter und das ungeborene Kind. Im Alter zwischen 40 und 60 Jahren haben Frauen ein besonders hohes Risiko, eine rheumatoide Arthritis zu entwickeln. 

In dieser Zeit nehmen die weiblichen Geschlechtshormone ab. Die hormonellen Veränderungen während der Wechseljahre wirken sich auch auf die Immunabwehr aus: Es kann wahrscheinlich leichter zu Entzündungen kommen. Auch in den ersten Monaten nach einer Geburt ändern sich die Hormonspiegel stark, wodurch das Risiko in dieser Zeit ebenfalls erhöht ist.

Geschlechterunterschiede in der Genetik

Als weitere Ursache stehen die Geschlechtschromosomen im Verdacht: Frauen haben zwei X-Chromosomen, Männer ein X- und ein Y-Chromosom. Auf dem X-Chromosom befinden sich zahlreiche Erbinformationen (Gene), die eine Rolle für die Immunabwehr spielen – und die bei Frauen doppelt vorhanden sind. Deshalb gehen Fachleute davon aus, dass es bei Frauen schneller zu einer Überaktivierung der Immunantworten kommt.

Rheuma verursacht stärkere Beschwerden bei Frauen

Bei rheumatoider Arthritis ist die Gelenkinnenhaut entzündet, was zu geschwollenen, schmerzenden und steifen Gelenken führt. Zusätzlich kann es zu Beschwerden wie starker Erschöpfung (Fatigue), erhöhter Temperatur und Gewichtsverlust kommen. In Studien zeigte sich bei Frauen eine stärkere Krankheitsaktivität – die Beschwerden waren stärker und belastender. 

Zum Beispiel berichten Frauen von häufigeren und stärkeren Schmerzen. Bei betroffenen Frauen unter 45 Jahren ist auch das Risiko, aufgrund der Symptome nicht mehr arbeiten zu können, deutlich größer als bei gleichaltrigen Männern.

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Übergewicht und Rheuma

Übergewicht kann die Beschwerden durch die entzündeten Gelenke verstärken. Dieser Zusammenhang scheint bei Frauen besonders stark ausgeprägt zu sein: ein hoher Body-Mass-Index (BMI) hing in Studien mit einer stärkeren Krankheitsaktivität und stärkeren Beschwerden zusammen. Besonders deutlich zeigt sich dies bei starkem Übergewicht (Adipositas). Bei Männern war dieser Zusammenhang schwächer. Im Vergleich zeigte Untergewicht in Studien keinen Zusammenhang mit einer veränderten Krankheitsaktivität.

Fettgewebe ist hormonell aktiv und produziert verschiedene Botenstoffe. Die Fettzellen stellen vor allem Stoffe her, die entzündungsfördernd wirken. Diese Neigung zu Entzündungen ist einer der Gründe, weshalb Übergewicht ein Risikofaktor für verschiedene Erkrankungen ist.

Bei Übergewicht ist daher besonders für Frauen eine Gewichtsabnahme empfohlen – dadurch können sie die Krankheitsaktivität und die Beschwerden lindern sowie das Wohlbefinden steigern. Hilfreiche Informationen finden Sie im „Ratgeber Ernährung – Gesundes Essen entdecken“.

Unterschiedliches Ansprechen auf Medikamente

Die Wirkung von Medikamenten kann sich je nach Geschlecht unterscheiden. So sprechen Männer und Frauen unterschiedlich gut auf entzündungshemmende Medikamente an. Bestimmte Schmerzmedikamente – sogenannte nicht-steroidale Antirheumatika – sowie Glukokortikoide (Kortison-ähnliche Medikamente) scheinen bei Männern stärker zu wirken. Bei Frauen variiert die Wirkstärke mit den Hormonschwankungen während des Monatszyklus. Hormonelle Verhütungsmittel könnten die Wirkung beeinträchtigen und sollten daher stets mit der Rheumatologin oder dem Rheumatologen abgesprochen werden.

Bei stärkeren Beschwerden durch rheumatoide Arthritis kommen sogenannte Biologika infrage. Diese biotechnologisch hergestellten Medikamente greifen gezielt in die Immunantworten ein und hemmen die Entzündungen. Männer sprechen stärker auf eine Biologika-Behandlung an – bei ihnen verschwinden die Beschwerden häufiger und die Krankheitsaktivität kommt zum Erliegen (Remission). Durch die stärkere Hemmung der Immunabwehr sind Männer jedoch häufiger von Nebenwirkungen wie einer erhöhten Infektanfälligkeit betroffen.

Ungleichbehandlung von Frauen und Männern mit Rheuma – für eine individuelle Therapie

Vieles zu geschlechtersensibler Medizin bei rheumatischen Erkrankungen ist bekannt – vieles jedoch noch nicht. Daher setzt sich die Gendermedizin für eine stärkere Erforschung der Geschlechterunterschiede ein. Biologische Unterschiede zwischen den Geschlechtern beeinflussen die Gesundheit auf zahlreichen Wegen. Diese Unterschiede bei den Krankheitssymptomen, dem Verlauf und dem Ansprechen auf Medikamente zu kennen, ist die Voraussetzung für eine optimale Behandlung – damit jeder Mensch noch besser seine  passende Behandlung erhält.

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