Eine Laborantin schaut auf einen Bildschirm, neben ihr auf dem Tisch steht ein Mikroskop.
Zukunft des Gesundheitswesens

Innovative Medikamente und Therapien: Wie sie bezahlbar bleiben

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. dent. Petra Mülker (medizinwelten-services GmbH)

Die moderne Medizin rettet zunehmend mehr Leben. Krankheiten, die vor Kurzem noch als tödlich galten, lassen sich heute mit Aussicht auf gesunde oder zumindest beschwerdefreie Lebensjahre behandeln. Innovative Therapien basieren häufig auf zielgerichteten und individualisierten Ansätzen, wie etwa der erforderlichen unterschiedlichen Behandlung nach Geschlecht.

Doch die Entwicklung neuer Technologien und innovativer Therapien ist sehr kostspielig. Das konfrontiert uns und unser Gesundheitssystem mit Fragen: Stehen die notwendigen wirtschaftlichen Mittel zur Verfügung? Reichen die finanziellen Beiträge unserer Gesellschaft dafür aus? Wie lange und in welchem Umfang können wir uns medizinischen Fortschritt leisten? Die Diskussion zur medizinischen Versorgung unserer Zukunft ist in vollem Gang.

Innovative Medikamente: gezielt und wirtschaftlich sinnvoll einsetzen

Informierte und selbstverantwortliche Patienten wollen heute ihre Erkrankung zumindest in groben Zügen verstehen und einschätzen können. Für die Erkrankten selbst zählen verständlicherweise nicht die Kosten, sondern vor allem die individuellen Heilungsmöglichkeiten und -chancen oder ein möglichst beschwerdefreies Leben mit der Krankheit. Die Behandlungskosten, die für die Krankenkasse, die Gesellschaft oder den Staat anfallen, stehen bei ihnen nicht im Vordergrund.

Ein Hauptziel unserer Gesundheitsversorgung ist es, Krankheiten einzudämmen, aufzuhalten oder gar zu besiegen. Neue und teils kostspielige Behandlungen tragen wesentlich dazu bei, dass erkrankte Menschen in ihr normales Leben mit Alltag, Freizeit und Beruf zurückkehren können. Das ist, gesundheitsökonomisch gesehen, auch eine Investition in die Wirtschaft – und damit wiederum in unser Gesundheitssystem.

Eine Seniorin sitzt an einem Tisch mit vielen Medikament-Packungen. Sie hält und betrachtet verschiedene Medikamente.

Stimmige Behandlung erfordert einen ganzheitlichen Blick

Andererseits wirft die Anwendung kostspieliger Medikamente berechtigte Fragen nach der dann steigenden Ausgabenentwicklung bei Arzneimitteln auf. Wenn unsere Gesundheitsversorgung finanzierbar bleiben soll, können nicht alle Patienten zu jeder Zeit innovative Therapien erhalten.

Sie sollten daher bevorzugt dort eingesetzt werden, wo es keine Behandlungsalternativen mehr gibt. Nur so besteht die Chance, dass möglichst viele Betroffene Zugang zu einer adäquaten und notwendigen Therapie erhalten.

Für die Gesundheitsversorgung der Zukunft wird angestrebt, dass innovative Behandlungen auch dort eingesetzt werden können, wo sie aufgrund ihrer besseren Wirksamkeit und Verträglichkeit Mittel oder Therapien ersetzen können, die schon länger auf dem Markt sind. Darauf arbeitet unser Gesundheitssystem kontinuierlich hin.

Innovative Therapien und ihre Kosten

Die enormen Fortschritte der Medizin sollen möglichst allen Patienten optimalen Nutzen bringen – ihnen also idealerweise eine lange gesunde oder beschwerdefreie Lebenszeit schenken. Gleichzeitig müssen die Innovationen bezahlbar bleiben, damit die gesellschaftlichen Aufwendungen das System nicht gefährden.

Diese Abwägung zwischen hohen Behandlungskosten und einem großen potenziellen Nutzen für die zukünftige Gesundheitsversorgung zeigt sich beispielhaft bei der Präzisionsmedizin, auch personalisierte oder individualisierte Medizin genannt.

Bei diesem sehr erfolgreichen Ansatz werden Behandlungsstrategien eingesetzt, die von individuellen Merkmalen (sogenannten Biomarkern) der Patienten abhängen und zum Teil auch das jeweilige Geschlecht (männlich, weiblich, divers) berücksichtigen. So können Ärzte heute schon Patienten individualisiert und erfolgreich behandeln, wenn sie deren genetisches Profil, ihre Vorerkrankungen und wichtige Faktoren ihres Lebensstils kennen. Auch Nebenwirkungen von Arzneimitteln lassen sich damit maßgeblich reduzieren. Auf einzelne Personen ausgerichtete Therapiekonzepte werden heute schon bei der Behandlung von bestimmten Brustkrebsarten eingesetzt.

Darstellung einer Nervenzelle, auch Neuron genannt

Gentherapien: Auch bei neurologischen Erkrankungen zukunftsweisend

Bei der Entwicklung neuer Medikamente sind die sogenannten Gentherapien auf dem Vormarsch. Bei dieser innovativen Behandlungsform werden Gene oder Genabschnitte in den menschlichen Körper eingeschleust, um vererbte oder erworbene Erkrankungen zu behandeln.

So wird etwa bei bestimmten neurologischen Erkrankungen auf die Entwicklung von Gentherapeutika gesetzt. Derzeit werden Gentherapien vor allem in Form sogenannter Orphan Drugs (übersetzt Waisen-Medikamente) zur Behandlung äußerst selten auftretender Erkrankungen eingesetzt. Ein spektakuläres und intensiv diskutiertes Beispiel dafür ist das Gentherapeutikum Zolgensma zur Therapie der spinalen Muskelatrophie. Diese sehr seltene angeborene Muskelerkrankung mit neurologischer Ursache führt unbehandelt zum Tod. Das Medikament gilt als das teuerste Arzneimittel der Welt und kostet derzeit pro Patienten rund zwei Millionen Euro.

Gentherapien haben großes Potenzial. Ein Ziel für die Gesundheit der Zukunft ist es, diese Therapieform schrittweise als Behandlung neben anderen medizinischen Möglichkeiten zu nutzen. Damit könnte sie auch in frühen Krankheitsstadien oder sogar zur Prävention eingesetzt werden.

Immer häufiger geht es bei der Diskussion um kostspielige Medikamente aber nicht nur um die seltenen genetisch bedingten Erkrankungen. Auch innovative Möglichkeiten der Krebsbehandlung bieten neue Perspektiven. Ein Beispiel hierfür sind die sogenannten CAR-T-Zell-Therapien. Hierbei werden körpereigene Abwehrzellen (T-Zellen) gentechnisch mit einem neuen Rezeptor (Chimeric Antigen Receptor, abgekürzt CAR ausgestattet.

Die so veränderten T-Zellen können getarnte Krebszellen im Körper aufspüren und vernichten. Derzeit sind zwei CAR-T-Zell-Therapien arzneimittelrechtlich zugelassen. Sie dürfen bei bestimmten Formen von Blut- bzw. Lymphdrüsenkrebs eingesetzt werden, wenn Standardtherapien nicht mehr helfen. Diese hoch individualisierte Therapie zeigt vielversprechende Erfolge, kostet in Deutschland derzeit aber noch bis zu 320.000 Euro für einen Patienten.

Auch auf dem Gebiet der weit verbreiteten Volkskrankheiten (beispielsweise Hauterkrankungen wie Psoriasis, Neurodermitis oder metastasierende Melanome) entwickeln Forschende neue Therapien. Ein Beispiel für innovative und kostspielige Wirkstoffe in diesem Bereich sind die sogenannten Biologika. Sie werden aus lebenden menschlichen oder tierischen Zellen in gentechnischen Verfahren hergestellt und greifen gezielt in das Immunsystem ein.

Hohe Therapiekosten: Wie weit kann die Solidargemeinschaft mitgehen?

Je mehr Lebenszeit ein Mensch noch vor sich hat, desto eher scheinen Gesellschaften bereit zu sein, hohe Therapiekosten zu akzeptieren. Vor allem bei der Versorgung von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen findet eine innovative und hochwertige Behandlung hohe gesellschaftliche Akzeptanz, unabhängig davon, mit welchen Kosten diese verbunden ist.

Ein solidarisch finanziertes Gesundheitssystem kann teure Therapien oder Medikamente bis zu einem gewissen Umfang mittragen. Wenn aber immer neue kostspielige Medikamente entwickelt werden und für immer mehr Patienten zur Verfügung stehen sollen, stellt sich die Frage, wie lange und in welchem Umfang die Solidargemeinschaft diese Kosten stemmen kann. Die Bereitschaft dazu hängt nicht nur von den konkreten Kosten und vom Wert für die einzelnen Betroffenen ab. Sie ist auch daran gebunden, wie hoch das Potenzial dieser Innovationen ist, um die Gesundheitsversorgung der Zukunft voranzubringen.

Prävention als wesentlicher Faktor für Kostenbegrenzung

Die Prävention, also Vorbeugung, trägt als äußerst wichtige Säule dazu bei, unser Gesundheitssystem nachhaltig finanzierbar zu erhalten. Der Grundgedanke dabei ist, Krankheiten oder gesundheitliche Schädigungen zu vermeiden, das Risiko der Erkrankung zu verringern oder ihr Auftreten zu verzögern. Der volkswirtschaftliche Nutzen effektiver Prävention ist immens, wird aber oft zu wenig berücksichtigt.

Die sogenannte Primärprävention setzt bereits weit vor den Erkrankungen an. Beispiele sind „Volkskrankheiten“ wie Diabetes mellitus oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen, die mit einem gesunden Lebensstil vermieden oder zumindest verzögert werden können. Die Sekundärprävention zielt auf die Früherkennung von Krankheiten, um möglichst frühzeitig eine Behandlung einleiten zu können.

Die Barmer bietet eine Vielzahl an Präventionsprogrammen in verschiedenen Lebenswelten, aber auch im Bereich Individualprävention. Beispielsweise ermöglicht der Barmer Haut-Check eine kostenlose Hautkrebs-Früherkennung für unter 35-Jährige, also außerhalb des gesetzlichen Rahmens, bei dem das Haut-Screening ab 35 Jahren übernommen wird.

Unser Ziel: Die Versorgung mit innovativen Medikamenten und Therapien sichern

Wir als Barmer beschäftigen uns immer wieder neu mit der Frage, wie wir zum Wohl unserer Patienten optimal mit begrenzten Ressourcen umgehen. Denn nicht nur teure Medikamente haben Einfluss auf die finanziellen Möglichkeiten der gesetzlichen Krankenversicherung.

Auch die demografische Entwicklung in Deutschland mit der stetig älter werdenden Bevölkerung und die Sicherung stabiler Beiträge stellen die Versorgung vor anspruchsvolle Entscheidungen. Daher sind innovative Behandlungsoptionen nicht immer und überall möglich – und jeweils nur mit gründlicher Abwägung. Natürlich gibt es keine Alternative in Situationen oder bei Krankheiten, bei denen keine andere bekannte und zugelassene Therapie mehr greift.

Vor diesem Hintergrund muss daher auch bei pharmazeutischen Unternehmen, der Wissenschaft und der Gesetzgebung kritisch nachgefragt werden: Ist es in Zukunft ethisch vertretbar, derart hohe Preise für Medikamente oder Therapien zu verlangen?

Wir als Barmer unterstützen heute schon Therapien mit innovativen und kostspieligen Medikamenten, wenn sie indiziert sind. Unsere Leitgedanken sind das Patientenwohl sowie die qualitative und finanzielle Sicherung hochqualitativer Leistungen in unserem Gesundheitssystem – heute und vor allem in der Zukunft.

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Literatur und weiterführende Informationen

  • Augurzky, B. (2018): Auf dem Weg zu Alpha Centauri: Gesundheitsversorgung 2030. In: Repschläger, U., Schulte, C., Osterkamp, N. (Hrsg.): Gesundheitswesen aktuell 2016. S. 54–73.
  • Böcken, J., Braun, B., Meierjürgen, R. (Hrsg.): Gesundheitsmonitor 2016. Bürgerorientierung im Gesundheitswesen, Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung und der Barmer. Gütersloh.
  • Bundesministerium für Gesundheit (BMG) (Abruf 22.11.2021): Prävention
  • Grandt, Daniel, Schubert, Ingrid (2017), Arzneimittelreport 2017 – Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse, Band 3 (Abruf 14.10.2021): Barmer Arzneimittelreport 2017 – Band 3 (Schriftenreihe zur Gesundheitsanalyse)
  • Krämer, W. (2017): Gesundheit um jeden Preis? Oder: die Fortschrittsfalle der modernen Medizin. In: Repschläger, U., Schulte, C., Osterkamp, N. (Hrsg.): Gesundheitswesen aktuell 2015. S. 182–195.
  • Raspe, H., Stumpf, S. (2013): Kriterien und Verfahren zur Priorisierung medizinischer Leistungen. Ergebnisse und methodische Herausforderungen. In: Böcken, J., Braun, B., Repschläger, U. (Hrsg.): Gesundheitsmonitor 2013. Bürgerorientierung im Gesundheitswesen, Kooperationsprojekt der Bertelsmann Stiftung und der Barmer. Gütersloh. S. 186–210.
  • Repschläger, U., Schulte, C., Osterkamp, N. (2016): Macht der medizinische Fortschritt die Wiedereinführung des Risikopools erforderlich? In: Repschläger, U., Schulte, C., Osterkamp, N. (Hrsg.): Gesundheitswesen aktuell 2014. S. 90–109.
  • Vogler, S. (2017): Kostenintensive Krebsmedikamente – Preise im internationalen Vergleich. In: Grandt, D., Schubert, I. (2017): Arzneimittelreport 2017. Wuppertal. 252–267.

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