Ein großes Glas und ein Löffel mit Backpulver auf einem Holztisch
Ernährung

Natron als Gesundheitstrend: Welche Wirkung hat das weiße Pulver wirklich?

Lesedauer weniger als 7 Min

Redaktion:

Dr. rer. nat. Clara Neuhaus (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung:

Philipp Kirn (Arzt, Content Fleet GmbH)

Die Wirkung von Natron: Drei spannende Fakten

Die Chemie hinter Natron

Natron ist der umgangssprachliche Begriff für die chemische Verbindung Natriumhydrogencarbonat. Das weiße Pulver kennen die meisten Menschen als Triebmittel beim Backen von Kuchen.

Die Heilwirkung von Natron

Eine heilende Wirkung von Natron ist wissenschaftlich kaum belegt. Zwar kann Natron Sodbrennen kurzzeitig lindern, langfristig verstärkt es aber das unangenehme Aufstoßen.

Nebenwirkungen von Natron

Hohe Mengen an Natron können zu Erbrechen und Durchfall führen. Zudem kann Natron die Wirkung von Medikamenten beeinträchtigen und sollte daher nicht leichtfertig eingenommen werden.

Natron nutzen viele Menschen als bewährtes Backtriebmittel oder effektives Reinigungsmittel. Doch seit einiger Zeit tauchen in den sozialen Medien neue Anwendungsgebiete von Natron auf: Influencerinnen und Influencer preisen Natron als Wundermittel gegen die verschiedensten gesundheitlichen Beschwerden an. Aber was ist dran an diesen Versprechungen? Erfahren Sie, welche Wirkungen und Nebenwirkungen Natron im Körper tatsächlich hat.

Was ist Natron?

Natron ist die umgangssprachliche Bezeichnung für die chemische Verbindung Natriumhydrogencarbonat (NaHCO₃) – ein weißes Pulver, das fälschlicherweise manchmal auch als Natriumbicarbonat bezeichnet wird. Natriumhydrogencarbonat ist leicht basisch, kann also einen sauren pH-Wert etwas anheben.

Vielen Personen ist Natron vor allem als Backtriebmittel in der Küche bekannt. In Backrezepten taucht es häufig unter Namen wie Speisesoda, Backsoda oder Speisenatron auf. Bei Temperaturen über 65 Grad Celsius, also zum Beispiel während des Backens, beginnt Natron, sich zu zersetzen. Dabei entstehen Natriumcarbonat, Wasser sowie CO2, das dafür sorgt, dass Teige luftig aufgehen.

Welche Wirkung hat Natron?

In den sozialen Netzwerken wird Natron als wahres Wundermittel für die Gesundheit gefeiert. Es soll gegen Sodbrennen helfen, für strahlend weiße Zähne sorgen, das Hautbild verbessern und sogar Entzündungen entgegenwirken. Auch einige Sportlerinnen und Sportler schwören auf die positive Wirkung von Natron auf die Muskeln. Doch welche Heilwirkungen von Natron sind wissenschaftlich belegt?

Natron gegen Sodbrennen

Sodbrennen ist ein weitverbreitetes Leiden: 10 bis 20 Prozent der Menschen in westlichen Ländern sind davon betroffen. Dabei reizt aufsteigende Magensäure die Speiseröhre und sorgt für die typischen brennenden Schmerzen hinter dem Brustbein. 

Natron gilt seit Generationen als bewährtes Hausmittel gegen Sodbrennen. Die basischen Eigenschaften des Natriumhydrogencarbonats wirken der Magensäure entgegen und können so Linderung verschaffen. Für eine optimale gesundheitliche Wirkung soll ein Teelöffel Natron in einem großen Glas mit stillem Wasser aufgelöst und in kleinen Schlucken getrunken werden. Doch die scheinbar einfache Lösung birgt unerwartete Risiken: Bei der Zersetzung von Natron im Magen entsteht CO₂. Das Gas kann den Druck im Bauchraum erhöhen und so das Sodbrennen verstärken – genau das Gegenteil des gewünschten Effekts.

Zugelassene Arzneimittel wie Protonenpumpenhemmer sind zumeist wirksamer und verträglicher als Natron. Diese Medikamente wurden speziell entwickelt, um Sodbrennen zu behandeln, ohne die unerwünschten Nebeneffekte von Natron zu verursachen. Auch eine fettarme Ernährung sowie der Verzicht auf Nikotin, Alkohol und Kaffee können zu einer Verbesserung der Symptome beitragen.

Eine junge Frau isst ein belegtes Brot im Park.

Gegen Sodbrennen hilft es, mehrere kleine Mahlzeiten über den Tag verteilt zu essen. Natron ist zwar als Hausmittel gegen Sodbrennen bekannt, aber eher nicht zu empfehlen.

Gelegentliches Sodbrennen nach reichhaltigem Essen ist meist harmlos. Bei häufigem oder anhaltendem Sodbrennen sollten Sie jedoch unbedingt ärztlichen Rat einholen. Chronisches Sodbrennen kann auf eine ernste Erkrankung wie eine Refluxkrankheit hinweisen, die einer gezielten medizinischen Behandlung bedarf.

Entgiftende Wirkung von Natron

In den sozialen Medien wird Natron häufig als natürliches Entgiftungsmittel angepriesen. Und tatsächlich: Darin steckt ein Körnchen Wahrheit. Natriumhydrogencarbonat kann bestimmten Medikamenten entgegenwirken und wird daher in der Notfallmedizin gezielt bei Vergiftungen mit bestimmten Wirkstoffen eingesetzt.

Doch Vorsicht vor Missverständnissen: Diese medizinische Anwendung erfolgt ausschließlich bei tatsächlichen Vergiftungen unter strenger ärztlicher Kontrolle. Für den gesunden Körper ist eine zusätzliche „Entgiftung“ mit Natron nicht nur überflüssig, sondern potenziell schädlich. Unser Organismus verfügt über natürliche Reinigungssysteme – Leber und Nieren arbeiten rund um die Uhr daran, unerwünschte Stoffe auszuscheiden.

Natron gegen Entzündungen und Krebs

Natron wird auch nachgesagt, dass es eine entzündungshemmende Wirkung habe und Krebs entgegenwirken könne. Diese Behauptungen sind nicht völlig aus der Luft gegriffen, die Realität ist jedoch deutlich komplexer als oft dargestellt.

Eine Studie liefert erste Hinweise darauf, dass Natron antientzündliche Signalwege aktiviert. In einer weiteren Studie beobachteten Forschende, dass Natron den Stoffwechsel von Krebszellen beeinflussen könnte.

Diese Erkenntnisse lassen sich nicht ohne Weiteres auf den Menschen übertragen. Was im Labor oder bei Tieren funktioniert, wirkt nicht automatisch auch beim Menschen. Die bisher durchgeführten Studien sind nicht aussagekräftig genug, um daraus Behandlungsempfehlungen abzuleiten. 

Natron sollte daher keinesfalls als Wundermittel zur Behandlung von Entzündungen oder anderen Erkrankungen missverstanden werden. Besonders bei schwerwiegenden Krankheiten wie Krebs kann es sogar gefährlich sein, sich ausschließlich auf Hausmittel zu verlassen und dabei bewährte, medizinisch erprobte Behandlungsmethoden zu vernachlässigen.

Zähneputzen mit Natron

Vielleicht haben Sie auch schon einmal gelesen, dass Zähneputzen mit Natron oder Backpulver die Zähne weißer macht. Tatsächlich kann das Zähneputzen mit Natron die Zähne etwas aufhellen – aber dieser vermeintliche Vorteil hat einen hohen Preis. Natron wirkt auf den Zähnen wie ein feines Schleifpapier und trägt dabei unwiederbringlich Zahnschmelz ab. Dadurch werden die Zähne anfälliger für Schäden durch Bakterien.

Für gesunde und weiße Zähne ist regelmäßiges Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta und einer geeigneten Zahnbürste die beste Grundlage. Vergessen Sie dabei nicht die Zahnzwischenräume: Verwenden Sie täglich Zahnseide, denn dort sorgen Essensreste für hartnäckige Verfärbungen. Auch eine regelmäßige zahnärztliche Kontrolle und eine professionelle Zahnreinigung tragen zu gesunden und hellen Zähnen bei, ohne dabei den Zahnschmelz zu schädigen.

Frau putzt sich die Zähne

Lieber nicht mit Natron Zähne putzen, denn: Die Partikel können den Zahnschmelz abtragen.

Natron im Sport

Backpulver als Dopingmittel? Tatsächlich gibt es Studien, die eine Leistungssteigerung durch Natron oder Backpulver im Leistungssport untersuchen. „Natron puffert die Säureproduktion in den Muskeln bei großer Anstrengung ab und wirkt ausgleichend auf den pH-Wert“, erklärt Dr. Frank Hülsemann, der als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Biochemie an der Deutschen Sporthochschule in Köln (DSHS) zu Nahrungsergänzungsmitteln und Doping lehrt. Der Experte führt weiter aus: „Die Übersäuerung der Muskeln lässt sich so hinauszögern und man kann eine kleine Leistungssteigerung erreichen.“

Der Effekt ist jedoch begrenzt: Natron hilft nur bei sehr kurzen, kraftintensiven Belastungen wie zum Beispiel Sprints durch eine Verbesserung der muskulären Ausdauer. Bei längeren Ausdauerbelastungen verpufft die Wirkung. Als Dopingmittel zählt Natron nicht, da es vor allem dazu dient, den pH-Wert und damit ein körpereigenes System im Gleichgewicht zu halten.

Da es jedoch auch zu unangenehmen Nebenwirkungen kommen kann, empfehlen Fachleute Freizeitsportlerinnen und -sportlern, Natron nicht zu nutzen. Der geringe Nutzen steht in keinem Verhältnis zu den möglichen Problemen.

Welche Nebenwirkungen hat Natron?

Nur weil etwas aus der Hausapotheke stammt, ist es nicht automatisch harmlos. Auch Natron kann Nebenwirkungen verursachen und mit anderen Medikamenten wechselwirken. Ein kurzer Austausch mit Ihrer Ärztin oder Ihrem Arzt schützt Sie vor unliebsamen Überraschungen.

Zu viel Natron schadet dem Körper

Besonders hohe Mengen an Natron können unerwünschte Auswirkungen haben. „Aus unseren Laborversuchen und aus Berichten von Leistungssportlerinnen und -sportlern wissen wir, dass es ab einer Menge von etwa 20 bis 25 Gramm unangenehm wird“, erklärt Sportwissenschaftler Hülsemann. Zu den bekannten Nebenwirkungen von Natron zählen:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Krämpfe
  • Muskelschwäche

Gefährliche Wechselwirkung: Natron und Medikamente

Zusätzlich zu den unangenehmen körperlichen Auswirkungen kann Natron auch die Wirksamkeit von Medikamenten beeinflussen. Unter anderem bei diesen Arzneimitteln ist Vorsicht geboten:

  • Sympathomimetika (beeinflussen die Wirkung des Nervensystems)
  • Barbiturate (Beruhigungsmittel und Schlafmittel)
  • H2-Rezeptorenblocker (Magensäurehemmer)
  • Captopril (zur Behandlung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen)
  • Clorazepat (Beruhigungsmittel bei Angststörungen und Panikattacken)
  • Chinidin (gegen Herzrhythmusstörungen)
  • Glucocorticoide wie Kortison (wirken entzündungshemmend und immunsuppressiv)
  • Diuretika (entwässernde Medikamente)

Wichtiger Hinweis: Grundsätzlich sollten andere Medikamente mindestens ein bis zwei Stunden zeitversetzt zu Natron eingenommen werden, um das Risiko von Wechselwirkungen zu minimieren.

Doch keine Sorge: Weihnachtsplätzchen, Kuchen und anderes Gebäck mit Natron oder Backpulver können Sie auch während einer Medikamenteneinnahme unbesorgt genießen. Der Grund: Beim Backvorgang zersetzt sich das Natriumhydrogencarbonat durch die Hitze und verliert dadurch seine wirkstoffverändernden Eigenschaften.

Literatur und weiterführende Informationen

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