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Karpaltunnelsyndrom erkennen und behandeln

Lesedauer unter 9 Minuten

Redaktion

  • Ricky Heimberg (Content Creator (Medical), TAKEPART Media + Science GmbH)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Marina Müller-Bernhard (Humanmedizinerin)

Ein Karpaltunnelsyndrom kann zu kribbelnden, schmerzenden oder tauben Fingern und Händen führen. Die Ursache liegt in einem gequetschten Nerv. Lesen Sie hier, welche Beschwerden das Karpaltunnelsyndrom auslöst, welche Übungen es dagegen gibt und wann eine OP sinnvoll ist.

Auf einen Blick:

  • Symptome: Nächtliches Einschlafen der Hände ist häufig ein frühes Anzeichen des Karpaltunnelsyndroms. Es können Kribbeln und Taubheitsgefühle in Fingern und Händen auftreten. Schmerzen können in den ganzen Arm ausstrahlen.
  • Ursachen & Risikofaktoren: Ursache ist eine Gewebeschwellung im Karpaltunnel. Die Gründe hierfür sind vielfältig, häufig uneindeutig und individuell unterschiedlich. Über- oder Fehlbelastung der Handgelenke kann Beschwerden auslösen und verstärken. Risikofaktoren sind unter anderem Diabetes, hormonelle Schwankungen und Übergewicht.
  • Verlauf: Das Syndrom kann dauerhafte oder wiederkehrende leichte Beschwerden auslösen oder sich akut verschlechtern. Schwere und unbehandelte Verläufe können die Funktion der Hände dauerhaft einschränken.
  • Diagnose: Eine Diagnosesicherung ist meistens mit einer Befragung durch einen Arzt oder eine Ärztin und einer körperlichen Untersuchung in Kombination mit einer Messung der Nervenleitgeschwindigkeit möglich.
  • Therapie: Eine konservative Therapie umfasst Schonung, gegebenenfalls Kortisonspritzen und eine Handgelenksschiene. Bei schweren Symptomen und Verläufen ist eine Operation möglich.
  • Vorsorge & Früherkennung: Betroffene können bei frühzeitiger Beratung durch Maßnahmen zur Schonung versuchen, akute Verschlechterungen zu vermeiden.

Was ist ein Karpaltunnelsyndrom?

Das Karpaltunnelsyndrom kann entstehen, wenn der Mittelarmnerv in der Nähe des Handgelenks eingeklemmt wird. Die Beschwerden treten in den Händen auf, können dauerhaft anhalten oder nur zeitweise und wiederkehrend auftreten. Die Schmerzen können in die Arme ausstrahlen. Manche Betroffene haben dadurch tageweise das Gefühl, dass das Karpaltunnelsyndrom „plötzlich weg“ zu sein scheint.

Symptome: Wie macht sich ein Karpaltunnelsyndrom bemerkbar?

Eine frühe, sehr häufige Beschwerde ist das nächtliche Einschlafen der Hände, während Betroffene schlafen. Aber auch tagsüber können sich Symptome wie Kribbeln, Taubheitsgefühle und Schmerzen in Fingern und Teilen der Hände (Empfindungsstörungen) bemerkbar machen. In etwa acht von zehn Fällen sind beide Hände betroffen.

Meistens treten die Beschwerden vor allem im Bereich von Handballen, Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger auf. In schweren Fällen kann der Schmerz die ganze Hand und auch den Arm betreffen.

Schläft eine Hand ein, bedeutet das nicht automatisch, dass ein Karpaltunnelsyndrom vorliegt. Geschieht dies öfter oder hält lange an, kann es aber ein erstes Anzeichen sein.

Was ist der Karpaltunnel?

„Carpal“ heißt wörtlich übersetzt „auf das Handgelenk bezogen“. Der Karpaltunnel ist ein schmaler Kanal am Handgelenk, der von einem bindegewebs-artigen Band überspannt ist, dem sogenannten Karpalband. Durch ihn verlaufen Sehnen und Nerven, die von Gewebe umgeben sind und für die Bewegung und Steuerung der Hand sorgen.

Wie häufig ist das Karpaltunnelsyndrom?

Jährlich erkranken etwa zehn von 1.000 Menschen neu, Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Die meisten Betroffenen sind zwischen 40 und 60 Jahre alt, doch auch jüngere und ältere Menschen können am Karpaltunnelsyndrom erkranken. Kinder sind sehr selten betroffen. Körperlich arbeitende Menschen erkranken häufiger als Menschen, die körperlich weniger anspruchsvolle Berufe ausüben. Seit 2015 ist das Karpaltunnelsyndrom als Berufskrankheit anerkannt. 

Ursachen: Wieso verursacht ein Karpaltunnelsyndrom Beschwerden?

Die Ursache der Beschwerden liegt in einer Reizung des Mittelarmnervs, auch Nervus medianus genannt. Er führt am Unterarm entlang durch den Karpaltunnel in die Hand und verzweigt sich auf Höhe des Handballens in seine Endäste, die für das Gefühlsempfinden in Daumen, Zeige-, Mittel- und Ringfinger verantwortlich sind. Schwillt das Gewebe im Karpaltunnel an, verengt er sich, da das Karpalband den Durchgang begrenzt. Der erhöhte Druck kann den Mittelarmnerv reizen oder quetschen (Druckschädigung).

Woher kommt die Schwellung im Karpaltunnel?

Die Ursachen für die Schwellung des Gewebes sind häufig nicht eindeutig bestimmbar. Zu ihnen gehören:

  • das Sehnengleitgewebe schwillt an, beispielsweise wegen rheumatischer Erkrankungen oder während der Schwangerschaft 
  • Verletzungen und Knochenbrüche
  • Zysten und andere Veränderungen, die den Mittelarmnerven einklemmen können

Mögliche Einflüsse, die eine Schwellung begünstigen und Beschwerden verstärken können, sind:

  • eine starke Beugung des Handgelenks (Abknicken)
  • eine starke Streckung des Handgelenks
  • eine Überlastung oder Fehlbelastungen des Handgelenks im Allgemeinen, zum Beispiel durch sich wiederholende belastende Bewegungsabläufe 
  • eine Überlastung in Kombination mit Erschütterung oder Vibration, zum Beispiel durch die Arbeit mit einem Presslufthammer

In seltenen Fällen kann das Gewebe im Karpaltunnel auch infolge einer Infektion in der Hand anschwellen.

Mögliche Risikofaktoren: Was begünstigt ein Karpaltunnelsyndrom?

Die Risikofaktoren für ein Karpaltunnelsyndrom sind nicht eindeutig benennbar. Ärztinnen und Ärzte gehen aber davon aus, dass es Erkrankungen und Einflussfaktoren gibt, die die Schwellung von Körpergewebe und damit auch das Karpaltunnelsyndrom verursachen können:

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Welchen Verlauf hat ein Karpaltunnelsyndrom?

Wenn der Druck im Karpaltunnel auf den Mittelarmnerv gerichtet ist, nehmen Betroffene die Reizung des Nervs häufig zunächst als nächtliches Einschlafen der Hand wahr. Im weiteren Verlauf kann ein schmerzhaftes Kribbeln in Mittel- und Ringfinger dazukommen, eine sogenannte Missempfindung. Die Symptome können sich auf den Bereich von Daumen und Zeigefinger ausbreiten. Schmerzen können sogar bis in den Arm ausstrahlen.

Der Mittelarmnerv kann bei anhaltendem Druck im Karpaltunnel dauerhaft geschädigt werden. Bleibende Empfindungsstörungen, taube Finger und eine Einschränkung bei feinen Bewegungen der Finger (Ausfallerscheinungen) können dann zurückbleiben. Im späteren Verlauf können die Muskeln im Bereich des Daumens beziehungsweise Handballens schwinden – was zu Einschränkungen in der Beweglichkeit des Daumens und bei der Nutzung der Hand führen kann.

Der Krankheitsverlauf ist sehr unterschiedlich. Viele Betroffene haben über einen Zeitraum von mehreren Jahren nur geringe Beschwerden, die häufig zu- und wieder abnehmen. In den meisten Fällen sind sie aber wiederkehrend und verstärken sich im Laufe der Zeit, vor allem bei Überlastung der Handgelenke.

Diagnose: Wie stellen Ärztinnen und Ärzte ein Karpaltunnelsyndrom fest?

Die Diagnose des Karpaltunnelsyndroms ist durch eine Kombination von Untersuchungen möglich: Ärztinnen und Ärzte befragen die Betroffenen zunächst zu ihrer medizinischen Vorgeschichte (Anamnese) und den Beschwerden. Dann folgt eine körperliche Untersuchung der Hand und des Handgelenks. Im Fokus stehen Funktionalität und Empfindsamkeit, Ärztinnen und Ärzte wollen so mögliche Einschränkungen, Missempfindungen oder einen Muskelschwund erkennen.

Der Karpaltunnelsyndrom-Test ist eine Untersuchung, bei der der Mittelnerv gezielt gereizt wird (Elektroneurografie). Der Nerv leitet den gegebenen elektrischen Impuls weiter. Diese Nervenleitgeschwindigkeit messen Ärztinnen und Ärzte, um eine zuverlässige Einschätzung über den Funktionszustand des Nervs zu erhalten. Liegt eine Quetschung vor, ist die Geschwindigkeit reduziert. In der Regel treten durch die Untersuchung keine Komplikationen auf. Manche Menschen empfinden die kurzen Stromimpulse aber als unangenehm.

Die Kombination der Untersuchungsergebnisse kann den Ärztinnen und Ärzten Aufschluss darüber geben, ob ein Karpaltunnelsyndrom vorliegt und wie weit die Beeinträchtigung des Mittelnervs fortgeschritten ist.

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Andere Erkrankungen ausschließen: Karpaltunnelsyndrom und Halswirbelsäule?

Im Rahmen der Diagnose achten Ärztinnen und Ärzte auch darauf, mögliche andere Ursachen für die Beschwerden auszuschließen (Differenzialdiagnose). Eine Erkrankung der Halswirbelsäule wie ein Bandscheibenvorfall kann beispielsweise ähnliche Symptome wie ein Karpaltunnelsyndrom auslösen. Eine mögliche Erkrankung des Nervensystems bedenken Ärztinnen und Ärzte bei der Diagnose ebenfalls.

Eine Frau sitzt am Schreibtisch und umfasst schützend ihr Handgelenk.

Durch das Karpaltunnelsyndrom hervorgerufene Schmerzen in Händen und Armen können den Alltag von Betroffenen einschränken.

Therapie: Wie wird das Karpaltunnelsyndrom behandelt?

Die Beschwerden des Karpaltunnelsyndroms können konservativ (ohne Operation) und operativ behandelt werden. Das Ziel der Behandlung ist die Entlastung des Mittelnervs, da sich die Ursache der Schwellung meistens nicht beheben lässt. Je früher dies geschieht, desto wahrscheinlicher trägt der Mittelnerv keine bleibenden Schäden davon.

Konservative Therapie mit Schiene und Schonen

Die konservative Therapie kann besonders in einem frühen Stadium der Erkrankung sinnvoll sein. Sie zielt darauf ab, die Schwellung zu verringern und dann den Druck im Karpaltunnel so niedrig wie möglich zu halten, um vorliegende Schwellungen nicht zu verstärken.

Das nächtliche Tragen einer Schiene kann helfen, ein starkes Abknicken des Handgelenks zu vermeiden. Außerdem empfehlen Ärztinnen und Ärzte, wenn möglich Tätigkeiten zu vermeiden, die die Handgelenke belasten oder von denen die Betroffenen wissen, dass sie ihre Beschwerden verstärken.

Bei starken Beschwerden besteht die Möglichkeit, die Reizung durch eine Kortisonspritze zu lindern. Diese kann die Schwellung im Karpaltunnel vorübergehend verringern. Da sie aber nicht die Ursache für die Schwellung behebt, wirkt die Behandlung nicht dauerhaft. Mehrfache Injektionen empfehlen Ärztinnen und Ärzte in der Regel nicht, da sie immer auch das Risiko einer Nerven- oder Sehnenschädigung bergen.

Karpaltunnelsyndrom-OP

Bei der operativen Therapie (Dekompressions-Operation) durchtrennen Handchirurgen das Karpalband, das sich über den Karpaltunnel spannt. Dadurch erhalten Nerven und Sehnen mehr Platz im Karpaltunnel. Die Operation hilft, wenn die konservative Therapie die Beschwerden nicht mehr ausreichend lindert.

Die Operation kann offen im konventionellen Operationsverfahren erfolgen, also per Hautschnitt. Alternativ können Chirurgen sie minimalinvasiv per Endoskopie durchführen. Dabei machen sie nur zwei sehr kleine punktförmige Einschnitte.

Wann ist die OP eines Karpaltunnelsyndroms sinnvoll?

Die Operation eines Karpaltunnelsyndroms kann erfolgen, wenn die Beschwerden anhaltend und stark sind und eine dauerhafte Schädigung des Mittelnervs droht. Eine OP kann dazu führen, dass die Beschwerden dauerhaft verschwinden. Ob sie im Einzelfall sinnvoll ist, muss individuell entschieden werden. Sie sollte nicht in jedem Stadium des Karpaltunnelsyndroms durchgeführt werden.

Was kann ich selbst gegen das Karpaltunnelsyndrom tun?

Die Schwellungen im Karpaltunnel lassen sich nicht aktiv verhindern. Machen sich Symptome des Karpaltunnelsyndroms bemerkbar, kann eine bewusste Entlastung der betroffenen Hände aber zumindest einer übermäßigen Reizung vorbeugen oder eine Schwellung verzögern. Dazu gehört das Vermeiden von Bewegungen, die die Schwellung verstärken können, wie zum Beispiel:

  • unübliche Beanspruchungen, beispielsweise durch Handwerk und Gartenarbeit
  • langes Fahrrad- und Motorradfahren
  • Stricken und ähnliche Aktivitäten mit abgeknicktem Handgelenk

Akute Abhilfe bei bestehenden Beschwerden können spezielle Übungen für das Karpaltunnelsyndrom wie das Ausschütteln der Hände und das Öffnen und Schließen der Faust (Pumpen) leisten.

Wer an einem Karpaltunnelsyndrom erkrankt ist, kann sich durch eine frühzeitige ärztliche Beratung Tipps holen, wie sich eine Verschlechterung der Beschwerden bestmöglich vermeiden oder hinauszögern lässt.

Selbsttest: Kann ich selbst prüfen, ob sich das Karpaltunnelsyndrom verstärkt?

Zunehmende Beschwerden können Betroffene selbst beobachten. Wie stark der Mittelnerv bereits geschädigt ist, lässt sich aber ohne ärztliche Hilfe nicht einschätzen. Mögliche Hinweise auf eine fortschreitende Schädigung sind:

  • das Gefühl von häufigerem Kribbeln mit zusätzlichen unangenehmen Empfindungen, die sich wie elektrische Schläge anfühlen, bei Greifbewegungen der Hand
  • dauerhaftes Kribbeln in den Fingern oder Händen
  • Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) informiert, wann eine Operation des Karpaltunnelsyndroms sinnvoll oder notwendig ist.
  • Wie wird die Operation eines Karpaltunnelsyndroms durchgeführt? Die Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC) hat auf ihrer Website Videos für Patientinnen und Patienten bereitgestellt.
  • Mit dem Verdacht eines Karpaltunnelsyndroms zur Hausärztin oder zum Hausarzt? Informieren Sie sich, wie Sie Ihren Besuch in der Arztpraxis bestmöglich vorbereiten.

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