Eine junge Frau betrachtet ihre Reflektion in einem Fenster
Depression

Manisch-depressiv: Die zwei Seiten der bipolaren Störung

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Viktoria Vida (Psychologin, Master of Science)

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Susanne Zeigermann (Fachärztin für Psychosomatik und Psychotherapie)

Berichten Personen von einer niedergeschlagenen Stimmung und mangelndem Antrieb, liegt zunächst die Vermutung nahe: Dahinter könnte sich eine Depression verbergen. Doch auch andere psychische Erkrankungen können für die Symptome verantwortlich sein – wie zum Beispiel die bipolare Störung. Hier erleben Betroffene neben der Depression auch das andere Extrem der Gefühlswelt. Häufig unterbrochen von Phasen mit ausgeglichener Stimmung, schwanken sie zwischen zwei Polen: den depressiven und manischen Phasen, die von Fachleuten als Episoden bezeichnet werden.

Welche Symptome treten jeweils in der depressiven und manischen Phase auf? Was für Formen der bipolaren Störungen gibt es und wie lassen sie sich behandeln?

Was ist manisch-depressiv? 

Man geht davon aus, dass weltweit etwa zwei von 100 Menschen im Laufe ihres Lebens an einer bipolaren Störung erkranken. Die Mehrheit erlebt ihre erste Episode bis zum 25. Lebensjahr. 

Manische Depression, bipolare Depression oder manisch-depressiv: Es gibt verschiedene umgangssprachliche Bezeichnungen für die bipolare Störung. Gekennzeichnet ist die psychische Erkrankung von einem Wechsel aus depressiven sowie manischen oder hypomanischen Episoden. Als hypomanisch werden Phasen mit denselben Symptomen wie in den manischen Episoden bezeichnet, die aber schwächer ausgeprägt sind und von depressiven Schüben unterbrochen werden können. 

Doch was genau ist eine manische Episode? In dieser Phase ist die Stimmung außergewöhnlich gut und das Schlafbedürfnis häufig stark reduziert. Betroffene fühlen sich energiegeladen, sind kontaktfreudig bis zur Distanzlosigkeit und sehr entscheidungsfreudig, manchmal auch bei kostspieligen Anschaffungen, die über ihr Budget hinausgehen. 

Oftmals ist die Stimmung aber nicht nur gut, es können ebenso sehr gespannte und gereizte Zustände vorkommen, in denen die Aggressionsbereitschaft steigt. 

Dieser Zustand schwenkt mit der Zeit um und ist gefolgt von einer depressiven Phase. Viele Betroffene weisen dann nicht nur depressive Symptome auf, sondern schämen sich auch für das, was sie in der manischen Phase getan haben, oder bereuen es. 

Junge Frau sitzt auf einem Küchenschrank und lässt den Kopf hängen

Betroffene einer bipolaren Störung schämen sich häufig für Dinge, die sie während einer manischen Phase getan haben.

Die Wechsel zwischen manischen und depressiven Phasen bei Menschen mit bipolarer Störung machen sich häufig stark in ihrem Alltag bemerkbar und beeinflussen viele Bereiche des Lebens: die Partnerschaft, das Familienleben, die Freundschaften, den Beruf und die Freizeit. 

Aufgrund des komplexen Krankheitsbildes vergehen häufig Jahre, bis die Diagnose bipolare Störung erfolgt. Eine Herausforderung ist hierbei, zusätzlich zum akuten Zustand der betroffenen Person auch ihre bisherige Krankengeschichte zu analysieren. Insbesondere hypomanische Phasen bleiben oft unentdeckt, da sie von den Betroffenen oder ihrem Umfeld nicht als Symptome einer Krankheit eingestuft werden – sondern eher als erleichternde Pause depressiver Phasen.

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Welche manisch-depressiven Symptome gibt es?

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt: Bei einer bipolaren Störung wechselt oftmals die Stimmung, und der Antrieb der Betroffenen schwankt zwischen den Phasen der (Hypo-)Manie und der Depression. Dazwischen erleben sie häufig Phasen mit ausgeglichener Stimmung oder nur wenig Symptomen. Im klassischen Verlauf der bipolaren Störung wechseln sich Depression und Manie ab, jedoch kann auch erst nach mehreren depressiven Phasen eine (hypo-)manische Episode folgen. 

Typisch sind die folgenden Symptome:

Manie

Von einer Manie wird gesprochen, wenn mindestens eine Woche lang die Stimmung der betroffenen Person übermäßig gehoben oder auch gereizt ist. Sie ist dadurch in ihrer normalen Lebensführung beeinträchtigt, zudem treten bei einer Manie wenigstens drei dieser Symptome auf: 

  • gesteigerte Aktivität oder Ruhelosigkeit
  • Rededrang
  • Ideenflucht (rascher, zusammenhangloser Ablauf von Gedanken und Vorstellungen) oder Gedankenrasen
  • Verlust sozialer Hemmungen
  • vermindertes Schlafbedürfnis
  • Selbstüberschätzung, Größenwahn
  • Aufmerksamkeits- und Konzentrationsprobleme
  • ständiger Wechsel von Aktivitäten
  • tollkühnes oder rücksichtsloses Verhalten
  • gesteigerte Libido 

Hypomanie

Die Hypomanie ist eine deutlich abgeschwächte Form der Manie mit ähnlichen Symptomen, die aber weniger stark ausgeprägt sind. Anders als bei der Manie beeinträchtigen sie die normale Lebensführung dadurch üblicherweise nicht. Die Hypomanie kennzeichnet sich durch eine gehobene oder gereizte Stimmung, die über vier Tage hinaus anhält, und zusätzlich mindestens drei der folgenden Symptome:

  • gesteigerte Aktivität oder Ruhelosigkeit
  • gesteigerte Gesprächigkeit
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • vermindertes Schlafbedürfnis
  • gesteigerte Libido
  • leichtsinniges oder verantwortungsloses Verhalten
  • gesteigerte Geselligkeit

Depression

Die Kriterien für eine Depression sind erfüllt, wenn über einen Zeitraum von zwei Wochen bestimmte Hauptsymptome und Zusatzsymptome auftreten.

Hauptsymptome (mindestens zwei):

  • deutlich gedrückte Stimmung
  • Interesselosigkeit
  • Antriebslosigkeit

Zusatzsymptome (mindestens eins):

  • Verlust des Selbstvertrauens oder des Selbstwertgefühls 
  • unbegründete Selbstvorwürfe oder ausgeprägte, unangemessene 
    Schuldgefühle 
  • wiederkehrende Gedanken an den Tod, an Suizid oder suizidales 
    Verhalten 
  • vermindertes Denk- oder Konzentrationsvermögen, Unschlüssigkeit oder Unentschlossenheit 
  • psychomotorische Agitiertheit oder Hemmung (zum Beispiel starke innere und äußere Unruhe oder Verlangsamung)
  • Schlafstörungen
  • Appetitverlust oder gesteigerter Appetit entsprechend mit Gewichtsverlust beziehungsweise Gewichtszunahme.

Hilfe in Notfällen

In akuten Notfällen beispielsweise bei drängenden und konkreten Suizidgedanken wenden Sie sich an die nächste psychiatrische Klinik oder wählen Sie den Notruf unter der Telefonnummer 112

Welche Formen der bipolaren Störung gibt es?

Bipolare Störungen sind eine Gruppe von komplexen Erkrankungen, die grundlegend in die Bipolar-I-Störung und die Bipolar-II-Störung unterteilt werden. Der entscheidende Unterschied zwischen den beiden Störungen liegt in der Stärke der manischen Symptome. Erleben die Betroffenen in der manischen Phase Symptome, die alle Kriterien einer Manie erfüllen, sprechen Fachleute von einer Bipolar-I-Störung. Treten die manischen Symptome in abgeschwächter Form auf (Hypomanie), wird die Erkrankung als Bipolar-II-Störung bezeichnet. Darüber hinaus gibt es noch einige Sonder- oder Mischformen, die ebenfalls der Gruppe der bipolaren Störungen untergeordnet werden.

Gleichzeitig manisch und depressiv: Die Mischform der bipolaren Störung

Im selben Moment voller Ideen und antriebslos sein? Motiviert und hoffnungslos? Diese scheinbar widersprüchliche Kombination aus depressiven und (hypo-)manischen Symptomen kann in der Mischform, einer schweren Form der bipolaren Störung, vorliegen. Das Zusammenspiel von gesteigertem Antrieb und depressiven Symptomen kann dann vermehrte Suizidgedanken und -handlungen zur Folge haben. Bei dieser Form der bipolaren Störung sind deshalb eine frühe Diagnose und professionelle Behandlung besonders wichtig. 

Die Mischform der bipolaren Störung kann auch bei Angehörigen starke Gefühle der Überforderung und Hilflosigkeit auslösen. Die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V. bietet persönliche Beratungsgespräche und Workshops für Angehörige an, die zu einem guten Umgang mit den intensiven Stimmungsschwankungen der Betroffenen verhelfen sollen.

Wie schnell wechseln sich manische und depressive Symptome ab?

Die bipolare Störung besitzt kein einheitliches Krankheitsbild. Wie lange die Phasen dauern und wie häufig sie wechseln, ist individuell stark unterschiedlich. Treten innerhalb von einem Jahr vier oder mehr Phasen der Manie, Hypomanie oder Depression im Wechsel auf, wird von Rapid Cycling gesprochen. Diese Form der bipolaren Störung betrifft bis zu 20 Prozent der Erkrankten, vor allem Frauen. In manchen Fällen kann es sogar zu Phasenwechseln innerhalb von Tagen oder Stunden kommen. Dies wird als Ultra-Rapid Cycling bezeichnet.

Bei einer bipolaren Störung wechseln sich Phasen mit manischen und mit depressiven Symptomen ab.

Bei einer bipolaren Störung wechseln sich Phasen mit manischen und mit depressiven Symptomen ab.

Manische oder depressive Symptome: Wie beginnt eine bipolare Störung? 

Wie lässt sich eine bipolare Störung sicher diagnostizieren, wenn es so viele Gemeinsamkeiten zur unipolaren Depression gibt – also zu einer depressiven Verstimmung ohne den Wechsel mit manischen Phasen? 

Die Wissenschaft geht davon aus, dass 50 Prozent der bipolaren Störungen mit einer manischen Phase beginnen. In diesen Fällen ist es möglich, gleich zu Beginn der Erkrankung die richtige Diagnose zu stellen. Beginnt die bipolare Störung jedoch mit einer depressiven Phase, lässt sie sich nicht ohne Weiteres von einer unipolaren Depression abgrenzen. Einige sogenannte atypische depressive Symptome können aber darauf hinweisen, dass sich hinter der depressiven Symptomatik eine manisch-depressive Störung verbirgt. Diese Symptome sind jedoch nur ein erster Anhaltspunkt und ersetzen die detaillierte Anamnese nicht. 

Zu den atypischen depressiven Symptomen zählen unter anderem:

  • vermehrter Appetit statt Appetitlosigkeit
  • verstärkte Emotionalität
  • hohe zwischenmenschliche Empfindsamkeit
  • abrupter Beginn statt langsame Entwicklung der depressiven Symptomatik

Wie wird eine bipolare Störung behandelt?

Verschiedene Behandlungsmöglichkeiten können zur Linderung der manisch-depressiven Symptomatik eingesetzt werden und die Lebensqualität verbessern. Viele Betroffene benötigen lebenslang professionelle Unterstützung, in den meisten Fällen werden psychotherapeutische und medikamentöse Behandlungen kombiniert. Die Ziele der Therapie unterscheiden sich je nachdem, ob eine akute Episode vorliegt, die betroffene Person bereits eine erste Verbesserung der Symptome erfahren hat oder die Stimmungslage wieder normal ist.

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Erste Schritte bei Verdacht auf eine bipolare Störung

Vermuten Sie bei sich selbst eine bipolare Störung? Dann zögern Sie nicht, einen Termin bei Ihrer Hausärztin oder Ihrem Hausarzt zu vereinbaren, in dem Sie von Ihrer aktuellen Situation und auch Ihrer bisherigen Krankengeschichte berichten. Ebenfalls relevant für die Anamnese ist, ob in der Familie bereits weitere Fälle von bipolaren Störungen aufgetreten sind. 

Ein Termin in einer psychiatrischen Praxis kann ebenso dazu beitragen, mehr Klarheit über eine mögliche bipolare Störung zu gewinnen. Bei Verdacht auf eine Erkrankung folgen verschiedene neurologische oder psychiatrische Abklärungsmaßnahmen, die neben umfangreichen Gesprächen auch körperliche Untersuchungen beinhalten können. 

Generell gilt: Je früher die Diagnose gestellt wird und je weniger Episoden bisher erlebt wurden, desto eher spricht die Therapie an, um einen chronischen Verlauf der bipolaren Störung zu verhindern. 

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Zur Arztsuche

Ergänzend zu professioneller Unterstützung kann die Teilnahme an Selbsthilfegruppen zur Entlastung sowohl der Betroffenen als auch Angehörigen beitragen. Anlaufstellen finden Sie auf der Webseite der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen (NAKOS).

Mehr Informationen und Beratungsangebote zu bipolaren Störungen bietet die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen e. V.

Literatur und weiterführende Informationen

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