Eine Frau läuft durch den Wald
Nachhaltigkeit

Hitze und Klimaschutz: Warum unser Gesundheitssystem jetzt handeln muss

Lesedauer weniger als 5 Min

Redaktion:

Dirk Weller (Internetredaktion der BARMER)

Qualitätssicherung:

Falk Wellmann

Neue Barmer-Studie zeigt: Deutsche spüren Klimawandel im Alltag – doch Gesundheitseinrichtungen hinken beim Schutz hinterher.

Männlicher Patient sitzt zufrieden in seinem Krankenhausbett

Hitze belastet den Klinikalltag – jetzt ist Zeit zu handeln.

Stellen Sie sich vor, Sie besuchen an einem heißen Sommertag einen Angehörigen im Krankenhaus oder Pflegeheim – und die Räume sind überhitzt und stickig, Kühlung und Belüftung reichen nicht aus, und das gestresste Personal kämpft sichtbar mit der Hitze. Für 58 Prozent der Menschen in Deutschland ist das keine bloße Vorstellung, sondern Realität. Das zeigt unsere neue Studie "Klimaneutraler Gesundheitssektor 2025" von Barmer und F.A.Z. Institut.

Die gute Nachricht: Wir alle können Teil der Lösung werden. Die nicht ganz so gute: Es ist höchste Zeit zu handeln.

Die doppelte Herausforderung: Klimaschutz und Hitzeschutz gehen Hand in Hand

Das deutsche Gesundheitswesen steckt in einem Dilemma, das uns alle betrifft. Einerseits verursacht es sechs Prozent unserer Treibhausgasemissionen – mehr als der gesamte Flugverkehr. Andererseits leidet es schon heute unter den Folgen des Klimawandels: 40 Prozent unserer Gesundheitseinrichtungen spüren die Auswirkungen von Hitze und Hitzewellen am eigenen Leib.

„Es fehlt nicht an Lösungen, sondern an deren Umsetzung", bringt es Kerstin Blum von unserem Kooperationspartner Stiftung Gesunde Erde – Gesunde Menschen auf den Punkt. Die Expertin für nachhaltige Gesundheitspolitik beobachtet den Zusammenhang klar: Klimaschutz und Hitzeschutz sind zwei Seiten derselben Medaille.

Denn während sich etliche Praxen und Kliniken über Klimaanlagen und Sonnenschutz Gedanken machen, zeigt der Barmer Klimaschutzindex 2025 eine ernüchternde Realität: Eine ganzheitliche Transformation zur Klimaneutralität im Gesundheitswesen stagniert. Nur sechs Prozent der befragten Organisationen und Gesundheits-Profis halten eine klimaneutrale Gesundheitsbranche bis 2030, wie vom Deutschen Ärztetag gefordert, noch für realistisch.

Was die Studie enthüllt – und warum das Grund zur Hoffnung gibt

Bei der großangelegten Befragung von 415 Gesundheitsexpertinnen und -experten und 1.001 Bürgerinnen und Bürgern kamen viele überraschende Erkenntnisse ans Licht. Die schlechte Nachricht zuerst: Nur jede dritte Gesundheitseinrichtung in Deutschland fühlt sich ausreichend auf extreme Hitze vorbereitet. Besonders dramatisch ist die Lage in deutschen Kliniken – dort sehen sogar 69 Prozent ihre Arbeitsabläufe durch Hitze gestört.

Eine junge Frau hält eine offene Flasche Wasser in der Hand.

Viele Menschen handeln schon heute vernünftig und schützen sich bei Hitze mit ausreichend Trinken.

Aber hier kommt die ermutigende Wendung: Viele Menschen in Deutschland handeln bereits verantwortungsvoll. Drei von vier Personen nehmen Hitzewarnungen ernst und passen ihr Verhalten auf sinnvolle Weise an. 69 Prozent verdunkeln bei Hitze ihre Wohnung und trinken mehr. Die Botschaft ist angekommen – jetzt muss unser System nachziehen.

"Der beste Hitzeschutz ist nicht nur ein Sonnensegel, sondern echte Klimaneutralität", erklärt Kerstin Blum den entscheidenden Punkt. Nur wer die Ursachen erfolgreich angeht, schützt langfristig die Gesundheit.

Und tatsächlich: Immerhin arbeitet derzeit bereits die Hälfte aller Gesundheitsorganisationen an ihrer Klimaneutralität. Von nachhaltiger Mobilität über Recyclingprogramme bis hin zu erneuerbaren Energien – die Bausteine für die benötigte Transformation sind da. Sie müssen nur zusammengesetzt werden.

Warum Ihre Gesundheit vom Klimaschutz profitiert

Vielleicht fragen Sie sich: Was hat das alles mit mir zu tun? Die Antwort ist einfacher, als Sie denken. Jedes eingesparte Prozent CO₂ im Gesundheitswesen bedeutet weniger Hitzetage in der Zukunft. Jede klimafreundlich klimatisierte Arztpraxis macht Ihren nächsten Termin erträglicher. Jede nachhaltige Entscheidung einer Klinik schützt nicht nur die Umwelt, sondern auch die Gesundheit vieler Menschen, die dort arbeiten und behandelt werden.

Die Studie zeigt auch: 75 Prozent der Deutschen spüren bereits eine Zunahme heißer Tage in den vergangenen Jahren. Besonders Menschen in Städten leiden – hier nehmen sogar 80 Prozent häufigere Hitzewellen wahr. Das ist keine dunkle Zukunftsmusik, sondern ihr Alltag heute.

Gleichzeitig offenbaren sich große Wissenslücken: Nur fünf Prozent der Menschen lassen ihre Medikation bei Hitze überprüfen und gegebenenfalls anpassen, obwohl hohe Temperaturen die Wirkung vieler Arzneimittel verändern können. Das Gesundheitswesen könnte hier wichtige Aufklärung leisten: Nur 15 bis 23 Prozent der Einrichtungen informieren ihre Patienten über hitzebedingte Risiken und Anpassungsbedarfe bei Medikamenten.

Werden Sie Teil der Lösung: Kleine Schritte, große Wirkung

Die gute Nachricht: Sie müssen nicht auf große Reformen warten, um wichtiges zu bewegen. Hier sind fünf konkrete Wege, wie Sie heute schon zum nachhaltigeren und hitzeresilienten Gesundheitswesen der Zukunft beitragen können:

  1. Nutzen Sie digitale Gesundheitsdienste: Telemedizin spart nicht nur Zeit, sondern auch CO₂-Emissionen durch weniger Fahrten. Die Barmer bietet bereits viele digitale Services – nutzen Sie die BARMER Teledoktor-App.
  2. Wählen Sie bewusst: Achten Sie auf Gesundheitsanbieter, die auf Nachhaltigkeit setzen. Fragen Sie bei Ihrem nächsten Arztbesuch nach Klimaschutzmaßnahmen der Praxis.
  3. Sprechen Sie über den Zusammenhang: Erzählen Sie Freunden und Familie von der Verbindung zwischen Klimaschutz und Gesundheit. 62 Prozent informieren sich über Fernsehen und Radio über Hitze – aber persönliche Gespräche wirken oft stärker.
  4. Setzen Sie auf Prävention: Jede vermiedene Krankheit entlastet nicht nur Sie, sondern auch das Gesundheitssystem und dessen CO₂-Bilanz.
  5. Fordern Sie hitzeresiliente Infrastruktur: 51 Prozent der Deutschen wünschen sich kommunale Hitzeschutzmaßnahmen wie kühle öffentliche Räume. Fragen Sie vor Ort nach, werden Sie aktiv in Ihrer Gemeinde.

Ein Gesundheitswesen für die Zukunft – mit uns allen

Die Herausforderung ist real: Fast drei Viertel der Gesundheitsexperten erwarten in den nächsten fünf Jahren eine weiter steigende Hitzebelastung. Gleichzeitig stagnieren  Klimaschutz und Hitzeschutz. Doch die Studie zeigt zugleich: Das Bewusstsein für planetare Gesundheit wächst. Die lebenswichtige Verbindung zwischen einer gesunden Erde und gesunden Menschen wird immer klarer.

Was wir jetzt brauchen, ist nicht Pessimismus, sondern Tatkraft. Jede Klimaanlage, die intelligent gesteuert wird. Jeder Hitzeaktionsplan, der erstellt wird. Jede nachhaltige Entscheidung in einer Gesundheitseinrichtung. Und ja: Jede bewusste Wahl, die Sie als Patientin oder Patient treffen.

Das Gesundheitswesen der Zukunft wird nachhaltig und hitzeresilient sein – weil es muss, aber vor allem, weil wir es gemeinsam möglich machen. Die Transformation beginnt nicht irgendwann, sie beginnt heute. Und sie beginnt mit jedem von uns.

Die vollständige Studie „Klimaneutraler Gesundheitssektor 2025" können Sie kostenlos als PDF-Datei herunterladen. Denn Wissen ist der erste Schritt zur Veränderung – und zur Gesundheit unseres Planeten und von uns allen.

Was Einrichtungen und Kommunen jetzt tun können

  • Hitzeaktionsplan erstellen und verproben: Verantwortliche benennen, Warnketten etablieren, Kühlzonen schaffen, Abläufe anpassen.
  • Gebäude & Technik fit machen: Verschattung, Lüftung/Kühlung prüfen, energetisch sanieren, Grün- und Wasserflächen nutzen.
  • Team schulen, Patients first: Hitzesignale erkennen, Risikogruppen begleiten, aktiv zu Trinkmenge/Medikation beraten.
  • Kommunal denken: Öffentliche Trinkbrunnen, Cooling Spaces, Entsiegelung, Bäume – sichtbar, niedrigschwellig, wirksam. 
     

In eigener Sache

Mit der jährlichen Studienreihe „Klimaneutraler Gesundheitssektor“ schafft die Barmer gemeinsam mit dem F.A.Z.-Institut Transparenz über Fortschritte und Lücken – und liefert Ansatzpunkte für Praxis, Politik und Bevölkerung. Die 2025er Ausgabe (barrierefreies PDF) bündelt Daten, Einordnungen und ein Interview mit Kerstin Blum – lesenswert für alle, die Gesundheit & Klima zusammenbringen wollen. 

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