Eine Familie Schmückt ihren Weihnachtsbaum
Weihnachten

Weihnachtsstress: So vermeiden Sie Stress und Streit an den Feiertagen

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Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Die Weihnachtszeit ist nicht für alle ein Grund zur Freude. All die Erledigungen und Alltagsaufgaben, der Termindruck bei der Arbeit, dann oft auch noch Reisevorbereitungen, wenn bei Oma und Opa gefeiert wird. Die Kinder haben hohe Erwartungen an das Fest, die allzuoft nicht erfüllt werden. Und dann sieht man auch noch manche Verwandten wieder, die man das Jahr über nicht so sehr vermisst hat. Die heilige Nacht ist also oft gar nicht so still und heilig, sondern voller Streit. In vielen Familien kommt es an Weihnachten zu Stress und Konflikten – doch das muss nicht sein. Welche Tipps und Tricks gegen Weihnachtsstress helfen, erzählt die systemische Familientherapeutin Anke Lingnau Carduck.

Frau Lingnau Carduck, gibt es an Weihnachten wirklich so viel Stress und Streit, wie man denkt?

Anke Lingnau Carduck: Ja, das ist kein Mythos und dafür gibt es auch gute Gründe. Die Weihnachtszeit ist für uns eine wichtige Zeit und dementsprechend aufgeladen mit Wünschen und Erwartungen. Viele Menschen haben sehr schöne Erinnerungen an Weihnachten, die meist aus der Kindheit stammen: harmonische Zusammenkünfte, große Augen, gemütliche Atmosphäre, tolle Geschenke, schöne Rituale. Sie haben deswegen den Wunsch, dass sich das wiederholt und Weihnachten eine schöne Zeit wird, die alle genießen können. Viele Familien haben deshalb den Anspruch, es allen recht zu machen und jeden, der zum Fest kommt, zufriedenzustellen. Das ist aber eine Aufgabe, die kaum zu schaffen ist.

Warum ist das so schwierig?

Anke Lingnau Carduck: Weil alle Menschen, die da zusammenkommen, unterschiedliche Erwartungen an Weihnachten haben. Das geht schon bei den Generationen los: Manche Jugendlichen haben gar keinen Bock auf die Feier, weil ihnen bei Oma langweilig ist. Die Älteren wiederum wollen mit der Bescherung am liebsten bis nach Kirchenbesuch und Abendessen warten. Das wiederum ist für die Kinder nicht schön.

Was hilft da?

Anke Lingnau Carduck: Darüber sprechen, welche Rituale wem besonders wichtig sind. Geht es um ein schönes Festmahl? Ist es die Bescherung oder der Gang in die Kirche? Oder vielleicht, dass alle gemeinsam singen, musizieren oder spazieren gehen? Wenn man weiß, wem was davon viel bedeutet, kann man versuchen, alles in die beste Reihenfolge zu bringen. Das kann bedeuten, dass man die klassische Reihenfolge auch mal ändert.

Wie viel Rücksicht muss man dabei auf Kinder und Jugendliche nehmen?

Anke Lingnau Carduck: Wenn man Weihnachten mit Kindern und Jugendlichen ohne Stress verbringen möchte, sollte man sie bei der Planung beteiligen. Ihre Bedürfnisse sollten genauso ernst genommen werden wie die der Erwachsenen. Keiner kann von einem Kind erwarten, vier Stunden lang ruhig am Tisch zu sitzen, während die Erwachsenen über Politik reden und unter dem Weihnachtsbaum Geschenke warten. Ein Kompromiss könnte sein, sich dann zu unterhalten, wenn die Kinder im Bett sind und erstmal gemeinsam ein Brettspiel zu spielen oder zusammen rauszugehen. Dann bekommt auch der Bewegungsdrang der Kinder seinen Platz. Und auch einem Jugendlichen sollte man zugestehen, dass er sich mal zurückziehen will oder eben nicht bei allem dabei ist.

Was löst Stress eigentlich aus, welchen Einfluss hat er auf unsere Gesundheit? Und wie kann man seine Stresslevels möglichst niedrig halten? Diese und weitere Fragen klären wir im Themen-Special Stress.

Und wann ist der beste Zeitpunkt für die Planung?

Anke Lingnau Carduck: Am besten setzt man sich in der Adventszeit schon mal hin und schreibt auf: Was ist der Oma besonders wichtig, was dem Zehnjährigen, was möchte die Teenagerin und welche Erwartungen hat man selbst? Man kann die einzelnen Punkte noch priorisieren. Dadurch steigt die Bereitschaft aller, einen Kompromiss einzugehen: ‚Mir wäre es zwar egal, aber bei Oma steht die Kirche auf Platz 1 und dann machen wir das ihr zuliebe.'

Und das klappt?

Anke Lingnau Carduck: Ja. Menschen geben generell gerne, wenn sie wissen, dass jemand anderem eine Sache besonders am Herzen liegt.

Aber beim Essen hört der Spaß auf. Wie finde ich einen Kompromiss, wenn einer auf die Gans besteht, die nächste schon immer Kartoffelsalat mit Würstchen gegessen hat und ein dritter Veganer geworden ist?

Anke Lingnau Carduck: Das ist ein großes Thema. Das Essen polarisiert in vielen Familien. Der Klimawandel führt besonders bei der jüngeren Generation dazu, dass sich viele bemühen vegetarisch zu essen, vielleicht sogar vegan. Auch da muss man abfragen, wem welches Essen besonders wichtig ist. Ich kenne viele Familien, in denen es einfach mehrere Gerichte gibt. Da stehen Knödel und Rotkohl auf dem Tisch und dazu gibt es dann Gans und veganen Braten. Weil das aber zu viel Arbeit für einen allein ist, kochen mehrere zusammen. Das kann Spaß machen und vielleicht entsteht eine neue Tradition daraus.

Der Festschmaus soll nicht nur harmonisch, sondern auch noch gesund und ausgewogen sein? Wir haben Tipps für das gesunde Weihnachtsessen für Sie zusammengestellt.

Sollten Streitthemen, zum Beispiel ob man noch fliegen und SUV fahren darf, von vornherein ausgeklammert werden?

Anke Lingnau Carduck: Das kommt darauf an: Diskutieren wir gerne und schaffen es trotzdem, friedlich auseinanderzugehen? Oder ist nach einer hitzigen Diskussion monatelang die Stimmung schlecht? Hier darf jeder selbst sagen, ob er über etwas reden mag oder nicht.

Wie bekomme ich es unter einen Hut, wenn es in einer Familie viele verschiedene Parteien gibt, zum Beispiel in einer Patchworkfamilie, und man plötzlich vier Einladungen für drei Tage hat?

Anke Lingnau Carduck: Da kann helfen, nicht alles auf die Feiertage zu legen und sich zwischen den Jahren zu treffen. Das möchte nicht jeder, aber man kann ja Rücksicht nehmen: Oma Agnes ist es vielleicht besonders wichtig, Heiligabend zusammen zu verbringen, aber zu Opa Hans und seiner neuen Frau können wir auch noch am 28. fahren. So kann eine schöne und entspannte Zeit werden, was sonst nur ein Abhaken geworden wäre. Oft ändern sich jahrelange Gewohnheiten auch, wenn Paare Kinder bekommen. Viele wollen an Heiligabend dann ein eigenes Weihnachtsritual nur für die Kernfamilie entwickeln. Weil viele Großeltern das irgendwann mal ganz genauso gemacht haben, ist das für sie auch nachvollziehbar.

Und wie bringt man Ruhe in die so stressige Vorweihnachtszeit?

Anke Lingnau Carduck: Weihnachten ist ja nicht nur Heiligabend plus zwei Feiertage. Auch die Vorweihnachtszeit kann ganz schön stressig werden. Wer das Gefühl hat, zu wenig Zeit zu haben, darf sich auch mal trauen, ‚Nein‘ zu sagen und nicht noch zur dritten Weihnachtsfeier von Arbeit, Sport- oder Musikverein zu gehen. Auch bei Geschenken darf man den Anspruch runterschrauben: Es muss nicht groß und teuer sein. Meist reicht ein Geschenk, von dem ich weiß, dass es für den Beschenkten ein besonderer Genuss ist oder ein bisschen Luxus, den er sich selbst nicht gönnen würde. Oder etwas Selbstgemachtes, bei dem klar ist, dass man bei der Vorbereitung in liebevollen Gedanken beim Beschenkten war. Das entspricht auch eher dem Nachhaltigkeits-Trend. Also: weniger Geschenke, weniger Termindruck, mehr Mut zu Selbstfürsorge und Ruhe zum Jahresende.

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  • Interview mit der Familientherapeutin Anke Lingnau Carduck 

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