Ein junger Mann hält sich den schmerzenden Kopf
Cannabis

Cannabis – wie man abhängig wird und wie der Entzug funktioniert

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Annette Mittmann (Ärztin und medizinische Psychotherapeutin)

Cannabis kann abhängig machen. Doch nicht alle Menschen, die Cannabis ausprobieren oder gelegentlich konsumieren, werden auch abhängig. Dafür müssen mehrere Faktoren zusammenkommen. Wenn doch eine Cannabis-Abhängigkeit eingetreten ist, hilft ein Entzug dabei, vom Marihuana loszukommen. Im Vergleich mit anderen Drogen sind die Symptome eines Cannabis-Entzugs weniger schwer. Häufig kann ein Entzug zu Hause durchgeführt werden. Sucht- und Drogenberatungsstellen helfen dabei, die Abhängigkeit zu überwinden. Eine Sucht kann übrigens nicht nur beim Rauchen von Joints (umgangssprachlich kiffen ) entstehen, sondern auch bei der Anwendung von medizinischem Cannabis. 

Cannabis ist die am häufigsten konsumierte illegale Droge. Weltweit konsumieren laut Drogenbericht der UN rund vier Prozent der Weltbevölkerung oder 200 Millionen Menschen Cannabis. Doch wie groß ist die Gefahr, von Cannabis abhängig zu werden? 

In der öffentlichen Meinung gibt es sehr gegensätzliche Positionen zum Thema Cannabis. Durch das Vorhaben, Cannabis unter bestimmten Rahmenbedingungen in Deutschland zu legalisieren, treten die Fronten deutlich zu Tage. Manche sehen in Cannabis eine Einstiegsdroge, die fast automatisch im Konsum harter Drogen wie Heroin enden wird und Menschen in schwerer Abhängigkeit zurücklässt. 

Andere hingegen streiten alle Risiken ab, die von Cannabis ausgehen könnten, und sehen darin einen harmlosen Zeitvertreib. Zwei extreme Positionen, die beide nicht richtig sind. Wie groß die Gefahr einer Abhängigkeit von Cannabis ist, wie sie zu erkennen ist und wie Abhängige davon wieder loskommen, erfahren Sie im folgenden Text. 

Wie viele Menschen in Deutschland konsumieren Cannabis?

Ende der 1990er Jahre befasste sich eine große Studie der Universität Berlin und des Sozialpädagogischen Instituts Berlin mit dem Cannabiskonsum in Deutschland und häufigen Konsummustern. Dabei zeigte sich, dass 90 bis 95 Prozent der Konsumierenden Cannabis ein oder mehrmals probierten oder auch zeitweise gelegentlich gebrauchten. 

Unter den fünf bis zehn Prozent der Konsumierenden, die regelmäßig Cannabis verwendeten, fanden sich unterschiedliche Konsummuster. Sie unterschieden sich in Personen, die gerne allein konsumieren (Individualkonsumierende), gewohnheitsmäßige Freizeitkonsumierende und gewohnheitsmäßige Dauerkonsumierende. Diese Untersuchung zeigte vor allem, dass die meisten Menschen Cannabis ausprobieren, aber nicht dauerhaft nutzen. 

Im Jahr 2021 gaben 46,4 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 25 Jahren in einer Untersuchung der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) an, in ihrem Leben schon einmal Cannabis konsumiert zu haben. Doch nur 5,9 Prozent der Befragten konsumierten regelmäßig, was definiert war als „öfter als zehnmal in den letzten zwölf Monaten“. Unter den Erwachsenen lag die Konsumhäufigkeit bei 7,1 Prozent beziehungsweise 3,7 Millionen Menschen, die innerhalb der letzten zwölf Monate mindestens einmal Cannabis verwendet hatten. 

In diesen Zahlen noch nicht berücksichtigt sind diejenigen Personen, die Cannabis als Medizin erhalten. Im Jahr 2021 gab es nach Informationen der GKV-Arzneimittel Schnellinformation etwa 372.000 Cannabisverordnungen. Auf wie viele Patienten sich diese Verordnungszahlen genau beziehen, ist nicht bekannt. Dennoch gilt: Viele der Menschen, die Cannabis als Medizin erhalten, müssen ihre Cannabismedikamente regelmäßig über einen längeren Zeitraum einnehmen.

Wie viele Menschen werden abhängig?

Cannabiskonsum führt nicht automatisch in eine Abhängigkeit. Expertinnen und Experten sind sich darüber einig, dass das Suchtpotenzial von Cannabis im Vergleich zu anderen berauschenden Substanzen gering ist. Genaue Zahlen dazu, wie hoch es tatsächlich ist, schwanken je nach Untersuchung und liegen zwischen zwei und neun Prozent der regelmäßig Konsumierenden. Wurde mit dem Cannabiskonsum bereits im Jugendalter begonnen, steigt das Risiko auf 17 Prozent. Für Personen, die täglich kiffen, sogar auf 25 bis 50 Prozent.

Zum Vergleich: Das Risiko, durch den gewohnheitsmäßigen Konsum in eine Abhängigkeit zu geraten, liegt für Nikotin bei 67,5 Prozent, für Alkohol bei 22,7 Prozent und für Kokain bei 20,9 Prozent. 

Nicht nur die Häufigkeit des Konsums bedingt, ob eine Abhängigkeit entsteht. Auch die Persönlichkeit, die Gründe, aus denen konsumiert wird, und welche Funktion oder Bedeutung der Konsum, vor allem das Kiffen, für die jeweilige Person hat, spielen eine Rolle dabei, ob sich eine Abhängigkeit entwickelt.

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Cannabissucht – das sollten Sie wissen 

Eine Sucht ist eine Erkrankung. Sie entwickelt sich über einen Zeitraum von (meist) Jahren. Bei Cannabis fällt eine Abhängigkeit häufig nicht so stark auf wie bei anderen Drogen. Doch wenn Konsumierende damit beginnen, nicht nur hin und wieder in geselliger Runde zu kiffen, sondern immer regelmäßiger und häufiger auch alleine zuhause, kann das auf eine Entwicklung in Richtung einer Abhängigkeit hindeuten. 

Grundsätzlich problematisch ist es, wenn der Konsum einer Substanz – egal ob es sich um Cannabis, Alkohol oder andere Substanzen handelt – nicht mehr nur Genuss ist, sondern andere Funktionen übernimmt. Wenn es beispielsweise nötig wird, zu konsumieren, um einschlafen zu können, Ängste zu unterdrücken, mit Problemen umzugehen oder den Alltag zu meistern. 

In den meisten Fällen von Abhängigkeitserkrankungen gibt es psychische und körperliche Merkmale, die mit dem Konsum des Suchtmittels einhergehen. Bei Cannabis ist die Abhängigkeit vor allem psychischer Natur. Körperliche Entzugserscheinungen können je nach Schwere der Abhängigkeit auftreten, sind aber im Vergleich zu anderen stoffgebundenen Süchten (z. B. Alkohol, Heroin, Kokain) weniger schwer. Dennoch sollte eine Abhängigkeit von Marihuana nicht heruntergespielt werden. 

Cannabisabhängigkeit – das sind die Anzeichen

Wenn während der vergangenen zwölf Monate drei oder mehr der folgenden Symptome gleichzeitig vorlagen, liegt eine Abhängigkeit vor: 

  • Ein starker Wunsch oder eine Art Zwang, die Substanz einzunehmen (sogenanntes „craving“).
  • Schwierigkeiten, den Beginn, das Ende und die Menge des Konsums zu kontrollieren.
  • Anhaltender Substanzkonsum, obwohl Betroffenen die schädlichen Folgen bekannt sind.
  • Der Substanzgebrauch ist wichtiger als alle anderen Aktivitäten und Verpflichtungen. Andere Alltagsaktivitäten werden vernachlässigt. Um ausreichend Cannabis zu beschaffen, zu konsumieren oder sich von den Folgen zu erholen, wird immer mehr Zeit benötigt.
  • Es entwickelt sich eine Toleranz gegen die Substanz. Immer mehr wird benötigt, um die gewünschte Wirkung zu erreichen. 
  • Bei Reduktion oder Beendigung des Konsums treten Entzugserscheinungen auf.

Neben einer nachweisbaren Abhängigkeit kann auch ein sogenannter schädlicher Gebrauch festgestellt werden. Dabei führt das Konsummuster zu körperlichen oder psychischen Schädigungen, ohne dass alle Anzeichen einer Abhängigkeit erfüllt sind. 

Auf der Website drugcom.de der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) können Sie einen anonymen und kostenlosen Selbsttest machen.

Abhängigkeit auch von medizinischem Cannabis?

Auch Personen, die Cannabis als Medikament bekommen, können davon abhängig werden. Sogar jede sechste Patientin oder jeden sechsten Patienten betrifft dieses Problem, wenn auch in sehr milder Form, wie eine Studie an 186 Patientinnen und Patienten zeigte. Je nach Krankheitsschwere und Symptomatik geraten Ärztinnen und Ärzte sowie Patientinnen und Patienten in ein Dilemma. Soll die Behandlung trotz einer drohenden oder bereits vorliegenden Abhängigkeit weitergeführt werden? Oder sollten besser andere Medikamente zum Einsatz kommen? 

Diese Frage kann nur individuell, mit Blick auf die zu behandelnde Krankheit, die möglichen alternativen Therapiemöglichkeiten und den Wunsch der Betroffenen getroffen werden. Da Untersuchungen zeigen, dass die Abhängigkeitsschwere im Rahmen einer Therapie meist sehr gering ist, sollten die Möglichkeiten vor Absetzen des Medikaments genau geprüft werden. Wird entschieden, die Cannabistherapie zu beenden und einen Cannabis-Entzug zu beginnen, so sollte das nur unter ärztlicher Kontrolle geschehen.

Cannabisabhängig – und nun? 

Manchmal weiß es das Umfeld vor der betroffenen Person. Vielleicht haben der Freundeskreis oder Familienangehörige die- oder denjenigen bereits darauf angesprochen. Die größte Hürde für Konsumierende ist meist, sich selbst einzugestehen, dass sie süchtig nach Cannabis sind. Doch erst, wenn diese Einsicht erfolgt ist, hat eine Behandlung Aussicht auf Erfolg. 

Sucht- und Drogenberatungsstellen sind darauf spezialisiert, Menschen mit Drogen- und Suchtproblemen zu helfen. Auch eine anonyme Beratung ist möglich. Beratungsstellen und -möglichkeiten finden Sie in jeder größeren Stadt sowie im Internet. Wenn der Wunsch vorhanden ist, die die Sucht zu bekämpfen, sollte ein Cannabis-Entzug durchgeführt werden.

Der Cannabis-Entzug

Die Besonderheit der Droge beziehungsweise des Medikaments Cannabis liegt darin, dass es sich im Körperfettgewebe während der Konsumdauer anreichert und erst nach und nach freigesetzt wird. Aus diesem Grund kann der Konsum von Cannabis noch Tage, manchmal Wochen nach der letzten Verwendung nachgewiesen werden. Mit Blick auf den Entzug wird das manchmal als Vorteil gesehen, denn selbst wenn der Konsum abrupt gestoppt wird, verläuft der Entzug relativ weich. 

Besonders Personen, die über lange Zeit täglich gekifft haben, zeigen mitunter jedoch deutliche Entzugssymptome. Meist treten diese 24 bis 48 Stunden nach dem letzten Konsum auf. Der Cannabis-Entzug dauert etwa sieben bis maximal 14 Tage und verläuft in Phasen.

Marihuana-Entzug – Symptome

Diese Symptome und Entzugserscheinungen können nach dem Absetzen von Cannabis auftreten:

  • Unruhe und Nervosität
  • Schlafprobleme
  • Verminderter Appetit
  • Gesteigerte Aggressivität
  • Depressionen
  • Angstzustände
  • Muskelzittern, Schwitzen, erhöhte Temperatur, Schüttelfrost
  • Magen-Darm-Beschwerden, Durchfall, Übelkeit, Erbrechen
  • Kopfschmerzen
  • Sehstörungen

So unangenehm die Entzugserscheinungen auch sein mögen, wenn das Kiffen eingestellt wird: Sie stellen bei Menschen, die ansonsten gesund sind, keine gesundheitliche Bedrohung dar. Schwieriger ist für viele, damit umzugehen, dem Verlangen nach einem Joint nicht wieder nachzugeben. Denn häufig tritt in dieser Phase das starke Bedürfnis auf, wieder zu kiffen. 

Wer Unterstützung für den Entzug sucht, kann sich beim Programm „Quit the Shit der BZgA anmelden und erhält dort professionelle Hilfe. Auch Sucht- und Drogenberatungsstellen können unterstützen. Ein Verzeichnis der Beratungsstellen finden Sie bei der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen.

Lesen Sie auch vielfältige Informationen zur Bekämpfung von Sucht und Abhängigkeit

Entzug in der Klinik? 

Werden die Symptome während des Entzugs vom Kiffen zu stark und unangenehm, sollte ein Facharzt oder eine Fachärztin für Psychiatrie hinzugezogen oder eine Klinik aufgesucht werden. Ein Klinikaufenthalt ist aber nicht grundsätzlich und nicht über die gesamte Dauer des Entzugs nötig. Es empfiehlt sich, sich schon vor Beginn des Entzugs mit den möglichen Folgen auseinanderzusetzen.

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