Eine junge Frau sitzt mit geschlossenen Augen auf dem Boden und macht Atemübungen
Psychische Gesundheit

Richtig atmen: Fünf Atemübungen gegen Stress

Lesedauer unter 10 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Annette Mittmann (Ärztin und medizinische Psychotherapeutin)

Es scheint so selbstverständlich – und doch sind richtige Atemtechniken viel wichtiger als wir vielleicht denken. Denn wie wir Luft holen und sie wieder aus den Lungen entweichen lassen, beeinflusst unser Gehirn und unsere Gesundheit auf ganz vielfältige Weise. Wenn wir es bewusst machen, kann das richtige Atmen sogar zur Superkraft gegen Stress, Angst, Herz-Kreislauf-Beschwerden und viele andere Problemen werden. Warum richtig atmen so wichtig ist und wie effektive Atemübungen gelingen.

3,3 Sekunden. So lange brauchen wir im Schnitt für einen normalen Atemzug. Durch einen Atemzug wird Sauerstoff (O2) in den Körper gebracht und Kohlendioxid (CO2) aus ihm entfernt. Eine relativ kurze Zeitspanne – in der aber mit dem Einatmen Milliarden mikroskopisch-kleine Sauerstoff-Moleküle im Körper landen, die wichtig sind, um Knochen, Muskeln, Blut, Gehirn und Organe zu versorgen. 20.000 bis 30.000 Mal passiert das – jeden Tag. Und so funktioniert es:

  • Beim Einatmen gelangt Sauerstoff durch die Nase oder den Mund über die Lungen ins Blut. Der Brustkorb hebt sich und vergrößert den Brustraum.
  • Beim Ausatmen nimmt die Atemluft als Kohlendioxid den umgekehrten Weg zurück in die Welt. 
  • Dieser Gasaustausch beim Ein- und Ausatmen ist überlebenswichtig, denn ohne Sauerstoff kann der Körper seinen Stoffwechsel nur ein paar Minuten lang aufrechterhalten.

Und trotzdem bleibt uns ganz oft die Luft weg: Eine Studie zeigt, dass 60 bis 80 Prozent aller Menschen viel kürzer und flacher atmen, als es eigentlich für sie gut wäre – sie atmen falsch. Auch beim Sport, zum Beispiel beim Joggen, haben sie dann zu wenig Luft. 

„Wir nehmen einfach an, Atmen sei eine passive Tätigkeit – etwas, das halt zum Leben gehört“, schreibt James Nestor und spricht von der richtigen Atmung als „vergessene Kunst“. „Breath. Atem“ heißt sein Buch. Darin hat der US-amerikanische Wissenschaftsjournalist Erkenntnisse zum Luft holen zusammengetragen, die es seit hunderten, teils sogar tausenden von Jahren gibt – die wir aber oft vergessen haben. Es lohnt, sie sich ins Gedächtnis zurückzuholen. Die gute Nachricht: richtig Atmen kann man wieder lernen.

Richtig atmen zu lernen kann das Leben verlängern

Sich neu auf die Atmung zu konzentrieren, bewusst zu atmen, kann viel bewirken, denn die Wirkung der Luft im Körper ist enorm: „Erst seit Kurzem wissen wir, dass man mit der richtigen Atmung den Blutdruck senken, sportliche Leistungen steigern und das Nervensystem ins Gleichgewicht bringen kann“, schreibt Nestor. 

Die passende Atemtechnik – zum Beispiel das Ausatmen etwas länger werden lassen, den Bauch zu heben, den Atem gleichmäßig zum Fließen zu bringen oder ihn zwischendurch auch mal anzuhalten – kann deshalb der Schlüssel für ein glücklicheres, gesünderes und sogar längeres Leben sein.

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Atemtechniken, wie etwa die Bauchatmung, kann man lernen. Doch oft sind wir dafür zu hektisch, ja, zu atemlos, und achten nicht darauf, was unsere Nase, der Mund, die Lungen machen. Zudem sitzen viele von uns lange am Schreibtisch, vor dem Computer, oder wir schauen viele Stunden täglich auf unser Phone. Bei dieser Haltung sind die Lungen eingeengt und haben weniger Platz zum Entfalten. Wir atmen in den Brustkorb und nicht tief in den Bauch. 

Wer auf die richtige Atmung achtet, tut etwas Gutes für seine Gesundheit.

Wer auf die richtige Atmung achtet, tut etwas Gutes für seine Gesundheit.

Die Folgen falscher Atmung auf die Gesundheit

Mit den Jahrzehnten haben wir immer mehr den Zugang zum intuitiven, gesunden Atmen verloren. Experte James Nestor geht in seiner Betrachtung sogar noch weiter in der Zeit zurück: Da die Menschen seit der Industrialisierung vor allem verarbeitete Nahrung essen und weniger frisches Obst und Gemüse, müssen sie weniger kauen.

Gesund essen beginnt im Supermarkt - diese Foods gehören auf die Einkaufsliste.

Nach und nach verkleinerten sich daher Schädel und Mundhöhle, wodurch der Mensch immer weniger Luft durch die Nase aufnehmen kann und seitdem mehr durch den Mund atmet. 

Gerade diese Atmung durch den Mund aber kann zu gravierenden Folgen beitragen, zum Beispiel:

  • Geringere Sauerstoffversorgung
  • Asthma
  • Verspannungen in Nacken und Kiefer
  • Karies
  • Schnarchen 

Wichtigster Schritt zur richtigen Atmung: die Nasenatmung

Die wichtigste Veränderung, um richtig Atmen zu lernen, ist deshalb die Nasenatmung. Sie reinigt, erwärmt und befeuchtet die einströmende Luft. Man kann sie als eine Art Therapie auf dem Weg zu einem gesünderen Körper und einem entspannteren Geist sehen. 

Auch der erhöhte Luftwiderstand ist optimal, so dass die Lungen im Gegensatz zur Mundatmung bis zu 20 Prozent mehr Sauerstoff aufnehmen können. Eine Studie der Northwestern University in Illinois belegt sogar, dass Nasenatmung im Vergleich zur Mundatmung die Kommunikation zwischen den verschiedenen Bereichen im Gehirn verbessert: Wir können dadurch Dinge und Emotionen anderer Menschen klarer beurteilen und verbessern, auch die Gedächtnisleistung steigt.

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Zwerchfell- und Bauchatmung: Den Atem ausdehnen – und zwar in den Bauch

Die zweite Atemübung für mehr Gesundheit und Entspannung betrifft das Zwerchfell: „Ein durchschnittlicher Erwachsener nutzt nur zehn Prozent des Spielraums, den das Zwerchfell bietet, für die Atmung. Das überlastet das Herz, erhöht den Blutdruck und verursacht Kreislaufprobleme“, erklärt Nestor. 

Die Lösung? Länger und tiefer atmen – und zwar in den Bauch (diese Atemtechnik wird deshalb auch Bauchatmung oder Zwerchfellatmung genannt). Diese richtige Atmung bezieht den ganzen Brust- und Bauchbereich mit ein, der Bauch wölbt sich dabei nach außen, weil sich das Zwerchfell in den Bauchraum zieht.

Richtig Ein- und Ausatmen: Tiefe Atmung gegen negative Gefühle

Atmen wir in der sogenannten Brustatmung dagegen flach und kurz, bleibt der Bauch an Ort und Stelle. Das belüftet nur den oberen Teil der Lungen mit Sauerstoff – und gilt als falsche Atmung, da sie zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff führen kann. 

Zu den körperlichen Folgen dieser oberflächlichen Atmung können auch psychische kommen. Dafür entscheidend ist die enge Verbindung zum Nervensystem: Atmen wir unbewusst zu flach und schnell, versetzen wir unser Nervensystem in einen Alarmzustand, der permanent latenten Stress und unterschwellige Angst verursacht. 

Eine Studie zeigte außerdem, dass Teilnehmerinnen und Teilnehmer, die schnell in den oberen Brustkorb einatmeten und wieder ausatmeten, einen unregelmäßigen Atem entwickelten. Ihr Oberkörper verspannte - das verursachte negative Emotionen wie Wut, Angst und Unruhe. Atmeten die Probanden dagegen langsam und tief durch die Nase ein und aus, führte das zu regelmäßigen Atemzügen, einem entspannten Brustkorb und gleichzeitig zu Freude- und Glücks-Empfinden. 

Der Atemfluss kann also wie eine Therapie unsere Gefühlswelt beeinflussen. Deshalb ist es gerade in unserer heutigen, hektischen Welt so wichtig, die Luft länger und ruhiger in den Bauchraum strömen lassen – und dabei vor allem länger auszuatmen, also weniger Atemzüge pro Minute zu machen. Die richtige Atmung reduziert Stress, lässt den Körper effizienter arbeiten und verringert zudem die Belastung des Herz-Kreislauf-Systems.

Fünf einfache Atemtechniken für ein gesünderes Leben 

Das Tolle an Atemübungen: Wer regelmäßig bewusst seinen Fokus auf das richtet, was zwischen Nase und Lungenflügel passiert, wird schnell Veränderungen bemerken. Manche Effekte, etwa die gesteigerte Versorgung durch Sauerstoff, spürt man oft innerhalb von Sekunden bis Minuten. 

Wir bringen mehr Leistung beim Sport durch eine verbesserte Atmung. Und wir lernen beim Sprechen richtig zu atmen, sodass wir nicht so schnell atemlos werden. Andere Veränderungen dauern länger, die Effekte werden mit etwas Gewöhnung – etwa bei Atemübungen gegen Angst oder Stress – aber immer stärker und lassen sich dann auch spontan gut abrufen. 

Die folgenden fünf Übungen helfen dabei, richtig zu atmen. Sie sind leicht erlernbar, erfordern wenig Aufwand und wirken effektiv. Wenn nicht anders vermerkt, ist kein besonderes Equipment oder ein spezieller Ort nötig: Man kann sie überall machen, etwa beim Joggen, Gehen, Arbeiten, Ausruhen oder Fernsehen.

Atemübung für mehr Entspannung: Den Atem verlängern 

Diese Übung intensiviert die Atemzüge. Halten wir diese richtige Atmung mit verlängertem Ausatmen und insgesamt elf Minuten durch, wird die 4-7-11-Methode daraus – eine Atemtechnik, die ähnlich wie ein Power-Nap wirkt, weil sie dem Körper vorgaukelt zu schlafen, ohne tatsächlich zu ruhen. 

  • Einatmen, dabei langsam innerlich bis vier zählen und den Bauch größer werden lassen (auch „Bauchatmung“ oder „Zwerchfellatmung“ genannt).
  • Ausatmen, wieder langsam bis vier zählen und den Brustkorb leeren.
  • Hat sich der Körper daran gewöhnt, immer weiter steigern: beim Ein- und Ausatmen erst bis fünf, dann bis sechs zählen.
  • Fühlt sich das natürlich an, dann wird es noch intensiver: Beim Einatmen bis vier zählen, beim Ausatmen bis sieben. 
  • Zur 4-7-11-Methode erweitern: Beim Einatmen bis vier zählen, beim Ausatmen bis sieben zählen und das Ganze mindestens elf Minuten lang durchhalten.

Atemübung, um schneller einzuschlafen: Die 4-7-8-Atmung

Diese Atemtechnik versetzt den Körper in einen tiefen Entspannungszustand und hilft auch gut, um schneller einzuschlafen. Sie reduziert Panikattacken, Angstzustände sowie Heißhunger. 

  • Einatmen und mit einem pustenden Geräusch durch den Mund ausatmen. 
  • Mund schließen und ruhig durch die Nase einatmen, währenddessen innerlich bis vier zählen.
  • Luft anhalten und dabei idealerweise bis sieben zählen. Geht das (noch) nicht, erst mit weniger Zählern üben und sich im Lauf der Zeit weiter steigern.
  • Mit geöffnetem Mund und hörbarem Geräusch vollständig ausatmen, dabei bis acht zählen.
  • Vier Mal wiederholen. Nach ein paar Wochen regelmäßiger Übung dürfen es auch mehr Durchgänge sein. Entscheidend ist dabei nicht die Länge der Atemzüge, sondern das zeitliche Verhältnis, das ihnen zugrunde liegt.

Atemübung für mehr Konzentration: Resonanzatmung

Diese einfache, grundlegende Technik beruhigt Herz, Lungen und Kreislauf und versetzt den Körper in höchste Effizienz – sie weckt ihn praktisch auf.

  • Gerade hinsetzen, Schultern und Bauch entspannen, ausatmen.
  • Fünf bis sechs Sekunden lang sanft durch die Nase einatmen, Bauch dehnen und dabei den unteren Bereich der Lungen füllen. Anfangs hilft für die Zeitmessung etwa der Sekundenzeiger des Uhr-Icons auf dem Smartphone. Wer größer als der Durchschnitt ist, kann etwas länger atmen, wer kleiner ist etwas kürzer.
  • Ohne Pause die gleiche Zeitspanne lang sanft durch die Nase ausatmen, Bauch einziehen, Lungen leeren.
  • Mindestens zehn Mal wiederholen, idealerweise öfter. Die Atmung sollte ein beständiges Fließen sein, man sollte sie sich wie einen Kreislauf vorstellen.

Atemübung beim Sprechen: Die 6-3-6-3-Methode

Diese Technik macht die Atmung ruhiger und gleichmäßiger, was gerade in stressigen Situationen wie vor einer Prüfung oder einer wichtigen Rede hilft. Sie hilft auch bei der richtigen Atmung beim Sprechen. Dazu gibt diese richtige Atemtechnik einen Energie-Kick, der erfrischt wie ein kleiner Spaziergang.

  • (Smartphone-)Wecker auf zwei Minuten einstellen.
  • Entspannt hinsetzen oder hinlegen, den Rücken gerade halten, damit der Atem tief und gleichmäßig fließen kann.
  • Augen schließen, dann vollständig tief in der Bauchatmung oder Zwerchfellatmung (Bauch wölbt sich nach außen) einatmen und bis sechs zählen.
  • Luft anhalten, bis drei zählen.
  • Ausatmen, bis sechs zählen.
  • Luft anhalten, bis drei zählen.
  • Von vorne beginnen und so lange wiederholen, bis der Wecker klingelt.

Atemübung für mehr Gelassenheit: Wechselatmung

Yogis kennen diese Technik namens Nadi Shodhana. Sie macht die Lungen fit, reguliert Herzschlag, Blutdruck und Nervensystem. Ideal vor einem Meeting, einem beruflichen Event oder auch dem Zubettgehen.

  • Daumen der rechten Hand sanft über das rechte Nasenloch legen, Ringfinger derselben Hand auf das linke. Zeige- und Mittelfinger sind entspannt nach unten geklappt.
  • Das rechte Nasenloch mit dem Daumen verschließen, langsam durch das linke vollständig ausatmen.
  • Durch das freie linke Nasenloch tief einatmen, danach mit dem Ringfinger verschließen. Atem anhalten und bis vier zählen.
  • Den Daumen lösen und durch das rechte Nasenloch ausatmen.
  • Durch das rechte Nasenloch tief einatmen, mit dem Daumen verschließen, Atem wieder kurz anhalten.
  • Ringfinger lösen und dann links ausatmen – damit beginnt die Übung von vorne.
  • Fünf bis zehn Mal wiederholen.

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