Ein Mann, eine sehr alte Dame und eine ältere Frau umarmen sich
Nachhaltigkeit

Unser Gesundheitswesen nachhaltiger gedacht

Lesedauer unter 8 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. Janine Voß (Bereichsleiterin Zentrale Dienste bei der Barmer)

Klimaschutz ist gleichbedeutend mit Gesundheitsschutz. Das Dilemma: Das Gesundheitssystem, wie wir es kennen, trägt massiv zur Erderwärmung bei. Heilung und Hygiene lassen sich nicht immer mit Umweltschutz vereinbaren. Aber es geht besser. Wie, zeigt sich in sieben Bereichen.

Der Weltklimarat der Vereinten Nationen (IPCC) hat es in seinem aktuellen Bericht noch einmal verdeutlicht: Der Klimawandel wird erhebliche Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen haben, und stellt damit auch das Gesundheitssystem vor gewaltige Herausforderungen. Steigende Temperaturen und veränderte Niederschläge, vermehrt auftretende Hitzewellen und Überschwemmungen, Stürme, Dürren und Brände – all das gefährdet unsere Gesundheit unmittelbar. Unter den Folgen werden Menschen leiden. Besonders betroffen werden davon Menschen mit chronischen Erkrankungen sein – neben Älteren, Schwangeren, Säuglingen, Kindern und Menschen, die im Freien arbeiten. Die Gründe sind vielschichtig. Bei wärmeren Temperaturen gibt es mehr Pollen für längere Zeiten, die sich stärker ausbreiten als früher. Das bedeutet, dass es mehr Menschen mit Allergien geben wird, die zudem heftiger darunter leiden.

Aktueller Hinweis: Seit wir diesen Text erstellt haben, haben sich die Dinge weiterentwickelt. Die Barmer ist bereits seit September 2022 klimaneutral. Erfahren Sie hier mehr. 

Häufiger wird es auch zu Schlaganfällen kommen, Wunden heilen bei Temperaturen jenseits von 40 Grad schlechter, sich von Operationen zu erholen wird länger dauern. Auch die seelischen Schäden sind nicht zu unterschätzen. Menschen, die Katastrophen durchleben, leiden in der Folge oft an Depressionen oder Panik- und Angststörungen.

Es ist also klar: Klimaschutz ist gleichbedeutend mit Gesundheitsschutz. Nur ergibt sich daraus ein Dilemma. Denn die Mittel, die wir einsetzen, um die Krankheiten zu bekämpfen, tragen gleichzeitig zur Erderwärmung bei und somit auch dazu, dass diese Krankheiten vermehrt entstehen. Weltweit ist der Gesundheitssektor allein für etwa 4,6 Prozent der Treibhausgase verantwortlich. Wäre er ein Land, stünde er auf Platz 5 der Liste der Länder, die am meisten CO2 ausstoßen, hinter China, USA, Indien und Russland. Einfach aufzulösen ist dieser Widerspruch nicht. Krankenhäuser können ihre stromfressenden Geräte im Dauerbetrieb nicht einfach abstellen, sonst wären sie nicht bereit, wenn bei einem Patienten plötzliche Komplikationen auftreten. Auch müssen die Pharma-Fabriken weiter Massen von Medikamenten herstellen, um den wachsenden Bedarf zu decken, auch wenn das viele Ressourcen verbraucht.

Dennoch gibt es Möglichkeiten, den Klimaschutz auch im Gesundheitswesen zu verbessern, und somit die Gesundheit von uns allen. Hier zeigen wir einige mögliche Wege in ganz unterschiedlichen Bereichen auf.

Nachhaltigeres Handeln bei Versicherten und Patienten

Eine Frau mit einer Teetasse in der Hand

Menschen vorzugeben, wie sie zu leben haben, das wird schnell heikel. Aber oft ist das, was uns selbst gut tut, auch gut für den Klimaschutz. Wer etwa im Alltag das Auto öfter stehen lässt und stattdessen Fahrrad fährt oder zu Fuß geht, der trainiert sein eigenes Herz-Kreislauf-System und nimmt nicht so schnell zu. Gleichzeitig kommen so aber auch weniger Treibhausgasemissionen und Schadstoffe in die Welt. Auch beim Umgang mit Medikamenten können schon Einzelne mit ein paar Tricks für mehr Nachhaltigkeit sorgen. Etwa, indem man keine Vorratspackungen kauft, um dann die Hälfte der Tabletten nach dem Ablaufdatum ungenutzt wegzuschmeißen.

Wenn Medikamente aber entsorgt werden müssen, dann auf keinen Fall in der Toilette, denn von dort gelangen Rückstände ins Trinkwasser und die Umwelt. Aber wohin damit? Zum Glück gibt es eine einfache Lösung: Den Hausmüll. Bevor Müll in Deutschland gelagert wird, wird er in Müllverbrennungsanlagen verbrannt oder mechanisch-biologisch vorbehandelt. Dadurch werden eventuell vorhandene Gift- und Schadstoffe weitestgehend zerstört oder inaktiviert. Wichtig ist dabei aber die Trennung. Die Blister gehören in die gelbe Tonne. Die Umverpackung, die meistens aus Pappe ist, und der Beipackzettel, gehören ins Altpapier. Manche Apotheken bieten als Service die Abnahme von alten Medikamenten an – sie sind dazu allerdings nicht verpflichtet.

Mehr Nachhaltigkeit in Krankenhäusern und Pflegeheimen

Ältere Damen sitzen am Tisch in einem Pflegeheim

Wohl nirgendwo tritt der scheinbare Widerspruch zwischen Klimaschutz und Gesundheitsschutz so deutlich hervor wie bei den Krankenhäusern und Pflegeheimen. Kliniken sind unersättliche Energiefresser, sie verbrauchen durchschnittlich täglich so viel Strom wie eine Kleinstadt. Zusätzlich sind sie pro Jahr für etwa fünf Millionen Tonnen Abfall verantwortlich, ungefähr ein Prozent des gesamten Mülls in Deutschland. Die ungünstige Ökobilanz lässt sich nur mühsam verbessern, die Sicherheit der Patienten hat Vorrang. Es gibt unzählige medizinische Geräte, von denen auch noch viele permanent im Stand-by-Modus laufen. Sie müssen immer einsatzbereit sein. Auch beim Abfall lassen die besonderen Umstände nicht viel Spielraum. Ein großer Teil besteht aus Kunststoff – Kanülen, Schläuchen oder Spritzen. Weil diese aber mit Blut, Chemikalien oder Keimen kontaminiert sein könnten, sind sie nicht recyclebar und müssen nach einmaligem Gebrauch weggeschmissen werden.

Patienten im Wartebereich eines Krankenhauses

Einige Klinikbetreiber zeigen aber, dass auch in Krankenhäusern Energie gespart werden kann. So reduzierten beispielsweise 46 Krankenhäuser, die bis Ende 2019 mit dem Label „Energie sparendes Krankenhaus“ ausgezeichnet waren, ihren Ausstoß an Treibhausgasen zusammen um etwa 79.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr und sparten zusammen mehr als 20 Millionen Euro an Betriebskosten ein. Wie haben sie das geschafft? Mittlerweile gibt es einige Häuser mit Photovoltaik-Anlagen, oder sogar eigenen Blockheizkraftwerken. Die produzieren nicht nur Strom und Wärme, sondern auch Dampf, mit dem die medizinischen Instrumente sterilisiert werden und andere elektronische Hochleistungsgeräte wie etwa Kernspintomografen gekühlt werden können.

Tatsächlich gibt es auch bei der Abfallvermeidung Fortschritte. Das fängt bei der Logistik an, durch optimierte Bestellrhythmen und Lieferfrequenzen, und hört damit auf, dass manche Geräte sehr wohl wiederverwertet werden können. Die Elektrodenspitzen von Herzkathetern etwa enthalten Platin oder Gold.

Nachhaltiger geführte Arztpraxen

Ein Arzt begrüßt seine Patienten

Was für Krankenhäuser und Pflegeheime in Sachen Umweltschutz im Großen gilt, gilt für Arztpraxen im Kleinen. Viel lässt sich schon mit energiesparenden Lampen und Geräten erreichen. Aber auch kleine Verhaltensänderungen können Großes bewirken. Schon mit einer ein Grad kühleren Raumtemperatur im Winter lassen sich in Praxen sehr beachtliche CO2-Einsparungen erzielen. Oft hilft es, unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine Person zu benennen, die als Klimabeauftragte fungiert und die die Verantwortung für die Umsetzung übernimmt. Untersuchungen zeigen: Durch diese Verbindlichkeit steigen die Einsparungen messbar.

Apotheken als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit

Eine Kundin und ein Apotheker in einer Apotheke

Den Apothekerinnen und Apothekern kommt beim Klimaschutz eine Schlüsselrolle zu: die Beratung ihrer Kundinnen und Kunden, wie diese mit Arzneimitteln umweltgerecht umgehen können. Das fanden Forschende im Auftrag des Bundesumweltamts heraus. Apothekerinnen und Apotheker stehen direkt im Kundenkontakt, und das Vertrauen in sie ist groß. Wenn sie kleinere Medikamenten-Packungen empfehlen oder Hinweise zur richtigen Entsorgung nicht aufgebrauchter Medikamente geben, könnte der Effekt groß sein, so die Forschenden. Deswegen sollten Pharmazeutinnen und Pharmazeuten bereits im Studium entsprechend geschult werden, schlagen sie vor.

Nachhaltiger Arzneimittel und Medizinprodukte herstellen

Brokkoli und grüne Kapseln liegen in einer Hand

Eine nachhaltigere Produktion ist ein komplexes Problem. Es stellt auch Pharma-Giganten vor große Herausforderungen. Sollen ihre Fabriken grüner werden, muss der gesamte ökologische Fußabdruck in den Blick genommen werden – sei es in Bezug auf die Energieeffizienz, den Wasserverbrauch, die verwendeten Materialien oder auch den Grund und Boden, auf dem die Gebäude stehen. Gerade bei der Produktion in Schwellenländern, in denen die Pharmaindustrie aus Kostengründen viele Wirkstoffe und Arzneimittel herstellen lässt, ist das nicht immer einfach zu überprüfen. Doch auch hier hat bei vielen Herstellern ein Umdenken eingesetzt. So verlangen sie von ihren Lieferanten, dass sie Standards von Nachhaltigkeit teilen und sich auch wiederum in ihren eigenen Lieferketten danach richten. Bei Medizinprodukten (zum Beispiel Implantate oder Herzschrittmacher) gibt es Überlegungen, eine Kreislaufwirtschaft (Circular Economy) zu fördern. Etwa, indem Produkte so gestaltet werden, dass sie leicht wiederverwertbar sind.

Digitalisierung im Gesundheitswesen – gesund und nachhaltig

Das Potenzial digitaler Technologien für den Klimaschutz ist enorm. Eine Studie des Digitalverbands bitkom zeigt: Der CO2-Ausstoß kann durch den gezielten und beschleunigten Einsatz digitaler Lösungen in zehn Jahren um 120 Megatonnen reduziert werden. Das entspricht fast jeder zweiten Tonne dessen, was Deutschland noch einsparen muss, um die selbstgesteckten Klimaziele zu erreichen. Auch im Gesundheitswesen ist die Digitalisierung von entscheidender Bedeutung. Das fängt im Kleinen an. Telemedizin macht viele Wege mit dem eigenen Auto oder dem Taxi unnötig. Auch wenn die Distanz zur Praxis nur kurz wäre, kann Telemedizin, wenn sie Termine vor Ort inklusive der Autofahrt ersetzt, die Klimabilanz massiv verbessern. Viele Fahrten lassen sich auch dadurch einsparen, dass Rezepte nicht mehr persönlich abgeholt werden müssen.

Krankenkassen nachhaltiger machen

Natürlich kommt den Krankenkassen eine besondere Verantwortung in Sachen Klimaschutz zu. Die Gesundheit der Menschen ist ihre Kernaufgabe, und genau für diese ist ein besserer Klimaschutz essenziell.

Deshalb hat die Barmer die wesentlichsten Bereiche identifiziert, wo sich Klimaschutz schnell lohnt. Das fängt bei der Infrastruktur an. In den letzten Jahren wurde eine Vielzahl von Abläufen digitalisiert, wodurch deutlich weniger Ressourcen verbraucht und Immobilien benötigt werden. Außerdem beziehen die Barmer-Gebäude seit 2020 nur noch Ökostrom. Allein dadurch wird das Ökosystem jährlich um etwa 6.830 Tonnen CO2 weniger belastet. Das entspricht der jährlichen CO2-Aufnahme von über einer halben Million Bäumen.

Die Corona-Pandemie hat auch der Barmer aufgezeigt, dass viele Dienstfahrten durch digitale Tools ersetzt werden können. Auch wenn sie jetzt wieder ins Büro kommen, machen viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das CO2-optimiert, etwa mit unseren Jobrädern, von denen mehr als 2.000 im Einsatz sind.

Auch bei ihren Partnern achtet die Barmer darauf, dass sie möglichst nachhaltig agieren. Anforderungen für den verantwortungsvollen Umgang mit Mensch und Umwelt sind in einem Lieferantenkodex zusammengefasst.

Die gemeinsame Reise hat begonnen – werden auch Sie ein Tempomacher!

Es gibt also einige Wege, auch Gesundheitsschutz mit Klimaschutz zu verbinden, auch wenn es wegen der besonderen Anforderungen an Aspekte wie Hygiene, Sicherheit und Kosten mit speziellen Herausforderungen verbunden ist. Viele der Änderungen, die gut sind für den Planeten, sind gleichzeitig gut für unsere Gesundheit. Eine klassische Win-Win-Situation.

Wichtig ist, das Bewusstsein dafür zu schärfen, wo überall im Gesundheitssektor Energie eingespart werden kann. Dann kommt es darauf an, die nötigen Änderungen auch umzusetzen. Dabei sind alle Unternehmen und Akteure gefordert, auch natürlich eine Krankenkasse wie die Barmer.

Und auch Sie können konkret etwas tun. Fragen oder schauen Sie doch einfach mal nach bei Gesundheitsdienstleistern, ob es dort schon Klimaschutzbemühungen oder sogar eine Nachhaltigkeitsstrategie gibt. Oder achten Sie darauf, ob entsprechende Siegel vorhanden sind, etwa der „Blaue Engel“ für umweltverträgliche Produkte und Dienstleistungen oder FSC für die Förderung einer umweltfreundlichen Bewirtschaftung von Wäldern.

Dem Klimaschutz und damit auch Ihrem Gesundheitsschutz können Sie aber auch im Alltag helfen. Fragen Sie bei Ihrem Arzt nach Möglichkeiten der Telemedizin, fahren Sie mit dem Rad zur Praxis und werfen Sie Ihre abgelaufenen Medikamenten in den Hausmüll.

Bei der großen Herausforderung des Klimawandels sind auch kleine Schritte wirksam.

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Literatur und weiterführende Informationen