Eine junge Frau sitzt mit einem Skateboard auf einer Wiese und schaut bedrückt
Gesunde digitale Gesellschaft

Barmer Jugendumfrage: Cybermobbing weiter wachsende Gesundheitsgefahr

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Barmer

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Gefahr erkannt, Gefahr gebannt? Das trifft bei Cybermobbing (häufig auch cyber mobbing oder Cyber-Mobbing geschrieben) leider nicht zu. Im Gegenteil: das Problem intensiviert sich derzeit sogar weiter.

Bereits seit einigen Jahren ist klar erkennbar, dass die Digitalisierung des Alltagslebens, bei allem Positiven, auch erhebliche Schattenseiten mit sich bringen kann.
Für unser menschliches Mit- und Gegeneinander eröffnen sich zahllose neue Möglichkeiten, und diese beinhalten leider auch digitale Aggression und Gewalt.

Beim Thema Cybermobbing ist festzustellen, dass es bisher nicht gelingt, das Auftreten des Problems einzudämmen, und auch nicht, alle davon Betroffenen mit der erforderlichen Unterstützung zu versorgen.

Cybermobbing ist zu einer bedeutenden Gesundheitsgefahr geworden. Wenn wir eine verantwortungsvolle und gesunde Digitalisierung befürworten und vorantreiben, müssen wir uns dem Problem daher stellen und alles Erforderliche tun, um Cybermobbing und seine Folgen einzudämmen.

Was ist Cybermobbing? Die Barmer bietet Tipps zum Umgang mit Cybermobbing und gibt einen Überblick über die Anlaufstellen, die helfen können.

Barmer-Forschung zeigt: Cybermobbing-Thema im Jugendalltag auch 2024/25 weiter zunehmend

Um erfolgreich gegen Cybermobbing vorzugehen, sind aktuelle und präzise Informationen über die Verbreitung von Cybermobbing unerlässlich. Deshalb hat die Barmer auch dieses Jahr wieder gemeinsam mit dem SINUS Institut in der jährlichen Barmer Jugendstudie mit über 2.000 Jugendlichen repräsentativ erforscht, wie die aktuelle Situation ist und in welche Richtung die Entwicklung seit letztem Jahr weist.

Das Hauptergebnis der Umfrage: Die Verbreitung von Erfahrungen rund um Cybermobbing ist ein weiteres Mal gestiegen, obwohl sie bereits in den zwei Jahren zuvor deutlich angestiegen war. Dabei scheint unter Jugendlichen aber auch das Problembewusstsein leicht angestiegen zu sein: der Anteil derjenigen, die keine Angabe zu ihrer Betroffenheit machen konnten, ist weiter gesunken. 

Der Nutzen von Gegenmaßnahmen wurde 2024 nicht abgefragt. 2023 war er wieder besser bewertet worden als 2022, die meisten Einschätzungen ähnelten denen von 2021. Den größten Nutzen sehen Jugendliche darin, dass Eltern Verständnis haben und Rückhalt bieten. Den zweitgrößten Nutzen sehen sie darin, dass Freundinnen und Freunde offen zu dem gemobbten stehen, hier gab es den größten Anstieg von acht Prozentpunkten.

Ob als Täter, Opfer oder Beobachter haben mit 62% weit über die Hälfte der Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren in Deutschland Erfahrungen mit Cybermobbing (2023: 61 Prozent, 2022: 59 Prozent, 2021: 51 Prozent). Einige kennen das Thema sogar aus zwei oder drei dieser Perspektiven, waren also zum Beispiel schon Opfer und auch Täter. Wie in den beiden Vorjahren: sechzehn Prozent der Befragten berichten, selbst von Cybermobbing betroffen gewesen zu sein - 2021 waren es noch vierzehn Prozent gewesen.

Dabei sind Mädchen (19 Prozent) nach wie vor deutlich häufiger Opfer von Mobbing im Cyberraum als Jungen (12 Prozent). 

Selbst gemobbt zu haben gestehen fünf Prozent ein, im Vorjahr waren es vier Prozent. 

Bei hohem Bildungsgrad liegen die Zahlen sowohl für die Opfer- als auch für die Täterrolle deutlich niedriger als bei formal niedrigem oder mittleren Bildungsgrad.

Zu diesen Ergebnissen sagt Prof. Dr. Straub, Vorstandsvorsitzender der Barmer: „Cyber-Mobbing ist für Jugendliche eine erhebliche Gefahr, da es tiefgreifende psychische und soziale Auswirkungen haben kann. Betroffene leiden häufig unter Stress, Angst und vermindertem Selbstwertgefühl, was im schlimmsten Fall zu Depressionen oder sogar Suizidgedanken führen kann“.

Die Barmer fordert angesichts der anhaltend bedrückenden Zahlen neben einem Ausbau der Versorgung mit Hilfe eine Intensivierung der präventiven Anstrengungen. 

Hier die vollständige Sinus-Jugendumfrage 2023-2024 der BARMER mit den Themen 
- Zukunftsoptimismus & Lebenszufriedenheit
- Cybermobbing
- Klimawandel und Gesundheit
- Künstliche Intelligenz
im barrierefreien PDF lesen:

Sinus Jugendstudie 2023/24

Wo findet Cybermobbing statt?

Eindeutiger Spitzenreiter unter den Cybermobbing-Kanälen ist weiterhin unangefochten WhatsApp. Fünf von zehn Jugendlichen, die Cybermobbing entweder mitbekommen haben oder selbst betroffen oder beteiligt waren, berichten, dass dies auf WhatsApp geschehen ist. Doch immerhin ist dieser Anteil nun schon im dritten Jahr in Folge gesunken. 

Ein massiver Anstieg von 34 Prozent im Vorjahr auf jetzt 43 Prozent ist auf TikTok zu beobachten. Die Anteile auf Instagram (38 Prozent) und (Snapchat 27 Prozent) waren im Vorjahr leicht gefallen, sind jetzt aber wieder gestiegen.

Facebook hatte insgesamt in den letzten vier Jahren eine positive Tendenz und ist von 25 Prozent in 2021 auf nur noch 13 Prozent in 2024/25 gefallen. Hier gibt es jedoch Grund zur Sorge, dass die Anfang 2025 veränderte Unternehmenspolitik des Meta-Konzerns eine ungünstige Trendwende verursachen könnte. Diese könnte dann ebenfalls Instagram betreffen und schlimmstenfalls auf weitere Portale abfärben.

Was passiert beim Cybermobbing?

Die Verteilung der Arten von Cybermobbing ist seit vier Jahren bemerkenswert stabil. Die sehr große Mehrheit der von Cybermobbing betroffenen Jugendlichen ist Beleidigungen ausgesetzt gewesen: Mehr als sieben von zehn Betroffenen berichten das. Über die Hälfte (52 Prozent) hat es erlebt, dass Gerüchte über sie in die Welt gesetzt wurden. Das ist Mädchen weit häufiger passiert als Jungen. Etwa drei von zehn betroffenen Jugendlichen haben jeweils erlebt, belästigt oder durch peinliche Bilder oder Videos beschämt zu werden.

Dazu sagt Lukas Pohland vom Cybermobbing-Hilfe e. V.: „Es ist erschreckend, wie vielfältig Cybermobbing ist. Die beobachteten Arten führen die Brutalität der digitalen Angriffe vor Augen. Die Studie belegt, was technische Funktionalitäten alles möglich machen können. So ist insbesondere das Posten von peinlichen Videos oder Bildern auf einem Höchststand.“

23 Prozent mussten damit fertig werden, dass vertrauliche Informationen preisgegeben wurden, 12 Prozent erlebten Stalking und nur noch 7 Prozent, seit vier Jahren kontinuierlich rückläufig, erlebten Identitäts- bzw.-beziehungsweise Passwortklau.

Wohin wenden Jugendliche sich, wenn sie Cybermobbing erleben?

Seit 2021 pendelt der Anteil der Jugendlichen, die, wenn sie selbst im Internet gemobbt werden oder dort Mobbing mitbekommen, „es ignorieren“ oder „versuchen es selbst zu lösen“ zwischen 23 und 31 Prozent. Hier gibt es aus Expertensicht weiterhin klaren Handlungsbedarf. „Zu wenige der Befragten würden sich bei einer Betroffenheit Hilfe suchen. Es zeigt, dass die Jugendlichen Angst davor haben, sich Unterstützung zu suchen“.

Etwa sieben von zehn Jugendlichen bezeichnen ihre Eltern als Anlaufstelle, wenn man Cybermobbing erlebt. Mehr als neun von zehn sagen (Wert von 2023), dass es hilft, wenn die Eltern Verständnis haben und Rückhalt geben. Mehr als vier von zehn Jugendlichen (davon deutlich mehr Mädchen als Jungen) wenden sich an ihre Freundinnen und Freunde. Fast neun von zehn sagen (2023), dass es hilft, wenn diese solidarisch zu dem Gemobbten stehen.

Zweiundzwanzig Prozent (Vorjahre zwischen 24 und 21 Prozent) würden sich Lehrerinnen oder Lehrern anvertrauen. Neunzehn Prozent (Vorjahr 17 Prozent) würden sich an die Polizei wenden. Sehr viel seltener scheint es naheliegend, die Schulleitung anzusprechen (zwölf Prozent) und noch seltener, Psychologen (sieben Prozent) oder Beratungsstellen (sechs Prozent) anzusteuern.

Was hilft Jugendlichen, wenn sie Cybermobbing erlebt haben?

Die befragten Jugendlichen, die selbst schon einmal Opfer von Cybermobbing waren, haben tatsächlich nur noch etwa zu 54 Prozent von den Eltern (Vorjahr: 68 Prozent), zu 30 Prozent von Freunden und zu fünfzehn Prozent von Lehrerinnen und Lehrern Hilfe bekommen. Psychologinnen (stabil zehn Prozent) und Polizei (noch sechs Prozent, Vorjahr neun Prozent) waren ebenfalls wichtige Akteure auf stabilem Niveau.

Selbsthilfegruppen im Internet schwanken zwischen sechs (2021) und derzeit zwei Prozent und Online-Beratungsangebote zwischen zwei und drei Prozent der Betroffenen. 

Dramatisch gestiegen ist ausgerechnet der Anteil derer, die sagen: „Mir hat niemand geholfen“. Dieser Wert ist von 15 auf 25 Prozent hochgeschnellt, ein inakzeptabel hoher Anteil und beunruhigender Trend. 

Hier sieht Pohland die Schulen in der Pflicht: „Cybermobbing findet vor allem aus dem Schulkontext heraus statt. Fünfundzwanzig Prozent der Befragten gaben sogar an, dass ihnen gar nicht geholfen wurde. Die Studie führt vor Augen, dass das schulische Cybermobbing-Management dringend überarbeitet werden muss“.

Dazu passt, dass 2023 sechs von zehn Befragten sagen, dass das Thema noch viel intensiver in der Schule behandelt werden sollte. 

Aus diesen Gründen wurde im Winter 2022/23 zum zweiten Mal auch eine subjektive Bewertung der schulischen Maßnahmen gegen Cybermobbing erfragt. Immerhin: die Bewertungen „sehr hilfreich“ und „eher hilfreich“ waren jeweils um drei Prozentpunkte gestiegen und kamen zusammen auf 37 Prozent. Die Antwort „Keine Maßnahmen bekannt“ war um drei Prozentpunkte gesunken. Häufigste Antwort war jedoch nach wie vor „Weniger hilfreich“ mit 33 Prozent. 

Alles in allem bestätigt die vierte Erhebungswelle der Barmer Sinus-Jugendumfrage-Reihe, dass Cybermobbing nicht nur eine akute, sondern leider auch eine chronische Herausforderung der digitalen Gesellschaft ist. Das erste Etappenziel muss jetzt sein, den negativen Trend zu stoppen, zumindest einen graduellen Rückgang von Cybermobbing zu bewirken und vor allem Betroffene deutlich besser mit geeigneten Hilfsangeboten zu erreichen. 

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