Kann man mit Musik konzentrierter arbeiten und pauken? Welche Stücke funktionieren dabei am besten? Über Mythen, Musiktipps und den Mozart-Effekt.
Wer sich konzentrieren will, der braucht Ruhe. Kein Gequatsche von anderen Menschen, kein Großraumbüro, keinen Verkehrslärm oder singende, streitende und sich versöhnende Nachbarn. Und erst recht keine Musik, die nur vom Lernstoff ablenkt. Halt, Stopp.
Die ersten Beispiele mögen vielleicht stimmen. Aber die These, dass Musik die Konzentration stört und Lernen mit Musik unproduktiv sei, ist eine weit verbreitete These, zu der Forscherinnen und Forscher in den letzten Jahren gezeigt haben, dass es der Zusammenhang durchaus komplexer ist. Denn: Tatsächlich kann Musikhören beim Lernen helfen.
Hilft Musik beim Lernen und konzentrierten Arbeiten?
Ein Musikwissenschaftler, der diese Frage untersucht hat, ist Günther Rötter. Er studierte einst Schulmusik und Erziehungswissenschaft, promovierte, habilitierte und ist heute Professor für Musikwissenschaft an der Technischen Universität Dortmund. „Die landläufige Meinung ist ja, dass Kinder bei Schularbeiten keine Musik hören dürfen, weil sie das ablenkt und sie sich nicht konzentrieren können“, sagt Rötter. „Wir haben das untersucht und konnten zeigen, dass das so nicht stimmt.“
Vor knapp zehn Jahren hat Rötter mit Kollegen dazu der zehnten Klasse einer Gesamtschule einen Konzentrationstest vorgelegt. Während die Kinder die Aufgaben lösten, hörten sie ihre selbst mitgebrachte Lieblingsmusik. Die Lautstärke durften sie dabei selbst bestimmen. Laut Studienbeschreibung entschieden sich die meisten Kinder für eine „erhebliche“ Lautstärke, sodass „die Musik der meisten Jugendlichen während der Versuchsdurchführung im Klassenraum außerhalb des Kopfhörers wahrzunehmen“ war.
Und trotzdem schnitten die Kinder im Test nicht schlechter ab als eine andere Gruppe, die dieselben Aufgaben löste, ohne dabei Musik zu hören. 84 bis 87 Prozent der Kinder gaben außerdem in einer Eingangsbefragung an, dass sie beim Erledigen der Hausaufgaben auch zuhause regelmäßig Musik hörten.
„Wir hatten nicht erwartet, dass Kinder mit Musik genauso gut abschnitten“, sagt Rötter heute. „Wir hatten gedacht, dass das nicht sein kann und haben die Studie insgesamt vier Mal wiederholt, bevor wir irgendwas dazu veröffentlicht haben.“ Tatsächlich habe es daraufhin einige empörte Meldungen von Erziehungsverbänden und besorgten Eltern gegeben, die meinten, dass das doch nicht sein könne. „Es war aber so“, sagt Rötter. „Wenn sich ein Schüler also wohler fühlt, wenn er beim Lernen Musik hört, dann soll er das auch machen.“
Was ist der Mozart-Effekt?
Dass Musik einen Einfluss auf die kognitive Leistung haben kann, wird schon länger diskutiert. Vor allem klassische Stücke und insbesondere Mozarts Sonate für zwei Klaviere in D-Dur standen lange unter Verdacht einen förderlichen Effekt zu haben. Im Jahr 1993 zeigte eine Studie, dass jene Studenten in einem Intelligenztest besser abschnitten, die vor dem Test zehn Minuten lang Mozarts Sonate lauschten, als solche, die Entspannungsmusik oder gar nichts hörten.
Die Studienergebnisse wurden zu „Mozart hören macht intelligent“ verknappt und erlangten binnen kürzester Zeit weltweite Berühmtheit als Mozart-Effekt. Die Umsätze für Schallplattenkäufe des österreichischen Komponisten stiegen rasant an.
„Dann aber haben Forscher versucht, die Ergebnisse zu wiederholen und es hat mehrfach nicht geklappt“, sagt Rötter. „Trotzdem hatte der Mozart-Effekt auch eine Reihe bildungspolitischer Folgen. Überall in den Bildungsministerien wurde daran gearbeitet, den Musikunterricht zu stärken. Das war schon eine gute Sache.“ In Nordrhein-Westfalen sei daraus etwa die Initiative „Jedem Kind ein Instrument“ entstanden, deren Ziel es ist, dass jedes Kind im Laufe der Grundschule ein Instrument seiner Wahl lernen kann.
„Diese vielen positiven musikpädagogischen Folgen haben vielleicht auch dazu beigetragen, dass viele Wissenschaftler den Mozart-Effekt gar nicht so laut kritisiert haben, wie sie es ohne seine Auswirkungen getan hätten“, sagt Rötter. „Und die positiven Effekte von Musikunterricht gibt es auch unabhängig vom Mozart-Effekt. Da verbessert sich zum Beispiel das Sozialverhalten in Klassen.“