Eine Frau in Jeans steht auf einer Waage
Medikamente

Diabetes-Medikamente zum Abnehmen: Gehypt und problematisch

Lesedauer unter 7 Minuten

Redaktion

  • Oliver Treubel (Medical Writer, Content Fleet GmbH)

Qualitätssicherung

  • Margarethe Zinser (Apothekerin)
  • Heidi Günther (Apothekerin bei der Barmer)

Ein Medikament, das den Appetit reduziert und endlich effektiv beim Abnehmen hilft? Dieser Wunsch existiert mindestens so lange, wie es Übergewicht gibt. Daher verwundert es nicht, dass in Zeiten von Social Media neue Medikamente mit einem (potenziell) gewichtsreduzierenden Effekt sofort riesiges Interesse wecken.

In den sozialen Medien werden aktuell „Diabetes-Medikamente zum Abnehmen“ gehypt. Konkret sind es vor allem die Wirkstoffe Semaglutid (Handelsname Ozempic®) und Dulaglutid (Handelsname Trulicity®) – sogenannte GLP-1-Rezeptoragonisten, die ursprünglich für die Behandlung des Typ-2-Diabetes entwickelt wurden – und nicht als Diät-Medikament, auch wenn sie in der Lage sind, das Körpergewicht zu reduzieren. Wer diese und ähnliche Substanzen unbedacht als „Diät-Medikamente“ oder „Spritzen zum Abnehmen“ nimmt, riskiert viele ungewollte Nebenwirkungen.

Diabetes-Medikamente zum Abnehmen: Hype mit Nebenwirkungen

Der gewichtsreduzierende Effekt eines Medikaments spricht sich sehr schnell herum. Gibt man etwa bei TikTok den Hashtag #ozempic ein, erhält man umgehend Vorschläge für Videos mit millionenfachen Views. Beim Hashtag #trulicity sieht es nicht viel anders aus. Die Überschriften der Videos gehen meist in diese Richtung: „Wie du in wenigen Wochen abnimmst“, „5 Kilo in 3 Tagen“, „So habe ich abgenommen“.

Immer wieder aber reihen sich dazwischen Videos ein, die eine ganz andere Sprache sprechen. Dort ist von teils gravierenden Nebenwirkungen die Rede – oft verbunden mit dem eindringlichen Rat, die Finger von diesen Wirkstoffen und Spritzen als „Diät-Medikamente“ zu lassen. 

Off-Label-Einsatz laut Expertin mit Risiken verbunden

Auch Expertinnen und Experten sehen den aktuellen Trend „Diabetes-Medikamente zum Abnehmen“ mehr als kritisch. Barmer-Apothekerin Heidi Günther warnt generell vor der Anwendung der GLP-1-Rezeptoragonisten zur schnellen Gewichtsreduktion, wenn kein krankhaftes Übergewicht besteht: „Es ist immer mit Risiken verbunden, Medikamente nicht indikationsbezogen einzusetzen. Aber auch bei einer Zulassung zur Gewichtsreduktion, ist diese bei den GLP-1-Rezeptoragonisten nicht von Dauer. Der Effekt verschwindet, sobald das Medikament nicht mehr gespritzt wird und keine weiteren begleitenden Maßnahmen wie Diät und Bewegung erfolgen. Die Nebenwirkungen können dagegen zu lebenslangen Begleitern werden.“  

Denn selbst wenn man GLP-1-Rezeptoragonisten so einsetzt und dosiert, wie vom Arzt oder von der Ärztin verordnet, kann es zu breit gefächerten Nebenwirkungen kommen:

  • Übelkeit
  • Erbrechen
  • Durchfall
  • Bauchschmerzen
  • Verstopfung
  • Schwindel
  • Geschmacksstörungen

Auch schwere und lebensbedrohliche Nebenwirkungen möglich

Darüber hinaus können auch schwere und sogar lebensbedrohliche Nebenwirkungen wie eine Bauchspeicheldrüsenentzündung und schwere allergische Reaktionen auftreten. Derzeit wird untersucht, ob ein Zusammenhang zwischen Semaglutid und dem Auftreten von Schilddrüsenkrebs besteht. „Wenn in der Familie Fälle von Schilddrüsenkrebs bekannt sind oder die Patientin beziehungsweise der Patient selber daran erkrankt ist, sollte eine Anwendung mit Bedacht erfolgen, bis sichere Ergebnisse vorliegen“, erklärt BARMER-Apothekerin Günther.

Warum Sie Medikamente nur bei seriösen Anbietern kaufen sollten

Besonders gefährlich wird es dann, wenn sich Abnehmwillige nach Suchmaschinenanfragen wie „ozempic ohne rezept“, „trulicity ohne rezept“ oder „diabetes medikament abnehmen“ die Medikamente ohne ärztliches Rezept irgendwo im Internet besorgen. Es tummeln sich zahlreiche unseriöse Anbieter im Netz, die gefälschte Arzneimittel anbieten. Hier sind Nebenwirkungen natürlich völlig unkalkulierbar.

GLP-1-Rezeptoragonisten: Wie wirken sie und wofür sind sie gedacht?

GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Dulaglutid sind synthetisch (künstlich) hergestellte Stoffe, die wie das körpereigene Darmhormon GLP-1 an die GLP-1-Rezeptoren der Bauchspeicheldrüse binden. Dadurch können diese Substanzen dieselben Körpervorgänge anstoßen wie das natürliche Hormon GLP-1:

  • die Abgabe des blutzuckerregulierenden Hormons Insulin aus der Bauchspeicheldrüse in den Blutkreislauf
  • die Drosselung der Magenentleerung 

Der Effekt: Man fühlt sich länger satt. Auch Heißhungerattacken werden dadurch unwahrscheinlicher.

Wegen ihrer Wirkung im Körper helfen bestimmte Diabetes-Medikamente beim Abnehmen – allerdings nur, solange man sie spritzt. Außerdem können Nebenwirkungen auftreten.

Wegen ihrer Wirkung im Körper helfen bestimmte Diabetes-Medikamente beim Abnehmen – allerdings nur, solange man sie spritzt. Außerdem können Nebenwirkungen auftreten.

Zulassung für Diabetes Typ 2

Bei Menschen mit Typ-2-Diabetes ist der Blutzuckerspiegel dauerhaft erhöht, weil die Körperzellen den Blutzucker (Glukose) nicht mehr ausreichend aufnehmen. In der Fachsprache spricht man hier von Insulinresistenz.

Gefördert wird diese Insulinresistenz durch Übergewicht, insbesondere durch zu viel Viszeralfett, das sich im Bauchraum befindet und die inneren Organe umgibt. Im weiteren Verlauf der Erkrankung kann sich insbesondere bei Diabetes-Patientinnen und -Patienten mit Übergewicht ein Insulinmangel einstellen, weil die Bauchspeicheldrüse nicht mehr genug Insulin produzieren kann. 

Was ist bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes besonders effektiv?

Die Gewichtsreduktion gehört bei deutlich übergewichtigen Menschen mit Typ-2-Diabetes zu den wirksamsten nicht medikamentösen Behandlungsmaßnahmen. Die passende Kalorienzufuhr und ein aktiver Lebensstil helfen beim gesunden Abnehmen.

GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid und Dulaglutid tragen zur Senkung des Blutzuckerspiegels bei und fördern eine Gewichtsabnahme.

Für Semaglutid beispielsweise haben das fünf Studien mit insgesamt über 4.000 Teilnehmenden aufzeigen können. Weil GLP-1-Rezeptoragonisten zudem ein geringeres Risiko für eine Unterzuckerung (Hypoglykämie) mit sich bringen als andere bei Diabetes eingesetzte Medikamente, sind inzwischen verschiedene Vertreter der GLP-1-Rezeptoragonisten in den USA und der Europäischen Union für die Therapie des Typ-2-Diabetes zugelassen worden. 

Heute stellen GLP-1-Rezeptoragonisten eine zusätzliche Möglichkeit in der Therapie des Typ-2-Diabetes dar, etwa dann, wenn Metformin – die erste Wahl für die medikamentöse Behandlung bei Typ-2-Diabetes – nicht vertragen wird. 

Zulassung für Adipositas

Der gewichtsreduzierende Effekt der GLP-1-Rezeptoragonisten beschränkt sich derweil nicht auf Patientinnen und Patienten mit Typ-2-Diabetes. Er kann aus medizinischer Sicht auch bei Menschen mit krankhaftem Übergewicht (Adipositas) genutzt werden, um eine dringend erforderliche Gewichtsabnahme zu unterstützen – immer jedoch zusätzlich zu den essenziellen Maßnahmen Ernährungsumstellung und Bewegung

Führen diese Maßnahmen zusammengenommen zum gewünschten Therapieerfolg, kann mitunter eine risikobehaftete Magenoperation als letzte Option vermieden werden. Deshalb können GLP-1-Rezeptoragonisten in der Adipositas-Therapie eine Chance darstellen.

Der Wirkstoff Semaglutid ist in den USA und der Europäischen Union inzwischen zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas zugelassen. Unter dem Handelsnamen Wegovy® ist Semaglutid im „Union Register of medicinal products for human use“ der Europäischen Union angezeigt zur Behandlung von Adipositas mit einem BMI ab 30 sowie bei einem BMI ab 27, wenn mindestens eine gewichtsbedingte Begleiterkrankung wie etwa Typ-2-Diabetes vorliegt.

Aber: Trotz der erfolgten EU-Zulassung Anfang 2022, wurde Wegovy® erst am 15.07.2023 in den deutschen Markt eingeführt. Beim bereits seit 2015 für die Adipositas-Therapie zugelassenen GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid (Saxenda®) gab es im ersten Halbjahr 2023 einen Engpass.

Eine Verordnung von Wegovy® und Saxenda® auf Kassenrezept ist trotz Zulassung allerdings nicht möglich, da sie zu den Lifestyle-Arzneimitteln zählen. Der Gesetzgeber hat Arzneimittel zur Abmagerung, zur Zügelung des Appetits und zur Regulierung des Körpergewichts von der Versorgung ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat das Nähere zu diesem gesetzlichen Verordnungsausschluss in der Arzneimittel-Richtlinie geregelt.

Engpässe bei der Versorgung von Patientinnen und Patienten

Ob Ozempic® ohne Rezept oder Trulicity® ohne Rezept: Die missbräuchliche Anwendung von GLP-1-Rezeptoragonisten als „Diabetes-Medikamente zum Abnehmen“ ist nicht nur ein potenzielles Problem für die Anwenderinnen und Anwender selbst, sondern ein zunehmendes Problem für die Patientenversorgung bei Typ-2-Diabetes. 

Der durch Social Media angeheizte Ansturm auf Medikamente wie Ozempic®, Trulicity® und weitere GLP-1-Rezeptoragonisten gefährdet zunehmend die Verfügbarkeit dieser Arzneimittel für die eigentlichen Zielgruppen: für Menschen mit Typ-2-Diabetes zuvorderst, aber auch – nach der Markteinführung von Wegovy® – für Menschen mit einem krankmachenden, also behandlungsbedürftigen starken Übergewicht (Adipositas).

Tatsächlich zeigt ein Blick ins Internet, dass Ozempic® und Trulicity® bei vielen Online-Apotheken derzeit entweder nur stark eingeschränkt oder gar nicht verfügbar sind. Sogar der Hersteller von Ozempic® schreibt in einem Informationsschreiben für Ärztinnen und Ärzte vom März 2023: „Jedes andere Anwendungsgebiet, inklusive Gewichtsregulierung, stellt eine off-label Anwendung dar und kann aktuell die Verfügbarkeit von Ozempic® für Menschen mit Typ 2 Diabetes gefährden.“ 

Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) warnt ausdrücklich vor einem nicht indikationsbezogenen Einsatz von Ozempic® und Trulicity®. Konkret schreibt das Bundesinstitut: „Eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen ist zulasten der GKV grundsätzlich nicht zulässig. Die Verordnung der in Rede stehenden Arzneimittel soll daher auf Nicht-GKV Rezepten/Verordnungen im ambulanten Bereich ab sofort nur noch unter Angabe einer zugelassenen Indikation erfolgen.“ 

Das bedeutet umgekehrt: Fehlt die Angabe der Indikation auf dem Rezept, soll die Apotheke hierzu Rücksprache mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt halten.

Wie Sie ein gesundes Gewicht erreichen und halten können

Wer Normalgewicht hat oder Übergewicht aktiv reduziert, tut bereits sehr viel für die eigene Gesundheit. Auch das Selbstbewusstsein kann davon profitieren, wenn man sich in seinem Körper wohlfühlt und dauerhaft ein gesundes Gewicht halten kann. 

Crash-Diäten oder „Diabetes-Medikamente zum Abnehmen“ versprechen zwar kurzfristige Abnehmerfolge, können der Gesundheit jedoch eher schaden. 

Mit der richtigen Kombination aus einer abwechslungsreichen, ausgewogenen Ernährung und vernünftig dosierter Bewegung können Sie Ihr Körpergewicht nachhaltig und gesund reduzieren – ohne extremen Verzicht.

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Ebenso wichtig (und oft vernachlässigt) sind guter Schlaf und ein gelassener Geist. Denn Übergewicht wird häufig zu einem guten Teil durch eine qualitativ schlechte Nachtruhe und durch Stress im Alltag gefördert. 

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