Portrait Marek Rydzewski
Zukunft des Gesundheitswesens

Digitale Identität: Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit entscheiden über den Erfolg

Lesedauer unter 5 Minuten

Autor

  • Marek Rydzewski (Chief Digital Officer der Barmer)

Die gesetzlichen Krankenkassen sind verpflichtet, ihren Versicherten künftig eine digitale Identität anzubieten, so steht es im Gesetz. Im Prinzip handelt es sich dabei um die Kombination aus Personalausweis und Gesundheitskarte in digitaler Form. Abgelegt wird diese digitale Identität auf dem eigenen Smartphone in einem geschützten Speicherbereich, der sogenannten ID-Wallet. Damit schaffen wir einen universellen und sicheren Zugang zur digitalen Gesundheitswelt. In Zukunft soll die digitale Identität eine vollwertige Alternative zur bisherigen Gesundheitskarte werden. Versicherte können sich damit dann auch bei Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten oder beim Einlösen von Rezepten ausweisen. Damit die digitale Identität ein Erfolg wird und möglichst vielen Menschen den Zugang zu digitalen Gesundheitsleistungen ermöglicht, müssen wir eine gute Balance zwischen Sicherheit und Nutzerfreundlichkeit finden. Wir brauchen eine einfach bedienbare Lösung und einen klar erkennbaren Nutzen für Versicherte durch attraktive Services, die sich mit der digitalen Identität nutzen lassen.

Berlin, November 2022 – Digitale Lösungen gewinnen zunehmend Gewicht in der deutschen Gesundheitsversorgung. In den letzten Jahren ist das Angebot an Videosprechstunden deutlich gewachsen, Gesundheitsapps können heute auf Rezept verschrieben werden und die gesetzlichen Krankenkassen bieten seit 2021 eine elektronische Patientenakte an. Auch die Nutzung der digitalen Angebote durch Versicherte steigt kontinuierlich.

Stilisierte Darstellung: Fingerabdruck auf einem Microchip

Kombination aus Personalausweis und Gesundheitskarte

Allerdings fehlt bisher ein einfacher und universeller Zugang. In der analogen Gesundheitswelt erhalten Versicherte über ihre elektronische Gesundheitskarte (eGK) Zugang zu allen benötigten Leistungen – egal ob es um die Sprechstunde in der Arztpraxis, das Einlösen eines Rezeptes in der Apotheke oder den Physiotherapietermin geht. Für die digitale Gesundheitswelt existieren bisher nur Übergangslösungen, die aus Sicht der Versicherten oft nur umständlich einsetzbar sind.

Bei der Arbeit mit Sozialdaten muss Missbrauch ausgeschlossen sein

Wenn wir mit unseren Versicherten digital über ihre persönlichen Anliegen kommunizieren möchten, brauchen wir einen besonders geschützten Raum. Aus Sicht vieler Menschen ist jedoch die E-Mail der einfachste und bequemste Weg. Wir erhalten viele E-Mails, die sensible Sozialdaten enthalten: Versicherte wollen bei uns einen Nachweis einreichen, haben eine Nachfrage zum Bearbeitungsstatus ihres Anliegens oder wollen sich zu einer Leistung informieren. Wir als Krankenkasse dürfen aber nicht auf diesem Weg antworten. Das Risiko könnte zu hoch sein, dass es zu einem Missbrauch kommt und nicht der Mensch die E-Mail empfängt, für den sie bestimmt ist, sondern eine andere Person.

Geht es konkret um den Austausch zwischen Versicherten und Krankenkasse, lässt sich dieses Problem über ein digitales Benutzerkonto lösen.

Mehr als zwei Millionen Barmer-Versicherte besitzen ein solches Konto und können damit zahlreiche digitale Services nutzen, etwa Online-Anträge ausfüllen, Nachweise digital einreichen oder den Bearbeitungsstatus ihres Anliegens prüfen. Über ein spezielles Postfach, das mit dem Benutzerkonto verknüpft ist, können sie auch persönliche Daten an uns schicken, und wir können auf dem gleichen Weg antworten.

Die digitale Identität schafft einen universellen Zugang zur digitalen Gesundheitswelt

Um die elektronische Patientenakte (ePA) nutzen zu können, also die Ablage für medizinische Informationen, auf die dann beispielsweise auch Arztpraxen oder Krankenhäuser zugreifen können, müssen Versicherte heute ein zusätzliches Identifizierungsverfahren für ihr Benutzerkonto durchlaufen. Mit diesem sicheren und eindeutig identifizierten Konto haben sie dann Zugriff auf ihre Patientenakte, aber sie können sich damit nicht in einer Arztpraxis ausweisen oder ein Rezept einlösen.

Zwei Frauen im Büro begrüßen sich mit Fäusten

Einheitlicher Zugang zu digitalen Gesundheitsleistungen

Das ändert sich für die Versicherten mit dem Anlegen ihrer digitalen Identität. Sie ermöglicht in Zukunft den einheitlichen Zugang zu verschiedenen Gesundheitsleistungen und Services: ein einziger komfortabler und sicherer Zugang zu ePA, Barmer-App oder digitalen Gesundheitsanwendungen von Drittanbietern. Künftig stellt diese digitale Identität dann auch eine vollwertige Alternative zur Gesundheitskarte dar, kann also direkt in der Arztpraxis oder Apotheke genutzt werden.

Geplant war die Einführung ab 2023. Im September 2022 hat das Bundeskabinett allerdings eine Verschiebung beschlossen: Krankenkassen sind nun voraussichtlich erst ab 2024 gesetzlich verpflichtet, eine digitale Identität anzubieten. Für Versicherte bleibt die Nutzung der digitalen Identität freiwillig.

Ohne Akzeptanz der Versicherten wird die Digitalisierung des Gesundheitswesens nicht gelingen

Das klingt nach einem wichtigen Schritt auf dem Weg zu einer besseren Versorgung und einem sicheren, digitalen und patientenfreundlichen Gesundheitswesen. In der Theorie ist das auch so, in der Praxis gibt es allerdings eine wesentliche Herausforderung: die Akzeptanz der Versicherten.

Wir sehen das bereits heute bei der elektronischen Patientenakte. Seit Januar 2021 bieten alle gesetzlichen Krankenkasse eine solche Akte an. Eineinhalb Jahre nach dem Start haben aber nur rund 0,5 Prozent der gesetzlich Versicherten eine solche Akte eingerichtet.

Der Grund: Gerade für gesunde Menschen hat die Akte zunächst vermeintlich kaum einen Nutzen, zugleich läuft der Anschluss von Arztpraxen schleppend, und der Funktionsumfang ist zunächst noch eingeschränkt. Das muss sich kurzfristig ändern! Auf der anderen Seite steht aber ein aufwändiges Aktivierungsverfahren und ein komplexes Berechtigungsmanagement. Die Hürde ist hoch, und viele Menschen sind schlicht überfordert, insbesondere jene mit geringer Digitalkompetenz.

Das darf sich bei der digitalen Identität nicht wiederholen. Wir bauen hier den langfristigen, universellen Zugang zur digitalen Gesundheitswelt und wir müssen ihn so diskriminierungsfrei gestalten wie nur möglich. In der kurz- und mittelfristigen Perspektive brauchen wir dafür auch weiterhin Brückenlösungen. Andernfalls schließen wir große Teile der Bevölkerung von digitalen Innovationen aus und vergrößern die digitale Kluft in der Gesellschaft. Ein besseres, effizientes und patientenorientiertes digitales Gesundheitswesen kann nur gelingen, wenn möglichst viele Menschen die digitalen Lösungen nutzen.

Die digitale Identität muss einfach nutzbar sein und spürbaren Mehrwert liefern

Ich halte es deshalb für enorm wichtig, dass wir bei der digitalen Identität ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Sicherheit, Nutzerfreundlichkeit und klar erkennbarem Mehrwert für die Menschen anstreben. Es muss auch ohne Informatikstudium möglich sein, eine digitale Identität einzurichten und für wichtige Gesundheitsanwendungen zu nutzen. Und die Versicherten müssen erleben, dass ihnen die neue Lösung den Alltag erleichtert.

Hier spielen wir als Krankenkasse eine wesentliche Rolle: Wir bieten die digitale Identität an und dementsprechend gestalten wir auch den Zugangsweg. Dabei bewegen wir uns in einem klar definierten Rahmen, den Gesetzgeber und Gematik setzen. Dieser Rahmen ist wichtig, um höchste Sicherheit und Interoperabilität zu gewährleisten.

Zugleich benötigen wir als Anbieter der digitalen Identität den nötigen Gestaltungsraum für nutzerfreundliche Lösungen. Und wir müssen gemeinsam mit Ärztinnen und Ärzten, Therapeutinnen und Therapeuten, Apotheken, Krankenhäusern und weiteren Gesundheitsakteuren daran arbeiten, die Vorteile digitaler Lösungen für Versicherte erlebbar zu machen.

Die Digitalisierung des Gesundheitswesens wird nur dann eine Erfolgsgeschichte werden, wenn wir gemeinsam an einem Strang ziehen und dabei die Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten in den Mittelpunkt stellen. 

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