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Gesunde digitale Gesellschaft

Barmer Sinus Jugendstudie 2023-2024: Was Jugendliche von Künstlicher Intelligenz für ihre Gesundheit und ihre berufliche Zukunft erwarten

Lesedauer unter 6 Minuten

Redaktion

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)

Qualitätssicherung

  • Falk Wellmann

Wie sehen Jugendliche das Thema künstliche Intelligenz? Was erwarten sie von KI für ihre eigene Zukunft, zum Beispiel beruflich und gesundheitlich? Die Ergebnisse unserer Studie zeigen, welche Berufe als nicht KI-gefährdet angesehen werden - und ob das Thema KI polarisiert. 

Lebensrevolution in Sicht? Oder doch "alles stabil"? 

Mehr und mehr wird uns bewusst, wie tiefgreifend künstliche Intelligenz das Leben verändern wird. Die enormen Fortschritte im Bereich der künstlichen Intelligenz werfen viele und weitreichende Fragen auf. Je mehr Lebensspanne wir noch vor uns haben, desto mehr digitalen Wandel werden wir noch miterleben. 

Deshalb haben wir Jugendliche gefragt: Wie präsent ist das Thema für sie? Was erwarten sie von KI für ihr Arbeitsleben und ihre Gesundheit? Welche Ansichten vertreten sie und was wünschen sie sich von den gesellschaftlichen Akteuren? 

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Man weiß überwiegend schon irgendwie Bescheid. Zumindest so grob. 

Natürlich kennen praktisch alle das Thema und den Begriff KI, er war schließlich lange genug ausgesprochen präsent in den Medien. Die meisten (64 Prozent) trauen sich sogar zu, erklären zu können, was künstliche Intelligenz ist. Wir haben es nicht überprüft. 31 Prozent haben den Begriff schon gehört, wissen "aber nicht so genau, was es ist". 

Auch eine Reihe von Anwendungen von KI ist einer Mehrheit bekannt. Dennoch fühlen sich 46 Prozent eher nicht oder gar nicht gut zum Thema informiert. Mehr als zwei Drittel sind an mehr Informationen zum Thema interessiert.

Hier das Gesamte Studienkapitel „Künstliche Intelligenz“ aus der aktuellen Sinus-Jugendumfrage der Barmer lesen:

Sinus Jugendstudie 2023/24

KI macht keine Angst

Obwohl die Befragten beim Thema KI also nicht unbeleckt sind: Künstliche Intelligenz spielt als Grund für Zukunftssorgen eine sehr untergeordnete Rolle: 17 Prozent der Befragten macht KI große Sorgen. Das ist weniger als bei allen 14 anderen abgefragten Sorgengründen. KI ist gewissermaßen das Sorgenschlusslicht der gesamten Studie. Große Sorgen wegen Kriegen oder Klimawandel sind fast dreimal so verbreitet. 

Nur vier Prozent empfinden das Thema als sehr bedrohlich. Dass Künstliche Intelligenz sich sehr negativ auf das eigene Leben auswirken würde, glauben nur zwei Prozent, dass es sich sehr negativ auf die Gesellschaft auswirken wird, glauben fünf Prozent.

Girls Day needed

Ein bedenkliches Ergebnis ist, dass Jungen derzeit einen gewissen KI-Vorsprung vor Mädchen zu haben scheinen. Sie haben in der Tendenz mehr Nutzungserfahrung, mehr Kenntnisse, mehr Interesse an weiteren Informationen zum Thema und mehr Zuversicht über die langfristigen Auswirkungen von KI. Diesem "AI Gender Divide" sollte frühzeitig entgegengewirkt werden, damit er sich nicht zu einer ernsthaften KI-bezogenen Chancenungleichheit auswächst. 

Digitale Gesundheitskompetenz erfordert beständiges Lernen. Umfassende Informationsangebote und Unterstützung für Schulen gibt es beim Barmer Präventionsangebot "Durchblickt!".

Berufliche Zuversicht sehr branchenabhängig

Vor dem Hintergrund der mehrheitlich positiven Grundhaltung ist es beachtlich, dass dennoch insgesamt 17 Prozent der Jugendlichen ihre eigenen beruflichen Ideen oder Pläne durch KI eher gefährdet (14 Prozent) oder sehr gefährdet (3 Prozent) sehen. 

In einzelnen Berufsrichtungen liegt diese Zahl deutlich über dem Durchschnitt. Wer die Berufsbereiche "Elektro" oder "Produktion" anstrebt, hat am meisten Respekt vor KI-Konkurrenz: 27 bzw. 24 Prozent sehen ihren Branchenwunsch als KI-gefährdet. Allerdings sind es auch nur acht beziehungsweise sechs Prozent, die diese Bereiche anvisieren. 

Am häufigsten wurde "IT, Computer" als Berufswunsch genannt (23 Prozent). Von diesen Befragten sehen 19 Prozent ihren Berufstraum als KI-bedroht. Das liegt unter allen Berufsfeldern hinsichtlich der KI-Bedrohung im unteren Mittelfeld. 

Gesundheit und Pflege als beruflicher Fels in der Brandung

Auf den Plätzen zwei und drei der häufigsten beruflichen Wünsche liegen "Soziales, Pädagogik" (21 Prozent) sowie "Gesundheit, Pflege" (17 Prozent). Bei diesen Branchen fühlt man sich vor KI beruflich erstaunlich sicher: Bei "Soziales, Pädagogik" sind es 15 Prozent, bei "Gesundheit, Pflege" sogar nur 12 Prozent, die befürchten, dass KI ihnen beruflich in die Quere kommen könnte. 

Damit ist "Gesundheit, Pflege" mit Abstand der Bereich, der als am wenigsten KI-bedroht eingeschätzt wird. Sogar die beruflich noch völlig Unentschiedenen (11 Prozent aller Befragten) machen sich mit 14 Prozent mehr Sorgen vor KI-Konkurrenz. 

KI braucht Grenzen: Jugend setzt auf klare Regeln

Erstaunlich ist, dass die vermeintlich freiheitsliebende Jugend beim Thema KI für klare Reglementierung votiert. 80 Prozent stimmen ganz genau oder eher zu, dass KI streng reglementiert werden sollte, um Risiken zu minimieren. 

Zwar versprechen sich 70 Prozent schnelleren medizinischen Fortschritt durch KI - doch für 91 Prozent muss das letzte Wort immer bei den Ärzten bleiben, auch wenn KI eine medizinische Entscheidung unterstützt. 

KI kann auch eingesetzt werden, um den Suchtfaktor von Angeboten gezielt zu steigern. Was man zum Beispiel zu Computerspielsucht wissen muss, lesen Sie hier. 

Geizig mit den eigenen Gesundheitsdaten - in der Theorie

Erstaunlich zurückhaltend gibt man sich mit den eigenen Gesundheitsdaten: Weniger als die Hälfte der Jugendlichen möchten sie für die Entwicklung und Optimierung von KI-Modellen zur Verfügung stellen. Wir können hier angesichts der bestehenden Social-Media-Nutzungskultur getrost davon ausgehen, dass dies ein Lippenbekenntnis ist. 

Apps, die Nutzerdaten zur Entwicklung von KI-Modellen verwenden, werden natürlich voraussichtlich trotzdem weitgehend ungebremst genutzt. Zumindest solange den Nutzenden die Datenaspekte nicht sehr deutlich bewusstgemacht werden. 

Ist die Jugend in Sachen KI gespalten? 

Was es nicht gibt ist eine Pro- und Kontra-Spaltung. Das wäre der Fall, wenn eine große Fraktion der Jugendlichen hauptsächlich Risiken, eine andere hauptsächlich Chancen sehen würde. Das zeigt sich in den Ergebnissen nicht. Stattdessen zeigt sich, dass die meisten eine ambivalente und moderate Einschätzung abgeben, wenn es um Chancen (55 Prozent Ambivalente) und um Risiken (62 Prozent Ambivalente) von KI geht. 

Wir haben die erwarteten Chancen und die erwarteten Risiken separat erfragt und hierbei eine Zehnerskala verwendet. Die Chancen werden dabei deutlich häufiger als groß eingeschätzt (von 41 Prozent) als die Risiken (von 31 Prozent). 

Gut ein Fünftel der Jugendlichen gibt sowohl bei den Chancen als auch bei den Risiken auf der Zehnerskala einen extremen Wert an, also 8, 9, 10 oder 1, 2, 3. Unter diesen Jugendlichen gibt es eine große Gruppe, die sowohl große Chancen als auch große Risiken durch KI sieht. Das sind 61 Prozent dieser Jugendlichen, also sechs von zehn. Nur etwas mehr als zwei von zehn (22 Prozent) sehen große Chancen und geringe Risiken. 13 Prozent sehen große Risiken und geringe Chancen, nur fünf Prozent sehen Chancen und Risiken als gering.

Ausblick und Fazit: Welt quo vadis?

KI ist ein Thema, bei dem niemand wirklich qualifiziert ist, den Jugendlichen Orientierung zu geben, weil die Gesellschaft selbst derzeit noch um Orientierung ringt. Ein Weltmarktführer, der seinen CEO hinauswirft und wenige Tage später wieder einstellt, ist dafür ein besonders drastisches Sinnbild. 

Digitalisierung und KI erfordern Regeln und Werte - davon sind wir bei der Barmer überzeugt. Um unserer digitalen Unternehmensverantwortung (Corporate Digital Responsibility) gerecht zu werden, haben wir uns auf acht digitale Werte verpflichtet

Tatsache ist, dass wir selbst nicht wirklich wissen, wie künstliche Intelligenz den Arbeitsmarkt und das Gesundheitswesen beeinflussen und verändern wird. Alles, was wir Erwachsenen den Jugendlichen anzubieten haben, ist das Versprechen, eine Welt mit künstlicher Intelligenz so verantwortungsbewusst und weitsichtig wie irgend möglich zu gestalten. Und dass wir die Jugend auf ihrem Entwicklungsweg in diese Welt hinein fürsorglich, verlässlich und engagiert begleiten.