Zwei kleine Jungs toben zuhause
Vorsorge und Früherkennung

Vorsorgeuntersuchungen für Kinder und Jugendliche: Entwicklungs-Check beim Kinderarzt

Lesedauer unter 10 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dr. med. Utta Petzold (Dermatologin & Allergologin bei der Barmer)

Solange ihr Nachwuchs im Baby- und Kindesalter ist, werden Eltern regelmäßig an die vorgeschriebenen Untersuchungen erinnert. Im Jugendalter sind Früherkennungs-Checks aber nicht weniger wichtig. Unser Ratgeber erklärt, wann welcher Check ansteht und wie Sie sich am besten darauf vorbereiten. Ein besonders Plus der Barmer: drei zusätzliche Vorsorgeuntersuchungen.

Jeder Mensch entwickelt sich in seinem ganz eigenen Tempo. Doch es gibt bestimmte Zeiträume, in denen wichtige Meilensteine, zum Beispiel die ersten Schritte oder die ersten Worte, zu erwarten sind. Die Untersuchungen bei der Ärztin oder beim Arzt, die chronologisch von U1 bis U9 bzw. J1 durchnummeriert sind, sollen aufdecken, ob die Entwicklung von Babys, Kindern und Jugendlichen altersgemäß verläuft oder ob vielleicht unterstützende Maßnahmen notwendig sind. ("U" steht dabei für "Untersuchung")

Kinder, die bei der Barmer versichert sind und am Kinder- und Jugend-Programm teilnehmen, können noch weitere Untersuchungen in Anspruch nehmen, die U10 + U11 sowie die J2. Die U10 findet von 7 bis 8 Jahren statt, die U11 von 9 bis 10 Jahren, die J2 von 16 bis 17 Jahren.

Eltern von Neugeborenen erhalten entweder in der Geburtsklinik oder von der Hebamme, die die Hausgeburt betreut hat, ein gelbes Kinderuntersuchungsheft. Darin ist für jede Untersuchung aufgelistet, wann sie stattfinden soll und welche Bereiche der Entwicklung jeweils im Fokus stehen. Mit Hilfe dieses Heftes können sich Eltern auch auf die anstehenden Untersuchungen vorbereiten. Lesen Sie sich am besten gut durch, was Sie zu dem jeweiligen Termin erwartet, und notieren Sie bereits vor dem Arztbesuch, welche Fragen Ihnen dabei durch den Kopf gehen. Dann können Sie sicher sein, dass Sie im Gespräch nichts vergessen.

Für jede U-Untersuchung gibt es ein Zeitfenster, in dem diese stattfinden muss. Falls sie erst später erfolgt als vorgesehen, müssen Eltern die Untersuchung als Individuelle Gesundheitsleistung (IGeL) selbst bezahlen. Bei den Untersuchungen beantworten die Ärztin oder der Arzt außerdem auch Fragen zum Thema "Impfen". Teilweise können die Impfungen zum gleichen Zeitpunkt wie die Untersuchungen durchgeführt werden. Für manche ist es aufgrund der empfohlenen Abstände zwischen zwei Impfungen jedoch notwendig, einen eigenen Termin zu vereinbaren.

Von der U1 bis zur U11: Alle Vorsorgeuntersuchungen im Überblick

U1: Check direkt nach der Geburt

Zeitpunkt: In den ersten 30 Lebensminuten

Direkt nach der Geburt müssen sich Kinder auf das Leben außerhalb des Mutterleibs umstellen. Ob das reibungslos funktioniert, überprüfen eine Hebamme oder die anwesende Gynäkologin oder der anwesende Gynäkologe idealerweise innerhalb der ersten 30 Lebensminuten.

Sie kontrollieren eine, fünf und zehn Minuten nach der Geburt die fünf APGAR-Merkmale:

  • Atmung
  • Puls
  • Grundtonus (Muskelspannung)
  • Aussehen (Hautfarbe) und
  • Reflexe

Für jedes dieser fünf Merkmale kann ein Wert zwischen null und zwei Punkten vergeben werden. Daraus ergibt sich ein höchstmöglicher Wert von zehn. Werte zwischen acht und zehn gelten als normal. Sobald die Nabelschnur durchtrennt ist, entnehmen Hebamme beziehungsweise Ärztin oder Arzt eine Blutprobe daraus und testen sie auf Übersäuerung. Dadurch erhalten sie Aufschluss darüber, ob und in welchem Ausmaß das Kind, während   der Geburt unter Sauerstoffmangel gelitten hat.

Außerdem untersuchen sie, ob das Neugeborene äußere Fehlbildungen, Geburtsverletzungen, Gelbsucht oder Wasseransammlungen aufweist, und beurteilen sämtliche Körperfunktionen, etwa den Herzschlag und die Lungenfunktion. Daneben müssen die neuen Erdenbürger gemessen und gewogen werden. Die beiden Werte Größe und Gewicht werden auch bei allen weiteren Untersuchungen ermittelt. Schließlich erhalten die Babys noch Tropfen mit Vitamin K, was das Risiko für innere Blutungen senkt.

In den ersten drei Lebenstagen können die Eltern zusätzlich zu diesem ersten Check-up noch weitere Früherkennungsuntersuchungen durchführen lassen, die ebenfalls standardmäßig von den Krankenkassen bezahlt werden. Dazu gehören das Pulsoxymetrie-Screening (zwischen 25. und 48. Lebensstunde), bei dem mithilfe eines Lichtsensors am Fuß der Sauerstoffgehalt im Blut bestimmt wird. Beim erweiterten Neugeborenen-Screening (zwischen 36. und 72. Lebensstunde) wird mittels einiger Tropfen Blut aus der Ferse ermittelt, ob angeborene Hormon- oder Stoffwechselstörungen vorliegen. Auch das Hörvermögen auf beiden Ohren wird getestet.

U2: In der Klinik oder bei Kinder- und Jugendärzten

Zeitpunkt: Zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag

Die U2 findet zwischen dem dritten und zehnten Lebenstag statt. Viele Eltern befinden sich zu dieser Zeit noch in der Klinik. Wer bereits zu Hause ist, kann für die U2 seine Kinder- und Jugendärztin oder seinen Kinder- und Jugendarzt aufsuchen. Diese oder dieser untersucht das Kind gründlich auf kleinere Fehlbildungen oder Geburtsverletzungen. Zudem erhält das Baby eine weitere Dosis Vitamin K sowie eventuell ein Rezept für Vitamin-D-Präparate (zur Vorbeugung von Rachitis) oder solche mit Fluorid (für die Zahnhärtung).

Die Ärztin oder der Arzt gibt den Eltern eine Farbkarte mit, mit deren Hilfe sie den Stuhlgang des Babys beurteilen können. Wenn auffällig heller oder entfärbter Stuhl auftritt, sollten sie schnellstmöglich die Kinderärztin oder den Kinderarzt kontaktieren. Dafür verantwortlich kann eine angeborene Fehlbildung der Gallenwege sein. Sollte ein Säugling ein erhöhtes Risiko für eine Fehlbildung der Hüfte (Hüftdysplasie) haben, beispielsweise weil in der Familie bereits solche Fehlbildungen aufgetreten sind, überprüft die Ärztin oder der Arzt die Hüftstellung mittels Ultraschall. Andernfalls wird der Hüftultraschall erst bei der U3 durchgeführt.

Im Anschluss an die körperliche Untersuchung berät die Ärztin oder der Arzt die Eltern zum Thema Stillen und Säuglingsernährung sowie zu Maßnahmen, um das Risiko des plötzlichen Kindstodes zu vermindern. Auch Informationen zu Unterstützungsangeboten in der Nähe sind Teil der Beratung.

U3: Körperfunktionen und Reflexe

Zeitpunkt: Zwischen der dritten und achten Lebenswoche

Die U3 findet zwischen der dritten und achten Lebenswoche statt. Auch bei ihr werden die Körperfunktionen überprüft, beispielsweise indem Herz und Lunge abgehört werden. Auch Augen, Ohren und angeborene Reflexe werden getestet sowie die Größe der Fontanelle untersucht. Sollte nicht bereits bei der U2 ein Hüft-Ultraschall stattgefunden haben, so wird er jetzt durchgeführt.

Auch ein ausführliches Elterngespräch ist Teil dieses Arztbesuches. Bei der U3 stehen das Thema Impfen und der Umgang mit Babys, die viel weinen, im Vordergrund. Die Ärztin oder der Arzt kann hierzu auch Angebote zur Unterstützung im Alltag empfehlen. Bei der U3 wie bei allen folgenden Untersuchungen wird auch die Interaktion zwischen Kind und Eltern beobachtet.

U4: Brabbeln und neugierige Blicke erwünscht

Zeitpunkt: Dritter bis vierter Lebensmonat

Die U4 findet im dritten bis vierten Lebensmonat statt. Neben der körperlichen Untersuchung, die auch das Seh- und Hörvermögen testet, begutachtet die Ärztin oder der Arzt   erneut die Größe der Fontanelle. Außerdem testet sie oder er, ob das Kind sein Köpfchen halten kann, ob es Gegenstände oder Personen mit seinem Blick verfolgt und ob es erste Laute von sich gibt, also brabbelt oder juchzt. Auch die Impfberatung wird vervollständigt sowie die Beratung zu Unfallverhütung und plötzlichem Kindstod, der Vitamin-K-Prophylaxe und Informationen zu Unterstützungsangeboten wiederholt.

U5: Die Babys werden aktiver

Zeitpunkt: Zwischen dem sechsten und siebten Lebensmonat

Die U5 findet zwischen dem sechsten und siebten Lebensmonat statt. Das Baby ist jetzt ein halbes Jahr alt und beherrscht seinen Körper immer besser. Es sollte jetzt sein Köpfchen halten und gezielt nach Gegenständen greifen können. Die Ärztin oder der Arzt überprüft zudem, ob sich das Kind in Bauchlage auf seine Arme stützen und sich hochziehen kann, wenn es an zwei Fingern festgehalten wird. Sind die angebotenen Screeninguntersuchungen erfolgt und entwickelt sich das Kind altersgerecht? Jetzt wird auch nach besonderen Belastungen in der Familie gefragt.

U6: Sitzen, Stehen, Brabbeln

Zeitpunkt: Kurz vor dem ersten Geburtstag

Die U6 findet meist kurz vor dem ersten Geburtstag des Kindes statt, also zwischen dem zehnten und zwölften Lebensmonat. Bei der Ärztin oder dem Arzt soll das Kind zeigen, ob es schon selbstständig mit ausgestreckten Beinen und geradem Rücken sitzen kann. Manche Kinder können sich sogar schon selbst in den Stand hochziehen oder frei stehen.

Auch die sprachliche Entwicklung der Kinder steht dieses Mal im Fokus. Brabbelt Ihr Kind bereits Silben wie „da-da“ oder „ba-ba“? Dann dauert es bis zu den ersten Worten nicht mehr lang. Die Ärztin oder der Arzt informiert Sie bei dieser Untersuchung auch darüber, mit welchen Maßnahmen Sie die Sprachentwicklung fördern können. Außerdem klärt er Sie über die richtige Mundhygiene beim Kind auf. Das ist vor allem wichtig, weil sich spätestens jetzt auch die Ernährung Ihres Kindes allmählich ändern wird.

U7: Stapeln und Sprechen

Zeitpunkt: Kurz vor dem zweiten Geburtstag

Zwischen dem 21. und 24. Lebensmonat steht die U7 an. Bei diesem Check kurz vor dem zweiten Geburtstag überprüft die Ärztin oder der Arzt mit verschiedenen Spielzeugen die Fein- und Grobmotorik. Die Kinder dürfen Bälle werfen oder kicken, Bausteine stapeln, puzzeln oder mit einer Motorikschleife - einem Spielzeug, das die Motorik schult - spielen. Doch keine Angst, wenn Ihr Kind nicht mitmachen möchte. Der Arztbesuch ist eine besondere Situation und nicht jedes Kind möchte fremden Menschen in ungewohnter Umgebung präsentieren, was es schon alles kann. Viele Fähigkeiten haben Sie sicher bereits zu Hause beobachtet und können der Ärztin oder dem Arzt davon berichten. Wie bei jeder Vorsorgeuntersuchung Ihres Kindes wird auch bei der U7 auf Entwicklungsauffälligkeiten geachtet und der Impfstatus geprüft.

U7a: Höher, schneller, weiter

Zeitpunkt: Rund um den dritten Geburtstag

Die U7a findet zwischen dem 24. und 36. Lebensmonat statt. Ähnlich wie bei der U7 stehen wieder die motorische und sprachliche Entwicklung im Fokus der Untersuchung. Ärztin oder Arzt beraten daneben zu Themen wie gesunder Ernährung, Bewegung und Unfallverhütung sowie Förderung der Sprachentwicklung. Auch eine Impfberatung ist vorgesehen.

U8: Hüpfen, malen, erzählen

Zeitpunkt: Rund um den vierten Geburtstag

Rund um den vierten Geburtstag, zwischen dem 46. und 48. Lebensmonat, steht die U8 an. Neben einer umfassenden körperlichen Untersuchung geht es erneut um die motorische und geistige Entwicklung. Schnarcht Ihr Kind oder stottert es? Das Kind darf selber zeigen, wie es hüpfen, malen oder eine kleine Geschichte erzählen kann. Auch hier gilt wieder: Seien Sie unbesorgt, wenn Ihr Kind bei der Untersuchung nicht sein volles Können zeigt. Sollten Sie selbst jedoch Defizite vermuten, beispielsweise bei der Lautbildung oder bei der Koordination oder Beweglichkeit, sprechen Sie diese Themen gezielt an. Oft können kleine Defizite mit einfachen Fördermaßnahmen, wie beispielsweise Logopädie oder Physiotherapie, ausgeglichen werden.

U9: Der große Check

Zeitpunkt: Kurz vor dem fünften Geburtstag

Ihr Kind ist zum Zeitpunkt der U9 (60. bis 64. Lebensmonat) fast fünf Jahre alt. Jetzt wird es noch einmal besonders gründlich untersucht und unter anderem auch der Blutdruck gemessen. Die Ärztin oder der Arzt begutachtet auch die motorische, sprachliche und soziale Entwicklung. Die meisten Kinder können bereits auf einem Bein stehen, mit einer Schere schneiden und einen Stift wie ein Erwachsener halten. Ihre Aussprache ist nahezu fehlerfrei. Außerdem haben sie viele soziale Kompetenzen erworben, sind beispielsweise bereit, Spielzeug mit anderen Kindern zu teilen. Aber auch der Medienkonsum wird jetzt unter die Lupe genommen. Hört Ihr Kind Hörspiele oder nutzt es schon für längere Zeiträume ein Handy oder Spielekonsolen?

U10 und U11: Entwicklungsstörungen erkennen

Zeitpunkt: Mit sieben bis zehn Jahren

Die U10 findet im Alter von sieben oder acht Jahren statt, die U11 mit neun oder zehn Jahren. Beide Untersuchungen haben zum Ziel, Entwicklungsstörungen zu erkennen, zum Beispiel ADHS, also eine Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung. Außerdem können Eltern und Kinder in der Praxis nach Bedarf zu wichtigen Themen wie Bewegung, Ernährung oder Mediennutzung Rat einholen. Die Barmer übernimmt die Kosten für diese zusätzlichen Vorsorgeuntersuchungen, sofern Ihr Kind und die behandelnde Kinderärztin oder der behandelnde Kinderarzt am Barmer Kinder- und Jugend-Programm teilnehmen.

J1 und J2: Gesund bleiben auf allen Ebenen

Zeitpunkt: im Jugendalter

Im Alter von 12 bis 14 Jahren steht die J1 an, eine Regelleistung aller Krankenkassen. Oft ist der letzte gründliche Check bei der Ärztin oder beim Arzt für die Jugendlichen in diesem Alter schon ein paar Jahre her – gerade wenn die im Rahmen des Barmer Kinder- und Jugendprogramms zusätzlichen Früherkennungs-Untersuchungen U10 und U11 nicht wahrgenommen wurden. Bei der J1 wird daher zunächst gewogen, gemessen, der Impfstatus, sowie Blut und Harn kontrolliert. Die Ärztin oder der Arzt überprüft den Zustand der Organe, des Skelettsystems sowie Augen und Ohren. Auch typische Pubertätsleiden wie unreine Haut oder Essstörungen können vom Arzt diagnostiziert werden.

Mindestens zwei Jahre später, zwischen 16 und 17 Jahren, folgt die J2. An dieser Untersuchung können alle Jugendlichen teilnehmen, die sich bei ihrer Kinderärztin oder ihrem Kinderarzt in das Barmer Kinder- und Jugend-Programm eingeschrieben haben. Jugendliche können diesen Termin auch alleine ohne ihre Eltern wahrnehmen. Neben einer gründlichen körperlichen Untersuchung nimmt die Ärztin oder der Arzt sich Zeit für ein Beratungsgespräch. Die Teenager können und sollen dabei alles ansprechen, was sie in dieser aufwühlenden Lebensphase bewegt: Familie und Freundeskreis, Sexualität und Pubertät oder die anstehende Berufswahl.

Die J2 wird von der Barmer übernommen, wenn die behandelnde Ärztin oder der behandelnde Arzt am Barmer Kinder- und Jugend-Programm teilnimmt und die Barmer-versicherten Kinder und Jugendlichen für das Programm eingeschrieben wurden.