Krankheiten A-Z

Polio: Ursachen, Symptome und Behandlung

Lesedauer weniger als 7 Min

Redaktion:

Birgit Frohn (Diplom-Biologin)

Qualitätssicherung:

Fachbereich Arzneimittel Barmer

Poliomyelitis, besser bekannt als Kinderlähmung oder kurz Polio, ist eine hochinfektiöse Viruserkrankung, die das zentrale Nervensystem angreifen und schwere Lähmungen verursachen kann. Vor Einführung der Schutzimpfung war Polio weltweit gefürchtet. Heute gilt die Krankheit in weiten Teilen der Welt als ausgerottet – dennoch ist sie in manchen Regionen weiterhin ein Risiko. Eine wirksame Impfung schützt zuverlässig vor der Erkrankung.

Auf einen Blick

  • Ansteckung: Polioviren werden meist über Schmierinfektion von Mensch zu Mensch übertragen, etwa durch verunreinigtes Wasser, Nahrung oder Hände. Eine Ansteckung ist auch über Tröpfcheninfektion möglich. Besonders in Regionen mit unzureichender Hygiene ist das Risiko erhöht.
  • Symptome: Polio verläuft oft unbemerkt oder mit grippeähnlichen Beschwerden wie Fieber, Kopf- und Gliederschmerzen. In manchen Fällen kommt es jedoch zu einer Ausbreitung der Viren im Nervensystem – mit schweren Symptomen wie Muskelzuckungen, Lähmungen oder Schluckbeschwerden.
  • Folgeerkrankungen: Bleibende Lähmungen, Atemprobleme oder Gelenkfehlstellungen sind mögliche Langzeitfolgen. Jahrzehnte nach der Infektion kann das sogenannte Post-Polio-Syndrom auftreten – mit erneuter Muskelschwäche, Schmerzen und Erschöpfung.
  • Behandlung: Eine ursächliche Therapie gegen Polioviren gibt es nicht. Die Behandlung beschränkt sich auf die Linderung der Symptome – etwa durch Schmerzmittel, Physiotherapie oder Atemhilfe bei schweren Verläufen.
  • Impfung: Die Impfung gegen Polio gehört zu den Standardimpfungen im Kindesalter und bietet wirksamen Schutz vor der Erkrankung. Sie wird in Deutschland als Kombinationsimpfstoff verabreicht. Auch Erwachsene, vor allem vor Reisen in Risikogebiete, sollten ihren Impfschutz überprüfen und gegebenenfalls auffrischen lassen.

Eine Gruppe von Kindern mit Luftballons

Die Polioimpfung schützt zuverlässig vor der Erkrankung. Sie gilt als sicher, gut verträglich und ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet.

Was ist Kinderlähmung?

Kinderlähmung ist die umgangssprachliche Bezeichnung für Poliomyelitis – eine Infektionskrankheit, die durch Polioviren ausgelöst wird. Die Viren befallen insbesondere das zentrale Nervensystem und können dort schwere neurologische Schäden verursachen. In schweren Fällen kommt es zu bleibenden Lähmungen, etwa der Beine oder Atemmuskulatur. Unbehandelt kann Polio sogar tödlich verlaufen.

Die Erkrankung ist vor allem durch erschütternde Bilder von betroffenen Kindern bekannt geworden, die in sogenannten „eisernen Lungen“ künstlich am Leben gehalten werden mussten – einer speziellen Atemhilfe für Betroffene mit gelähmter Atemmuskulatur.

Dank der Schutzimpfung ist diese drastische Situation heute in vielen Teilen der Welt Geschichte. In Deutschland wurde der letzte einheimische Poliofall 1990 registriert. Dennoch bleibt die Erkrankung international relevant: In einzelnen Ländern wie Afghanistan, Pakistan oder Regionen Afrikas und Osteuropas kommt es weiterhin zu Infektionen – vor allem dort, wo der Impfschutz lückenhaft ist.

Wie erfolgt die Ansteckung bei Polio?

Mit Kinderlähmung können sich Erwachsene und Kinder anstecken. Für die Infektion mit den Polioviren sind zwei Übertragungswege relevant:

Ansteckung durch Schmierinfektion

Polioviren vermehren sich sehr stark im Darm und werden über den Stuhl ausgeschieden. Gelangen die Viren über kleinste Verunreinigungen in den Mund eines anderen Menschen, besteht die Gefahr, dass sich die Viren im Körper ausbreiten können.

Zu diesen sogenannten Schmierinfektionen kann es in zahlreichen alltäglichen Situationen kommen. So ist eine Ansteckung über harmlosen Körperkontakt wie das Händeschütteln ebenso möglich wie über mit Polioviren verschmutztes Trinkwasser oder Nahrungsmittel.

Ansteckung durch Tröpfcheninfektion

Der zweite Weg, den die Polioviren zur Ansteckung nehmen, sind Tröpfchen mit körpereigener Flüssigkeit. Diese Tröpfcheninfektionen können jederzeit beim Niesen, Husten oder Sprechen stattfinden. Auch beim Küssen und beim Geschlechtsverkehr kann die Übertragung erfolgen.

Polio: Teils ohne Beschwerden, aber ansteckend

Wer sich mit Polioviren infiziert hat, erkrankt nicht immer zwangsläufig schwer. So haben etwa 95 Prozent der Infizierten gar keine oder nur leichte Beschwerden.
Wer sich infiziert hat, kann andere Menschen allerdings etwa sechs Wochen lang anstecken. In seltenen Fällen können Menschen mit einem schwachen Immunsystem andere sogar über Monate bis Jahre hinweg anstecken.

Welche Symptome zeigen sich bei Kinderlähmung?

Wenn die Infektion mit den Polioviren Beschwerden verursacht, kann es eine bis fünf Wochen bis zum Auftreten der Beschwerden dauern.

Die Symptome, die sich dann einstellen, ähneln denen einer Grippe oder starken Erkältung. Neben Fieber können Erkrankte auch an Nackensteifigkeit, Rückenschmerzen und Muskelkrämpfen leiden.

Bei zwei bis vier von 100 Betroffenen verschlechtern sich die grippeähnlichen Symptome. Etwa ein Patient bzw. eine Patientin von 100 bis 1.000 erkrankt sehr schwer und erleidet Lähmungen an Armen und Beinen. Zum Teil sind davon auch die Sprech-, Schluck- oder Atemmuskulatur betroffen.

Zu diesen Lähmungen kommt es deshalb, weil die Polioviren die Nervenzellen der Muskulatur befallen und schädigen können.

Das Postpolio-Syndrom

Die Lähmungen bilden sich in der Regel nicht vollkommen zurück. Es kann sogar noch Jahre nach der Infektion zu Muskelschwund, weiteren Lähmungen, Schmerzen und Gelenkzerstörungen kommen. Dadurch können sich Gliedmaßen verformen. Mediziner sprechen in solchen Fällen von einem Postpolio-Syndrom. Dieses kann durch die Erkrankung selbst verursacht oder auch durch eine Fehlhaltung bedingt sein, da die Muskulatur des Körpers nicht mehr vollständig funktioniert.

Welche Folgeerkrankungen können bei Polio auftreten?

Eine Kinderlähmung kann in vielen Fällen komplikationslos ausheilen. Bei einem schweren Verlauf kann die Erkrankung jedoch zu Behinderungen führen, die das weitere Leben beeinflussen.

Denn, wie erwähnt, bilden sich die Lähmungen meist nicht vollständig zurück. Es kommt dadurch zu einem Muskelschwund in den gelähmten Körperbereichen, in dessen Folge sich eine Muskelschwäche ausbilden kann. Diese verschlimmert sich im Laufe der Jahre immer mehr.

Darüber hinaus kann sich bei Kindern, die an einer Poliomyelitis erkrankt waren, das Knochenwachstum verzögern und die Gelenke können zerstört werden. Aus diesem Grund können auch nach Jahren noch weitere Muskelschmerzen und Lähmungen auftreten.

Wie wird die Diagnose bei Kinderlähmung gestellt?

Besteht der Verdacht auf eine Infektion mit Polioviren, erfolgen eine Stuhlprobe und ein Rachenabstrich. In beiden Patientenmaterialien wird ein Nachweis auf Polioviren durchgeführt.

Um zu prüfen, ob die Viren bereits das Rückenmark und das Gehirn befallen haben, wird eine sogenannte Lumbalpunktion durchgeführt. Dafür wird Nervenwasser mit einer Hohlnadel im Bereich der Lendenwirbel entnommen.

Übrigens: Sobald ein Verdacht auf Poliomyelitis vorliegt, muss das örtliche Gesundheitsamt innerhalb von 24 Stunden informiert und die Diagnose zusätzlich vom Nationalen Referenzzentrum für Poliomyelitis und Enteroviren gesichert werden.

Wie erfolgt die Behandlung bei Polio?

Es existiert keine Therapie, die bei einer Kinderlähmung direkt in das Krankheitsgeschehen eingreifen kann und eine heilende Wirkung hätte. Behandelt werden können nur die Symptome – das heißt, Beschwerden wie Schmerzen oder Atemlähmung. Je nach Verlauf der Erkrankung schließen sich langwierige physiotherapeutische und orthopädische Nachbehandlungen an.

Schützt eine Impfung vor Poliomyelitis?

Ja. Die Polioimpfung ist der beste Schutz vor der Erkrankung. Sie gilt als sicher, gut verträglich und ist sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet.

Auch wenn in Deutschland seit 1990 keine Polio-Infektion mehr aufgetreten ist, bleibt die Impfung unverzichtbar. Denn Polioviren können durch Reisende jederzeit eingeschleppt werden. Mit einer Impfung schützt man nicht nur sich selbst, sondern trägt auch dazu bei, dass die Krankheit sich nicht erneut ausbreitet.

Wann und wie oft sollte man gegen Kinderlähmung impfen?

Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt die Polioimpfung für Kinder im Alter von zwei, vier und elf Monaten. Frühgeborene sollen eine weitere Impfdosis mit drei Monaten erhalten. Meist wird für die Grundimmunisierung ein Sechsfachimpfstoff eingesetzt. Dieser schützt noch gegen fünf weitere Erkrankungen: Diphtherie, Tetanus (Wundstarrkrampf), Keuchhusten (Pertussis), Haemophilus influenzae Typ b (Hib) und Hepatitis B).

Im Alter von neun bis 16 Jahren erfolgt dann noch einmal eine Auffrischimpfung. Diese wird meist mit einer Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten kombiniert.

Heute wird für die Polioimpfung ein Totimpfstoff, der mit IPV abgekürzt wird, eingesetzt. Lebendimpfstoffe kommen schon lange nicht mehr zur Anwendung.

Der Zuckerwürfel gehört der Vergangenheit an 

Bis 1998 kam in Deutschland ein oraler Lebendimpfstoff gegen Polioviren zum Einsatz – verabreicht auf einem Zuckerwürfel. Da dieser in seltenen Fällen selbst eine Poliomyelitis auslösen konnte, wurde er durch einen sicheren Totimpfstoff ersetzt, der als Injektion verabreicht wird. Seitdem sind keine impfbedingten Erkrankungen mehr aufgetreten.

Benötigt es Auffrischimpfungen bei Polio?

Wer erst im Erwachsenenalter eine Grundimmunisierung gegen Poliomyelitis erhält, benötigt nach zehn Jahren noch eine Auffrischimpfung, um den Impfschutz zu vervollständigen. Diese Auffrischimpfung erfolgt wie bei Kindern in der Regel zusammen mit einer Impfung gegen Tetanus, Diphtherie und häufig auch Keuchhusten.

Eine Auffrischimpfung wird auch allen Personen empfohlen, die in Regionen mit einem Infektionsrisiko reisen und deren letzte Auffrischimpfung zehn Jahre zurückliegt.

Werden Impfungen für Risikogruppen empfohlen?

Die STIKO empfiehlt eine Auffrischimpfung für medizinisches Personal, das engen Kontakt zu Erkrankten hat und für Personen, die in labortechnischen Einrichtungen mit einem Risiko für die Ansteckung mit Polioviren arbeiten.

Warum ist eine Reiseschutzimpfung wichtig?

Eine Ansteckung mit Kinderlähmung ist leider nach wie vor in einigen Ländern möglich. Dies liegt vor allem daran, dass in diesen Regionen die Menschen nicht ausreichend gegen Polio geimpft sind. Insofern kann die Krankheit immer wieder ausbrechen.

Mit der Polioimpfung bei der Ausrottung mithelfen

Ursprünglich war das Ziel der Weltgesundheitsversammlung, Polio bis 2023 weltweit auszurotten. Dieses Ziel wurde bislang nicht erreicht. Dennoch bleibt die Ausrottung von Polio ein erklärtes globales Gesundheitsziel. Mit jeder Impfung leisten Menschen einen wichtigen Beitrag zur weltweiten Eindämmung der Krankheit.

Ihre Barmer unterstützt Sie dabei, gesund aus dem Urlaub zu kommen!

Der Barmer Teledoktor bietet allen Versicherten eine kostenfreie individuelle Beratung zu notwendigen Impfungen für das jeweilige Reiseziel an. Sie erreichen den Barmer Teledoktor über die Teledoktor-App oder die Hotline 0800 3333 500.

Mit der Barmer eCare haben Sie zusätzlich die Möglichkeit, alle Impftermine – auch für Ihre Urlaubsreise – im Blick zu behalten.

Literatur

  • Centrum für Reisemedizin: Medien

Weiterführende Informationen

Zertifizierung

Auf unsere Informationen können Sie sich verlassen. Sie sind hochwertig und zertifiziert.

Diese Artikel könnten Sie auch interessieren