Junge Ärztin schaut durch ein Mikroskop
Zukunft des Gesundheitswesens

Sieben Thesen zur Verbesserung des Gesundheitswesens

Lesedauer unter 12 Minuten

Redaktion

  • Barmer Internetredaktion

Qualitätssicherung

  • Dirk Weller (Diplom-Psychologe)
  • Nicole Osterkamp (Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung)
  • Klaus Focke (Barmer Institut für Gesundheitssystemforschung)

Wichtige Zukunftspotenziale des Gesundheitswesens

Kleiner Junge zeigt ein "Daumen-Hoch"

Viele große und kleine Alltagshelden haben in der Coronakrise den Kopf nicht hängen lassen.

Wo steht unser Gesundheitswesen? Und ganz besonders: Wie lange steht es schon dort und kann es dort stehen bleiben? Die größte Erkenntnis in dem von uns initiierten Richtungspapier ist, dass das Gesundheitswesen nicht statisch sein kann, sondern dynamisch sein muss. Wir haben erkannt, dass sich eingefahrene Prozesse schnell ändern können, wenn sie sich ändern müssen. Wie auch wir Menschen.

Wir haben erkannt, dass Pflegepersonal an vorderster Front für die Gesundheit des Gemeinwesens gekämpft hat, und sehen dringenden Bedarf, diese Menschen noch mehr zu unterstützen: nicht nur mit einer besseren Bezahlung und höherer gesellschaftlicher Anerkennung, sondern auch mit zusätzlichen Kompetenzen und Befugnissen. Wir sehen Hausärzte, Intensivstationen und Digitalisierungsabteilungen unzähliger medizinischer Unternehmen, die während der Corona-Pandemie bewiesen haben und weiterhin täglich beweisen, dass unsere Gesellschaft nur so gesund ist wie unser Gesundheitssystem.

Die erste Welle liegt bereits weit hinter uns. Doch wer sind wir als Gesellschaft, wer sind wir als Krankenversicherer, wenn sich die Wogen der Coronakrise geglättet haben? Unsere Kerngedanken zur Verbesserung des Gesundheitssystems in Deutschland möchten wir durch die vorliegende Zusammenfassung transparent machen und mit Ihnen teilen.

In einem Drive-In wird ein Coronatest gemacht

Nicht nur in Praxen und Kliniken wird wichtige Arbeit für Gesundheit geleistet.

1. Mehr Unterstützung für den Öffentlichen Gesundheitsdienst

„Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile“. Die weltberühmte Aussage des Philosophen Aristoteles, der auch als Begründer abendländischer Wissenschaft bekannt ist, fasst die Aufgabe des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) sehr gut zusammen: Dieser bündelt sämtliche Gewerke aus allen Bereichen der Bevölkerungsgesundheit – soziales und ethisches Engagement, die allgemeine Gesundheitsversorgung, mentale und körperliche Gesundheit, aber auch Gesundheitspolitik und Gesundheitswirtschaft – unter einer Mission: das Wissen, die Arbeitskraft und die Kompetenzen all dieser Gewerke bündeln, um damit für die Gesundheit unserer Gesellschaft zu sorgen.

Denn im Fokus steht die Allgemeinheit, nicht der Mensch als Individuum. Spätestens heute wissen wir, wie wichtig dieser Ansatz für unser aller (gesundes) Zusammenleben ist.

Dieser ÖGD ist innerhalb der letzten zwölf Monate über sich hinausgewachsen; trotz des Personalmangels und der daraus resultierenden erschwerten Bedingungen zum Testen und vor allem zur Kontaktverfolgung. Innerhalb kurzer Zeit, also bereits im März des Jahres 2020, reagierte der ÖGD mit massivem Ausbau seiner Testkapazitäten zum sogenannten PCR-Nachweis (PCR = Polymerase Kettenreaktion) von COVID-19 und der Kontaktnachverfolgung.

Genauer gesagt, haben sich die Testkapazitäten im ÖGD, aber auch im Bereich der Krankenhäuser und der Kassenärztlichen Vereinigungen innerhalb von fünf Wochen von Anfang März bis Mitte April versechsfacht. Das hat, wie unser Richtungspapier ergibt, dazu beigetragen, dass die Anzahl der Tests im Verhältnis zur Einwohnerzahl in Deutschland im europäischen Vergleich dauerhaft sehr hoch war.

International ist der ÖGD als „Public Health“ bekannt. Wobei dieses nicht mehr ganz so neumodische Wort lediglich eine Weiterentwicklung dessen ist, was wir schon seit Beginn der Menschheitsgeschichte kennen. Eine jahrtausendelange Entwicklung gipfelte bislang in dem Ansatz „New Public Health“, der seit den 1980er-Jahren die gesamte Gesundheitspolitik umfasst.

Dieser holistische Blick auf die Gesundheit der Bevölkerung umfasst aktuell während der Corona-Pandemie auch das Testen und dadurch das Eindämmen der Verbreitung von Viren. In unserem Richtungspapier gehen wir detailliert darauf ein, wieso wir meinen, dass das Infektionsgeschehen nicht nur durch eine gezielte Teststrategie und den Ausbau der Testkapazitäten begrenzt werden kann. Es geht stattdessen auch um die Stärkung des ÖGD als eine eigenständige Säule der Gesundheitsversorgung.

Hierzu muss die Public Health-Perspektive aufgewertet werden sowie eine bessere Verknüpfung zu Wissenschaft und Primärversorgung (also alle zum Beispiel hausärztlichen Erstberatungen und Grundversorgungen) aufgebaut werden. All das sind Bausteine auf dem Weg zur Umsetzung des Prinzips „Health-in-all-Policies", bei dem alle Politikbereiche auf der einen Seite vom ÖGD für das Thema Gesundheit sensibilisiert werden und auf der anderen Seite von ihm profitieren.

Ein junger Vater hält sein Baby auf dem Arm und telefoniert mit einem Arzt per Video.

Fernbehandlungstermine können viele Vorteile haben.

2. Ambulante Sprechstunden und Telemedizin können das Infektionsrisiko deutlich senken

Wer hätte im März gedacht, dass inzwischen mehr als die Hälfte aller Hausärzte – genauer gesagt 52,3 Prozent – Videosprechstunden anbieten? Wahrscheinlich niemand, denn bisher waren Arztpraxen eher durch voll besetzte Wartezimmer und schniefende Patienten bekannt, die auf die Ausgabe eines Attests warteten. Auch hier hat die Corona-Pandemie einen Wandel „herbeigezwungen“, der hoffentlich auch nach der akuten Phase in vielen Praxen beibehalten wird.

Denn die Recherchen der Wissenschaftler im Zuge des Richtungspapiers haben auch ergeben, dass 94,1 Prozent der jetzt befragten Ärzte Videosprechstunden erst seit 2020 nutzen und knapp 90 Prozent meinen, dass sich die Corona-Pandemie auf die Nutzung von Videosprechstunden in ihrer Praxis auswirkt.

Ein Trend, der natürlich auch für Patienten ungewohnt ist. Denn ganz intuitiv gehen wir bei Beschwerden zum Arzt. Das ist praktisch anerzogen und führte bisher immer wieder dazu, dass Ambulanzen in Krankenhäusern und Wartezimmer in Hausarztpraxen die Verbreitung von Viren unbeabsichtigt unterstützten.

Der Fokus auf Hausärzte als erste Anlaufstelle und der Aufruf an die Bevölkerung, bei Corona-Verdacht zunächst telefonischen Kontakt mit dem Hausarzt aufzunehmen, hat sich dabei bewährt: Kliniken waren in etlichen anderen Ländern unter Ansteckungsgesichtspunkten besonders gefährliche Orte. Infizierte, die dort getestet werden, können das Personal und andere, bislang nicht-infizierte Patienten anstecken, wenn das Testen nicht räumlich separiert wird.

Mit den Erfahrungen der ersten Welle wissen wir heute, dass Videobehandlungen und die Möglichkeit zur telefonischen Krankschreibung Infektionsrisiken senken können. Und hierbei ist die Strategie im Kern recht simpel, in der Ausführung jedoch gar nicht so einfach: Denn es galt, mit alten Behandlungsmustern zu brechen und dezentrales Testen und telemedizinisches Behandeln im großen Stil umzusetzen. Mit Erfolg: Unsere Erkenntnisse im Richtungspapier zeigen auf, dass eine dezentrale Teststrategie und das Home-Monitoring, bei dem die Menschen bei Beschwerden zu Hause bleiben und im täglichen Kontakt zum Hausarzt stehen, wesentliche Erfolgsfaktoren waren und sind.

Älterer Herr liegt in einem Krankenhausbett

Qualität ist das A und O im Krankenhaus.

3. Nicht das nächste, sondern das spezialisierte Krankenhaus ist das beste

Haben Sie sich schon mal gefragt, was Ihnen in einem medizinischen Notfall wichtiger ist: Die Entfernung zum nächsten Krankenhaus? Oder die Verfügbarkeit eines Krankenhauses, das medizinisch mit großer Erfahrung und Kompetenz auf Ihre spezielle Erkrankung eingehen kann? Intuitiv würden viele Leute zu Erstem tendieren – der Nähe.

Denn allgemein geht man davon aus, dass krankenhäusliche Betriebe – wir wählen hier extra das Wort „Betrieb“ – gleich gut ausgestattet und qualifiziert sind. Dem ist nicht so. Krankenhäuser sind in sehr vieler Hinsicht sehr unterschiedlich. Das wurde besonders in der Diskussion um Intensivstationen deutlich, die in der Lage sind, besonders schwere Verläufe von COVID-19 zu behandeln.

Hier sind ganz besonders kleine Krankenhäuser in den Fokus gerückt, die zwar flächendeckend – auch mit Intensivstationen – vorhanden sind, aber selten die erforderliche Fachexpertise für die Behandlung von sehr schweren Infektionskrankheiten anbieten.

Für uns als Gesellschaft, ob gesund oder krank, bedeutet auch diese Erkenntnis, dass wir umdenken müssen. Weg von einem flächendeckenden hin zu einem möglichst spezialisierten Angebot an Krankenhäusern. Das ist nicht immer einfach, denn besonders im ländlichen Umfeld nehmen kleine Häuser nicht nur eine medizinisch professionelle, sondern auch eine sozial-persönliche Aufgabe wahr und sind häufig ein großer Arbeitgeber in der Kommune.

Auch das haben wir erkannt und gehen in unserem Richtungspapier näher auf die mögliche Umnutzung von kleineren Kreiskrankenhäusern ein. Eine Kernaussage unseres Richtungspapiers in diesem Zusammenhang ist, dass die Behandlung von COVID-19-Patienten zwar konzentriert war, aber trotzdem zu viele Patienten nicht in hinreichend qualifizierten Krankenhäusern behandelt wurden.

Was wissen wir demnach nach der ersten Welle? Für bestmögliche Behandlungsergebnisse ist nicht die Nähe, sondern die Ausstattung und Spezialisierung ausschlaggebend.

Hinweis: Im Krankenhausreport 2022 konnten wir das Thema der Konzentration von Krankenhaus-Leistungen vertieft analysieren. Je häufiger ein Krankenhaus bestimmte Behandlungen durchführt, desto höher die Qualität und umso seltener kommt es zu Komplikationen. Aber lassen sich Operationen aus Kliniken mit wenig Erfahrung problemlos in Häuser mit viel Expertise verlegen? Der Report zeigt am Beispiel von bestimmten Eingriffen an Hüfte und Knie sowie nach Herzinfarkten, dass eine Verlagerung in erfahrenere Kliniken möglich und sinnvoll wäre und zwar ohne, dass sich dadurch die Fahrzeit deutlich verlängern würde. 

Ein Arzt gibt seiner jungen Patientin ein "High Five"

Auch in einem Versorgungszentrum ist man oft genau richtig aufgehoben.

4. Weniger mittelmäßige Krankenhäuser – mehr exzellente integrierte Versorgungszentren

Das Richtungspapier liefert uns also Hinweise, dass wir insgesamt mehr ambulante (also nicht mit Klinik- und Krankenhausaufenthalten verbundene) und gerade in Krankenhäusern mehr spezialisierte Versorgung im deutschen Gesundheitswesen benötigen.

Im Idealfall bedeutet dies, dass sich innerhalb der nächsten Jahre immer weniger Patienten stationär (also mit Klinikaufenthalten) behandeln lassen (müssen), immer weniger Patienten wegen mangelnder alternativer, ambulanter Versorgungsangebote eine Notaufnahme besuchen.

Ambulante Angebote, insbesondere auch in der Form integrierter ambulanter Versorgungszentren als Nachfolger von ehemals kleinen Krankenhäusern mit nicht-spezialisiertem Leistungsangebot, übernehmen stattdessen die Verantwortung für eine umfassende und vernetzte ambulante Gesundheitsversorgung und -pflege. Stationär behandlungsbedürftige Patienten können in spezialisierten Kliniken mit deutlich besserer Ergebnisqualität behandelt werden.

Dieses Umdenken – hier sind wir wieder beim angesprochenen Wandel – revolutioniert den Umgang mit Kranken und Pflegebedürftigen enorm. Denn die Menschen, die vorher stationär und kostenintensiv in großen und kleinen Krankenhäusern behandelt wurden, können mittelfristig von sogenannten „integrierten Versorgungszentren“ (IVZ) behandelt werden – ehemalige Krankenhäuser, besonders im ländlichen Raum, die in moderne, holistisch arbeitende Arztzentren umfunktioniert werden und so neue Perspektiven bekommen.

Im Richtungspapier beschreiben wir die Aufgabe folgendermaßen: „Eine zentrale Aufgabe des IVZ ist die Koordination und Gestaltung der lokalen Gesundheitsangebote mit dem Ziel, eine reibungslose Behandlung der Patienten aus einer Hand zu schaffen. (…) Damit leistet ein IVZ zur Sicherstellung der Basisversorgung einen entscheidenden Beitrag.“

Die Umwandlung diverser Kreiskrankenhäuser in Integrierte Versorgungszentren würde für die ländliche Bevölkerung keinen gesundheitlichen Nachteil ergeben. Gewährleistet werden sollte in jedem Fall die Anbindung an ein größeres Krankenhaus im Zentrum einer Region, um bei bestimmten Krankheitsfällen einen schnellen Zugang zu Experten zu ermöglichen und auch um die Nachsorge der Patienten sicherzustellen, die dort stationär behandelt wurden. Unsere Empfehlung sieht für jede größere Region mit ca. 250.000 Einwohnern mindestens einen solchen regionalen „Regelversorger“ vor, der die Erbringung spezialisierter Leistungen für die Region übernimmt.

Arzt legt seinen Arm um eine Patientin

Ärztinnen und Ärzte brauchen die Rahmenbedingungen, um patientenorientiert arbeiten zu können.

5. Wir müssen den Mengenanreiz für Krankenhäuser senken

War diese Operation wirklich nötig? Sie werden sich eventuell selbst oder einem Familienmitglied diese Frage schon einmal gestellt haben. Denn wenn es um nicht lebensnotwendige Operationen geht, wird nicht selten darüber spekuliert, ob der Eingriff überhaupt nötig war. Woran liegt das? Plakativ gesagt: Nur wer viel operiert, kann finanziell überleben.

Für diese Tatsache ist unter anderem der sogenannte „Mengenanreiz“ des sogenannten DRG-Systems (DRG = krankheitsbezogene Fallgruppen) verantwortlich, der Krankenhäuser zur Erbringung möglichst vieler „Fälle“ drängt. Tatsächlich werden im internationalen Vergleich in Deutschland sehr viele stationäre Leistungen erbracht, was ein Hinweis auf Überversorgung ist. Mit Überversorgung bezeichnet man die Durchführung nicht angezeigter Behandlungen.

In diesem Zusammenhang müssen wir uns bewusstmachen, dass Krankenhäuser – einfach ausgedrückt – für jeden Patienten bzw. Behandlungsfall von der Krankenkasse eine sogenannte „Fallpauschale“ erhalten, die unabhängig von der Verweildauer gezahlt wird und sämtliche anfallenden Betriebskosten decken soll. Ein tatsächlicher Gewinn entsteht jedoch erst, wenn die Erlöse über den Betriebsausgaben liegen.

Wir sprechen uns in unserem Richtungspapier eindeutig dafür aus, den Mengenanreiz zu senken. Spätestens durch die Corona-Pandemie und den damit verbundenen Leistungsrückgang wurden in vielen Krankenhäusern große Einbrüche der Einnahmen verzeichnet, die durch Überbrückungsgelder gedeckt wurden.

Das Fallpauschalensystem wurde der Corona-Situation also nicht gerecht. Doch wie lässt sich diese Forderung auch langfristig umsetzen? Das Thema ist nicht ganz neu und beschäftigt das Gesundheitswesen seit mehreren Jahren. Langfristig wird es darum gehen, alternative Vergütungsmodelle zu etablieren und Krankenhäuser nicht nach Leistungsmenge, sondern nach bereitgehaltenem Angebot und Qualität zu bezahlen.

Junge Ärztin trägt ein Stethoskop um den Hals

Immer mehr erkennen: eine Aufwertung der Pflegeberufe ist überfällig.

6. Pflegefachpersonen können mehr, als man ihnen zutraut

Es waren Bilder aus der ersten Corona-Welle, die vielen von uns im Gedächtnis blieben: Pflegebedürftige Menschen in Altenheimen, die ihren Familien am Fenster stehend zuwinkten und davon berichteten, wochenlang komplett von der Außenwelt abgeschnitten gewesen zu sein.

Zur Eindämmung der Infektionsraten wurden Krankenhauseinweisungen vermieden und stark pflegebedürftige, häufig multimorbide, also von mehreren Krankheiten zugleich betroffene Menschen unter eigentlich nicht zumutbaren Bedingungen betreut. Dieser Mehrbelastung fiel die persönliche Betreuung natürlich weitgehend zum Opfer.

Neben vielem anderen braucht es Schulungen, die die Pflegekräfte in die Lage versetzen, solchen und ähnlichen Extremsituationen gerecht zu werden. Und es muss darüber nachgedacht werden, inwieweit man gut ausgebildeten Pflegekräften zusätzliche Befugnisse – nicht nur in Krisensituationen – zugestehen kann, um die Attraktivität des Berufes zu steigern. Denn bei entsprechender Aus- und Weiterbildung können Pflegefachpersonen mehr, als man ihnen heute zutraut.

Pflegeforscher der Universität Bremen haben im Frühjahr und Sommer 2020 erstmals bundesweit die Situation in Pflegeeinrichtungen und -diensten während der ersten Corona-Welle analysiert. Es wurden 824 Pflegeheime, 701 Pflegedienste und 96 teilstationäre Einrichtungen befragt.

Dabei kam heraus, „dass die Hälfte aller Covid-19-bedingten Todesfälle in Pflegeheimen gezählt wurde, obwohl nur ein Prozent der Bevölkerung in einer solchen Wohnform lebe“. Das teilte die Universität am 10. Juni 2020 mit. Fehlendes Schutzmaterial und Testmöglichkeiten sowie fehlende ausgereifte Pandemie-Konzepte waren dafür mitverantwortlich, dass das Wohnen im Altenheim der größte Risikofaktor für einen Tod durch oder mit COVID-19 war.

Die Umstände und Faktoren, unter denen es zum Ausbruchsgeschehen und zur verhängnisvollen Verbreitung von COVID-19 in den betroffenen Pflegeeinrichtungen kam, müssen systematisch analysiert werden. Auch werden intelligente Pandemiepläne benötigt, die die psychosozialen Bedürfnisse und die Lebensqualität der Menschen mit Langzeitpflegebedarf respektieren.

Und wenn Angehörige aufgrund von Besuchsrestriktionen schon keinen oder nur einen reduzierten Einblick haben können, müssen sie sich umso mehr darauf verlassen können, dass die Interessen der Bewohner umfassend gewahrt werden. Qualitätskontrollen müssen also auch in solchen Situationen sichergestellt sein. Soziale Teilhabe und Lebensqualität sind auch unter den Bedingungen einer Pandemie essenzielle Ziele der Langzeitpflege, die mit dem Infektionsschutz in Einklang gebracht werden müssen.

Medizinisches Fachpersonal schaut auf ein Tablet

Wir können noch viel Papierkram reduzieren im Gesundheitswesen.

7. Das deutsche Gesundheitswesen muss digital(er) werden

Wir Deutsche sind täglich im Schnitt acht Stunden online. Wir schreiben E-Mails, lesen unsere Nachrichten, shoppen im Netz und sind über diverse soziale Medien in regem Austausch mit Familie, Freunden und – nicht selten – Fremden. Heute finden wichtige Lebensbereiche wie Politik, Liebe und Einkaufen im Internet statt – im Rahmen des Richtungspapiers haben wir uns natürlich gefragt: Wie digital ist das Gesundheitswesen?

Wir stellen fest: Weit, sehr weit hinter dem digitalen Durchschnitt vergleichbarer Industrienationen. Das hat sich besonders während der ersten Welle der Corona-Pandemie gezeigt, in der viele medizinisch-logistische Maßnahmen ohne ausreichende Informationen über Patienten und Bettenbelegung auf Intensivstationen getroffen werden mussten. Doch wie kam es dazu? 

Besonders schwer wiegt hier die Unterausstattung mit digitaler Infrastruktur (Hard- und Software), die erst jetzt schrittweise „nachgerüstet“ wird. Denn das, was wir im privaten und dem öffentlichen Raum als Selbstverständlichkeit wahrnehmen, ist im medizinischen Sektor kein Standard.

Zu oft werden Daten noch per Post und Fax übermittelt – dabei geht ein wahnsinnig großes Potenzial an teilweise (über)lebenswichtigen Datensätzen verloren, die als Grundlage für einen effizienteren Schutz der Bevölkerungsgesundheit dienen könnten.

Im Richtungspapier haben wir ein eindeutiges Ziel der Vernetzung definiert: Eine lückenlose digitale Informationsverarbeitung von den Informations-Meldenden (Arztpraxen, Krankenhäuser, Testzentren, Labore) hin zu den Meldungsempfängern (den rund 380 deutschen Gesundheitsämtern, den 16 Landesbehörden und weiter zum Robert Koch-Institut).

Mit den Erfahrungen der ersten Welle wurde noch deutlicher als bisher, dass die Digitalisierung höhere Transparenz, bedarfsgerechtere Steuerung und systematischeres Lernen ermöglicht. Wir sollten uns dabei auch nicht auf Daten-Quellen aus Übersee verlassen, sondern unsere eigene Datenkompetenz und -nutzung für die Medizin- und Versorgungsforschung in Deutschland zügig ausbauen.

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