Auf dem Bild zu sehen ist ein Mann, der sich beide Hände vors Gesicht hält. Er sitzt in einem Flugzeug.
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Rawdogging – Gefährliches Nichtstun

Lesedauer unter 3 Minuten

Wer einen Langstreckenflug antritt, macht sich zumeist bereits im Vorfeld Gedanken über Formen der Ablenkung und mögliche Sitzgymnastik, um körperlichem Leid vorzubeugen. Der Reisetrend des Rawdoggings geht jedoch den entgegengesetzten Weg. Je mehr Verzicht, desto besser. Was dahinter steckt und warum Rawdogging nicht nur wegen seines problematischen Männerbildes gefährlich sein kann, erklären wir in diesem Beitrag.

Ein Langstreckenflug in der Economy-Klasse kann eine Herausforderung für Körper und Geist sein. Geringe Beinfreiheit, kaum Bewegung, dazu vielleicht noch diffuse Ängste, dass das Flugzeug jederzeit abstürzen könnte. Während sich Flugreisende normalerweise mit Getränken, Snacks und dem On-Board-Entertainment abzulenken versuchen, gehen sogenannte Rawdogger den entgegengesetzten Weg. Keine Filme, keine Musik, kein Bordessen. Ohne jegliche Ablenkung sitzen sie teilnahmslos auf ihrem Platz, lassen die Flugzeit vorübergehen und üben sich in Verzicht und Selbstbeherrschung. 

Ursprünglich stammt der Begriff Rawdogging aus dem Internet und bedeutet ungeschützten Geschlechtsverkehr. Allerdings hat sich in den letzten Monaten ein neuer Trend mit demselben Namen entwickelt. Rawdogging, ein Kofferwort-Anglizismus aus raw (roh) und dogging (verfolgen), beschreibt nun einen neuen Reisetrend aus den USA, der fast ausschließlich von Männern praktiziert wird. Als Vorbild dient vermutlich der von Schauspieler Idris Elba verkörperte Serien-Charakter Sam Nelson, der in der 2023er US-Serie Hijacked – festgeschnallt – eine siebenstündige Flugzeugentführung ohne jeglichen Komfort überstehen muss. Im vergangenen Sommer gingen mehrere Videos von jungen Männern viral, die unbeschäftigt im Flugzeug sitzen und geradeaus blicken. Das Hashtag #rawdogging begann sich zu verbreiten und unter den Kommentaren der Videos überflügelten sich Männer mit angeblichen neuen Rekorden im Rawdogging. 

Positives Rawdogging

„Männer mögen Herausforderungen und den Wettkampf“, sagt BARMER-Psychologin Andrea Jakob-Pannier. Sie sieht darin einen der möglichen Hauptgründe für den Trend, was aus ihrer Sicht allerdings nicht unbedingt einem positiv besetzten Ideal von Männlichkeit entspricht. „Wie lange Menschen sich völliger Langeweile aussetzen und dabei auf grundlegende körperliche Bedürfnisse verzichten können, bringt potenzielle gesundheitliche Risiken mit sich“, warnt die Psychologin. Doch wenn das Rawdogging nicht in extremer Form betrieben wird, sind durchaus positive mentale Auswirkungen möglich. Manche mögen es als eine Form der Entschleunigung auffassen. Das konzentrierte Stillhalten bietet Ruhe und zugleich eine Auszeit von der medialen Dauerbeschallung des Alltags. Ob die laute Umgebung eines Flugzeugs dafür geeignet ist, sei dahingestellt. „Rawdogging kann meditative Aspekte haben, wenn wir unseren Gedanken freien Lauf lassen, was beispielsweise eine Steigerung des Selbstbewusstseins und der Konzentrationsfähigkeit bedeuten kann“, sagt Jakob-Pannier. Perfekt abgeschaltet, kann die Flugzeit so schnell vergehen. 

Extremes Rawdogging gefährdet Gesundheit

Doch Rawdogging-light wäre eben nicht das Original, bei dem sich die Teilnehmenden jegliche Ablenkung verbieten. Zudem würde dies keine Anerkennung in sozialen Netzwerken bringen. Von dem durch Rawdogging propagierte schwierige Männlichkeitsbild, nachdem der Mann sich im ständigen Wettbewerb zu anderen Männern befinde, war bereits die Rede. Die extreme Form des Rawdoggings, bei der auf Nahrung, Flüssigkeit und Toilettengang verzichtet wird, kann jedoch schwerwiegende gesundheitliche Folgen haben. „Hierdurch können nicht nur körperliche Begleiterscheinungen wie Kopfschmerzen, Schwindel oder Flüssigkeitsverlust bei einem langen Flug auftreten, sondern auch psychische Folgen durch zwanghafte Gedanken und Verhaltensweisen entstehen“, sagt Jakob-Pannier. Wünschenswert ist es, mal mehr zur Ruhe zu kommen, weniger zu tun ohne Stress und Zwang und mehr präsent im Moment zu sein. 

Fazit

Rawdogging bleibt ein kurioser Social-Media-Trend, der auf Verzicht und Selbstdisziplin setzt, dabei jedoch sowohl gesundheitliche Risiken birgt als auch ein problematisches Männerbild propagiert. Wer die Flugzeit sinnvoll nutzen möchte, sollte eher auf eine ausgewogene Kombination aus Bewegung, Ablenkung und Entspannung setzen.