Eine junge Frau steht am Fenster, hat eine Tasse und Wärmeflasche in den Händen.
Mitarbeitergesundheit

Zyklusbewusstes Arbeiten: Wie Menstruationsurlaub und Co. die Berufswelt bereichern

Lesedauer weniger als 6 Min

Redaktion:

Internetredaktion Barmer

Produktivität verbessern

Wenn Mitarbeiterinnen ihre Arbeit flexibel an den Zyklus anpassen können, sinkt der Präsentismus und die Leistungsfähigkeit steigt.

Chancengleichheit fördern

Zyklusbewusstes Arbeiten trägt dazu bei, Tabus zu überwinden und Offenheit zu fördern. So schaffen Sie eine Kultur des Verständnisses und des Respekts.

Mitarbeiterbindung stärken

Wer sensibel mit dem Thema umgeht, zeigt Wertschätzung und Fürsorge. So verbessern Sie Ihr Arbeitgeberimage und binden Talente langfristig.

Menstruationsbeschwerden können für viele Frauen eine erhebliche Belastung im Arbeitsalltag darstellen. Zyklusorientiertes Arbeiten steigert die Produktivität und fördert gleichzeitig das Wohlbefinden. Unternehmen profitieren so von motivierteren Teams, weniger Präsentismus und einer modernen, gesundheitsbewussten Unternehmenskultur. Hier erfahren Sie, wie Sie Arbeitnehmerinnen mit gezielten Maßnahmen während des Zyklus unterstützen können.

Was bedeutet zyklusbewusstes Arbeiten?

Zyklusorientiertes Arbeiten – auch als Cycle Syncing bekannt – ist ein moderner Ansatz, der die verschiedenen Phasen des weiblichen Zyklus bei der Arbeitsgestaltung berücksichtigt. Für Arbeitgeber heißt das, ein Umfeld zu schaffen, das Flexibilität, Verständnis und Selbstbestimmung ermöglicht. Während in manchen Zyklusphasen volle Leistungsfähigkeit und Kreativität im Vordergrund stehen, können in anderen Phasen Ruhe und Konzentration wichtiger sein.

Indem Unternehmen diese natürlichen Schwankungen respektieren, fördern sie nicht nur die Gesundheit und Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen, sondern steigern zugleich Motivation, Produktivität und Loyalität.

Warum ist zyklusbewusstes Arbeiten für Unternehmen und Mitarbeitende sinnvoll?

Mehr Produktivität durch zyklusorientierte Arbeitsmodelle

Studien zeigen, dass zyklische Hormonschwankungen sich je nach Phase unterschiedlich auf die wahrgenommene Arbeitsproduktivität auswirken. Viele Frauen sind während ihrer Periode von Beschwerden wie Regelschmerzen, Krämpfen, Rückenschmerzen, Übelkeit oder Verdauungsproblemen betroffen. Diese können ihre Leistungsfähigkeit deutlich einschränken. Ohne entsprechende Unterstützung arbeiten Betroffene häufig trotz starker Symptome weiter. Dieses Phänomen des Präsentismus mindert langfristig die Produktivität.

Durch eine gezielte Freistellung haben Frauen die Möglichkeit, sich zu erholen und anschließend gestärkt in den Arbeitsalltag zurückzukehren. Das kann nicht nur die Gesundheit, sondern auch die Arbeitsleistung nachhaltig verbessern.

Abbau des Menstruationstabus

Die Menstruation wird in vielen Arbeitskontexten noch immer verschwiegen oder als Randthema betrachtet. Dabei betrifft sie einen erheblichen Teil der Beschäftigten. Ein offizieller Rahmen könnte nicht nur das Bewusstsein für die gesundheitlichen Herausforderungen menstruierender Personen schärfen, sondern auch zu einem offeneren Umgang im Unternehmen führen. Als Arbeitgeber haben Sie so die Chance, eine Unternehmenskultur zu fördern, die von Sensibilität, Gleichstellung und einem modernen Gesundheitsbewusstsein geprägt ist. Das kann langfristig sowohl das Betriebsklima als auch die Mitarbeiterbindung positiv beeinflussen.

Zyklusbewusstes Arbeiten als Teil eines modernen Arbeitgeberimage

Unternehmen, die sensibel auf die gesundheitlichen Bedürfnisse ihrer Mitarbeitenden eingehen, zeigen Verantwortung, modernes Führungsverständnis und echtes Interesse am Wohlbefinden der Belegschaft.

Das kann Ihre Attraktivität als Arbeitgeber steigern und zu einem Wettbewerbsvorteil im Recruiting werden. Insbesondere die jüngeren Generationen legen Wert auf Diversität, Inklusion und eine gesundheitsorientierte Unternehmenskultur. 

Kritik: Was spricht gegen zyklusorientierte Arbeitsmodelle?

Neben den möglichen Vorteilen gibt es auch Bedenken gegenüber dem Konzept. Kritiker argumentieren, dass eine solche Regelung bestehende Stereotype über Frauen im Arbeitsleben verstärken könnte. Die Annahme, dass Mitarbeiterinnen regelmäßig ausfallen, birgt das Risiko, sie als weniger belastbar oder weniger leistungsfähig wahrzunehmen. Das kann Folgen für ihre Gleichstellung im Beruf nach sich ziehen.

Wie können Arbeitgeber Beschäftigte mit Zyklusbeschwerden unterstützen?

Anstelle einer offiziellen Freistellung können Unternehmen auch andere Wege finden, um Mitarbeiterinnen während der Menstruation zu unterstützen. So lassen sich individuelle Bedürfnisse berücksichtigen, ohne dass es zu längeren Ausfällen kommt.

  • Flexible Arbeitszeitmodelle
    Eine Möglichkeit besteht darin, die Arbeitszeiten während der Periode flexibel anzupassen. Kürzere Schichten oder die Option, Arbeitsbeginn und -ende je nach Befinden im Gleitzeitmodell zu verschieben, geben Betroffenen mehr Handlungsspielraum und erleichtern den Umgang mit Beschwerden.
  • Homeoffice und mobiles Arbeiten
    Auch die spontane Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, kann eine Entlastung sein. So vermeiden Beschäftigte zusätzliche Belastungen durch den Arbeitsweg. Sie können in einem vertrauten Umfeld arbeiten, das bei Bedarf mehr Ruhe bietet.
  • Rückzugs- und Ruheräume
    Arbeitgeber können zudem durch geeignete Infrastruktur unterstützen, etwa mit Ruheräumen, in denen sich Betroffene für eine kurze Zeit zurückziehen können. Dies signalisiert Offenheit und fördert eine gesundheitsfreundliche Unternehmenskultur.
  • Individuelle Lösungen im Dialog
    Eine offene Gesprächskultur spielt eine große Rolle. Wenn Mitarbeiterinnen ohne Vorbehalte ihre Bedürfnisse äußern können, lassen sich gemeinsam individuelle Lösungen entwickeln. Diese sind sowohl für die Betroffenen als auch für das Unternehmen praktikabel.
  • Gesundheitsangebote und Aufklärung
    Gezielte Angebote wie Beratungen, Workshops oder Informationsmaterialien zum Thema Frauengesundheit helfen, das Bewusstsein im Unternehmen zu stärken. Auch die Einbindung in das betriebliche Gesundheitsmanagement trägt dazu bei, Tabus abzubauen. Viele Unternehmen setzen inzwischen auch auf frei zugängliche Periodenprodukte am Arbeitsplatz.

Exkurs: Was ist Menstruationsurlaub?

Menstruationsurlaub bezeichnet die Möglichkeit für Frauen, eine bezahlte oder unbezahlte Freistellung von der Arbeit zu erhalten, wenn sie aufgrund starker Beschwerden nicht arbeitsfähig sind. Dabei handelt es sich nicht um „Urlaub“ im klassischen Sinn, sondern vielmehr um Krankheitstage, die ohne detaillierte Angabe von Gründen genutzt werden können. Besonders relevant ist diese Regelung für Betroffene. Sie leiden unter so ausgeprägten Regelschmerzen, dass sie kaum in der Lage sind, sich zu konzentrieren oder den Arbeitsalltag zu bewältigen.

Menstruationsurlaub weltweit: Wo gibt es ihn bereits?

Zum ersten Mal wurde der „menstrual leave“ in den 1920er und -30er Jahren im asiatischen Raum eingefordert. Junge Fabrikarbeiterinnen hatten zu dieser Zeit mit schwierigen Arbeitsbedingungen zu kämpfen. In einigen asiatischen Ländern ist Menstruationsurlaub heutzutage gesetzlich verankert. In Taiwan können Frauen bis zu drei Tage pro Jahr freinehmen. In dieser Zeit erhalten sie jedoch nur die Hälfte ihres Gehalts. In Südkorea haben Arbeitnehmerinnen Anspruch auf einen freien Tag pro Monat, wenn sie diesen beantragen. Jedoch ist hier nicht gesetzlich verankert, wer die Kosten trägt und ob währenddessen ein Lohnanspruch besteht.

Spanien ist europäischer Vorreiter
Seit 2023 gibt es den bezahlten Menstruationsurlaub auch in Spanien. Es ist das erste Land in Europa, das diese Regelung einführt. Um "menstruationsfrei" zu bekommen, ist jedes Mal ein ärztliches Attest nötig. Die Dauer der Freistellung ist unbegrenzt. Sie hängt laut Gesetz davon ab, wie stark die Schmerzen sind und wie lange sie anhalten. Die Kosten für den „period leave“ werden von der spanischen Sozialversicherung übernommen, nicht vom Arbeitgeber. Die Einführung gilt als großer feministischer Erfolg. Vor der Einführung dieses Gesetzes erhielten Frauen in Spanien bei Krankheit erst ab dem vierten Tag eine Lohnfortzahlung. Der Menstruationsurlaub sollte diese Lücke schließen. Er ermöglicht es Frauen mit starken Beschwerden, zu Hause zu bleiben, ohne finanzielle Nachteile zu erleiden.

Situation in Deutschland
In Deutschland existiert bislang keine vergleichbare Regelung oder gesetzliche Grundlage. Frauen mit menstruellen Beschwerden können sich krankmelden und bekommen ab dem ersten Tag Lohnfortzahlung. Somit ist die generelle Situation für arbeitsunfähige Beschäftigte deutlich besser als in Spanien. Die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall ist im Entgeltfortzahlungsgesetz geregelt.

Aktuell steht im Stuttgarter Gemeinderat das Thema Menstruationsurlaub zur Debatte. Die Fraktion Die Linke SÖS Plus fordert, dass städtische Beschäftigte bei starken Regelschmerzen bis zu drei Tage im Monat bezahlt freigestellt werden können – ohne ärztliches Attest, allein durch Selbstmeldung. Damit wäre Stuttgart bundesweit die erste Stadt mit einer solchen Regelung. Ob der Vorstoß Erfolg hat, ist unklar.

Eine Geschäftsfrau mit Tablet in einem modernen Büro

Mit dem Barmer-BGM-Team Frauengesundheit fördern

Gestalten Sie Ihr individuelles, betriebliches Gesundheitsprogramm mit besonderem Fokus auf die Belange von Frauen.

  • Reduzieren Sie Fehlzeiten durch Angebote, die zyklusbedingte Beschwerden, mentale Belastungen und Wechseljahre berücksichtigen
  • Fördern Sie eine offene Kommunikation und Wertschätzung für mehr Motivation und Identifikation mit dem Unternehmen
  • Erhöhen Sie Ihre Attraktivität als moderner Arbeitgeber, der Gleichstellung und individuelle Bedürfnisse ernst nimmt