Die Achillessehne ist stark, aber auch verletzungsanfällig. Besonders Sportlerinnen und Sportler kennen die Schmerzen, die mit einer Überlastung einhergehen. Lange war eine Operation oft die letzte Hoffnung. Doch zwei Trainingsmethoden, das Alfredson-Protokoll und das Heavy Slow Resistance Training, zeigen, dass es auch anders geht.
Benannt ist sie nach dem griechischen Sagenheld Achilles. Um Unverwundbarkeit zu erlangen, tauchte ihn seine Mutter in den Fluss Styx, der die Welt der Lebenden vom Totenreich des Hades abtrennt. Allein der Bereich der Ferse, an dem sie ihn festhielt, blieb vom Wasser des Styx unberührt und wurde zu seiner verwundbaren Stelle. Wer schon mal Schmerzen an der Achillessehne hatte, kann nachvollziehen, warum Homer genau diese Körperstelle für seine Sage auswählte.
Starke Sehne
Die Achillessehne ist die stärkste Sehne des menschlichen Körpers, die Zugkräften von mehr als 800 Kilogramm standhalten kann. Sie verbindet die wichtigsten Beugemuskeln des Unterschenkels mit dem rückseitigen Teil des Fußskeletts und nimmt eine wesentliche Rolle beim Gehen, Laufen, Springen und Abstoßen des Fußes vom Boden ein. „Durch diese enorme Beanspruchung ist die Achillessehne anfällig für Überlastung, Mikrotraumata und Entzündungen“, sagt Katharina Steinbach, Sportwissenschaftlerin der BARMER. Bei jeder Aktivität, die über den Vorderfuß erfolgt, wirkt eine enorme Kraft auf die Achillessehne. Genau wie eine Feder muss sie Energie absorbieren, speichern und auch wieder freisetzen. „Der häufigste Grund für eine Entzündung, der sogenannten Tendinitis, oder einen Riss ist die schwache Durchblutung der Achillessehne in ihrer mittleren Zone, die etwa zwei bis sechs Zentimeter oberhalb des Fersenansatzes liegt“, weiß Steinbach. Wird die Achillessehne konstant zu stark beansprucht und treten dann chronische Schmerzen auf, spricht die Medizin übrigens von einer Achillodynie. Mikroschäden durch Sport oder eine einseitige Belastung können diese begünstigen.
Die Sage von Alfredson
„Bis in die 1990er Jahre war die Operation bei chronischen Achillessehnenbeschwerden in vielen Fällen die gängige Option, wenn konservative Maßnahmen versagten“, sagt die Sportwissenschaftlerin. Die Alternativen zur Operation bestanden zumeist aus Schonung und Belastungsvermeidung, entzündungshemmenden Medikamenten, Physiotherapie, Einlagen und den später als potenziell gefährlich erkannten Cortison-Injektionen. Dass die Achillessehne auch anders geheilt werden kann, beweist eine moderne Sage um den schwedischen Orthopäden Håkan Alfredson. Dieser litt selbst unter einer ausgeprägten Achillodynie, von der er gerne befreit werden wollte. Alfredson bat seinen Vorgesetzten um eine Operation, doch dieser lehnte ab, da er wusste, dass Alfredson nach dem Eingriff für längere Zeit ausfallen würde. Enttäuscht über die Ablehnung beschloss Alfredson, seine Sehne durch intensive Belastung absichtlich weiter zu schädigen, in der Hoffnung, so doch noch eine Operation zu erzwingen. Er begann mit Kraftübungen, bei denen der Muskel gedehnt wird, während dieser gegen einen Widerstand arbeitet. „Zu seiner Überraschung verbesserten sich durch diese exzentrischen Übungen seine Schmerzen nach einigen Wochen deutlich, so dass eine Operation nicht mehr notwendig war“, so Steinbach. Aus diesen Erfahrungen heraus entwickelte er Ende der 1990er Jahre das Alfredson-Protokoll, das heute weltweit als effektive Behandlungsmethode für Achillessehnenschmerzen anerkannt ist.
Das Alfredson Protokoll
Das Protokoll basiert auf der Idee, dass eine schmerzende Sehne durch eine häufige Beanspruchung mit niedriger Intensität behandelt werden sollte. Das exzentrische Training der Wadenmuskulatur umfasst die folgenden Phasen:
Phase 1: Dehnübungen zur Verbesserung der Durchblutung und Beweglichkeit des Sprunggelenks. Dies kann durch das Absenken der Ferse über eine Stufe erfolgen. Die Übung erfolgt in drei Sätzen mit je 15 Wiederholungen zwei Mal täglich.
Phase 2: Steigerung der Intensität durch die Hinzunahme von Gewichten nach ca. vier Wochen, um Kraft und Belastbarkeit der Achillessehne zu erhöhen. Es gilt die gleiche Wiederholungsrate wie zuvor.
Phase 3: Sport- und aktivitätsbezogene Übungen zur Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit der Achillessehne im Alltag und im Sport nach weiteren vier Wochen.
Heavy Slow Resistance Training als Alternative
Gewissenhaft durchgeführt, umfasst Alfredsons Methode ganze zwölf Wochen, während denen das Set an Übungen täglich zwei Mal durchzuführen ist. Eine weniger zeitaufwendige und dabei ebenso konservative Behandlungsmethode für Achillessehnenschmerzen kann das Heavy Slow Resistance (HSR) Training sein. Es kombiniert langsame, kontrollierte Bewegungen mit hoher Belastung. Im Gegensatz zum rein exzentrischen Training nach Alfredson umfasst das HSR-Training ebenso die konzentrischen Phasen der Muskelverkürzung, beispielsweise beim Aufrichten aus der Hocke. Das HSR-Training erfolgt auch über den Zeitraum von zwölf Wochen, wobei hier drei absolvierte Einheiten pro Woche genügen. Studien zeigen, dass das HSR-Training ähnlich effektiv wie das exzentrische Training nach Alfredson ist. Dabei lässt es die Patienten tendenziell zufriedener zurück, da es dank der geringeren Frequenz eher mit ihrem Alltag zu vereinbaren ist. „Auf welches Trainingsprogramm die Wahl auch fallen mag, beide Methoden sind evidenzbasierte Alternativen zu einer Operation, nach der Betroffene bis zu sechs Monate ausfallen können“, sagt Katharina Steinbach.