Zu sehen ist eine Frau, die sich ein Diabetes-Medikament in den Bauch spritzt
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Gehypt und problematisch: Diabetes-Medikamente zum Abnehmen

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Rund ein Viertel der Erwachsenen in Deutschland ist mit einem Body-Mass-Index von über 30 krankhaft übergewichtig. Die Wirkstoffe Semaglutid und Dulaglutid machen den Adipositas-Betroffenen nun Hoffnung. Unter den Handelsnamen Ozempic und Trulicity sind die Medikamente auf Rezept erhältlich. Ersteres geht bei TikTok unter dem Hashtag #ozempic mit über 919 Millionen Aufrufen gerade förmlich durch die Decke. #trulicity schafft es auf über 44 Millionen so genannte Views – ein Hype, der nicht ungefährlich ist, auch für diejenigen, die auf die Medikamente dringend angewiesen sind.

Semaglutid und Dulaglutid: Zulassung zur Diabetes-Behandlung

„Die Wirkstoffe Semaglutid und Dulaglutid sind hierzulande zur Behandlung von Diabetes Typ 2 zugelassen“, erläutert Barmer-Apothekerin Heidi Günther. Die verschreibungspflichtigen Spritzen wirkten ähnlich wie das körpereigene Hormon GLP-1, das unter anderem den Appetit hemmt. Die Medikamente im Off-Label-Use, also ohne entsprechende Indikation, zum Abnehmen zu verwenden, sieht Günther kritisch: „Es ist immer mit Risiken verbunden, Medikamente nicht indikationsbezogen einzusetzen“. Noch gefährlicher ist es, sich die Medikamente im Internet ohne ärztlichen Rat zu besorgen. Schließlich tummeln sich zahlreiche unseriöse Anbieter im Netz, die gefälschte Arzneimittel mit unklaren Inhaltsstoffen anbieten. Für bestimmte Patienten besteht zudem eine Kontraindikation. „Semaglutid darf beispielsweise nicht verabreicht werden, wenn in der Familie Fälle von Schilddrüsenkrebs bekannt sind oder die Patientin beziehungsweise der Patient selber daran erkrankt ist“, warnt Günther.

Fachgesellschaft sieht Off-Label-Einsatz von Ozempic problematisch

Auch die Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie (DGE) sieht den Off-Label-Use von Ozempic problematisch. Sie warnte deshalb bereits im November letzten Jahres vor der Anwendung dieses Wirkstoffes außerhalb der zugelassenen Indikationen. Risiken für die Gesundheit und unerwünschte Nebenwirkungen wie Übelkeit und Erbrechen seien nicht auszuschließen. Auch Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse und Gallenblase könnten die Folge sein. Tierversuche hätten zudem ein potenziell erhöhtes Risiko für bestimmte Schilddrüsenkrebsarten ergeben.

Versorgung von Typ-2-Diabetikern nicht aufs Spiel setzen

Zudem gefährdet der Ansturm auf die Medikamente die Versorgung der eigentlichen Zielgruppe, der Diabetiker. Tatsächlich zeigt der Blick ins Internet, dass Ozempic und Trulicity aktuell nicht in jeder Internet-Apotheke zur rezeptpflichtigen Bestellung sofort verfügbar sind. Gerade das bei TikTok gehypte Ozempic ist oftmals vergriffen. Auch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) sieht im nicht indikationsbezogenen Einsatz von Ozempic und Trulicity eine Gefahr für die Versorgung von Diabetes-Patienten. Laut BfArM wird seit Beginn des Jahres 2022 sowohl behördenseitig als auch in der praktischen Versorgung der Patientinnen und Patienten ein stetiger Anstieg des Verbrauchs beobachtet, unter anderem hervorgerufen durch den Off-Label-Einsatz dieser Arzneimittel in der Behandlung der Adipositas. Die betroffenen Produkte sollten deshalb außerhalb der zugelassenen Indikationen nur im Rahmen von klinischen Studien zum Einsatz kommen, um die Versorgung von Patienten mit Typ 2 Diabetes bedarfsgerecht sicherzustellen. Eine Verordnung außerhalb der zugelassenen Indikationen zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) ist grundsätzlich nicht zulässig. Zudem empfiehlt das BfArM, dass die Verordnung der Arzneimittel auf Nicht-GKV Rezepten nur noch unter Angabe einer zugelassenen Indikation erfolgen soll. Fehle die Angabe der Indikation, müsse die Apotheke zunächst Rücksprache mit der verordnenden Ärztin oder dem verordnenden Arzt halten und die Indikation klären.