Melatonin-Gummibärchen liegen als schnelle Lösung für müde Eltern und überdrehte Kinder im Trend. Doch der scheinbar harmlose Schlafhelfer birgt Risiken. Was in den Gummis enthalten ist, warum Eltern wachsam sein sollten und welche Alternativen wirklich helfen erklärt dieser Ratgeber.
Melatonin zum Naschen: Wie gefährlich ist der neue Einschlaftrend?
Der Versuch, das Kleinkind in den Schlaf zu bringen scheitert bereits seit Stunden. Zu aufgedreht ist es an diesem Abend. Auf die gestressten Eltern wartet noch die Küche, die es nach dem Abendessen aufzuräumen gilt, aber das Kind lässt sie nicht gehen und der Feierabend rückt in weite Ferne. Wäre es nicht verlockend, jetzt ein Wundermittel zur Hand zu haben, dass das Kind müde macht und sanft in den Schlaf führt? Melatonin-Gummibärchen versprechen genau das. Sie sehen harmlos aus, schmecken süß und sind zudem frei verkäuflich. Der Trend stammt aus den USA und schwappt zunehmend nach Europa. Doch so harmlos, wie die bunten Bärchen wirken, sind sie nicht. „Melatonin ist ein Hormon, kein Bonbon“, sagt Dr. André Breddemann, Arzneimittel-Experte der BARMER.
Was ist Melatonin?
Sobald es dunkel wird, beginnt die Melatonin-Produktion im Körper. Gebildet wird es in der Zirbeldrüse und reguliert den Schlaf-Wach-Rhythmus. Melatonin signalisiert dabei dem Körper, dass es jetzt Zeit zum Schlafen ist. Bei Schichtarbeit, Jetlag oder chronischen Einschlafproblemen kann die Einnahme von Melatonin helfen, den natürlichen Rhythmus wieder in Takt zu bringen.
Arzneimittel vs. Nahrungsergänzungsmittel
Melatonin-Gummibärchen werden in Deutschland nicht als Arzneimittel, sondern als Nahrungsergänzungsmittel vertrieben. Diese unterliegen ganz anderen Vorgaben, da sie keinen Wirksamkeitsnachweis vorlegen und nicht zugelassen, sondern nur registriert werden müssen. „Gerade das macht sie so gefährlich, vor allem für Kinder“, warnt Breddemann und ergänzt: „Der Zugang ist leicht, die Verpackung erinnert an Süßigkeiten und es kam bereits vor, dass der auf der Verpackung angegebenen Melatonin-Gehalt nicht exakt eingehalten wurde.“ Melatonin-haltige Nahrungsergänzungsmittel sind sowohl in der Apotheke, aber auch in Drogerie- oder Super-Märkten erhältlich. In Deutschland sind aber auch Arzneimittel mit Melatonin auf dem Markt. Diese werden ausschließlich über Apotheken vertrieben. Melatonin-haltige Arzneimittel sind verschreibungspflichtig.
Warnung aus den USA
In den USA sind Melatonin-Produkte seit Jahren fester Bestandteil der Supermarktregale. Eine große US-Studie des Centers for Disease Control and Prevention (CDC) zeigte, dass sich zwischen den Jahren 2012 und 2021 melatoninbedingte Notfälle bei Kindern verfünffacht haben. Besonders bei versehentlicher Überdosierung, da Kinder die Gummibärchen für Süßigkeiten hielten. In den USA ergaben Laboranalysen teils stark schwankende Wirkstoffmengen. Manche Präparate enthielten bis zu 400 Prozent der angegebenen Dosis.
Tipps für Eltern: So gehen Sie verantwortungsvoll mit Melatonin um:
- Nur nach Rücksprache mit Ärztin oder Arzt einsetzen.
- Keine Dauernutzung! Melatonin sollte nicht Teil der täglichen Einschlafroutine werden.
- Finger weg bei bunten Gummiformen! Sie erhöhen das Risiko der Verwechslung mit Süßigkeiten.
- Auf Seriosität achten! Wenn möglich, Produkte mit Arzneimittel-Zulassung bevorzugen.
- Auf natürliche Einschlafhilfen setzen! Feste Abendroutinen, Dunkelheit, Entspannungsrituale.
Schlaf beginnt im Alltag – nicht in der Gummidose
„Viele Eltern greifen vielleicht aus Sorge oder Erschöpfung vorschnell zu Schlafmitteln“, sagt Dr. Breddemann. Dabei sei der Schlüssel oft ein konsequenter Tagesablauf. „Bewegung, Bildschirmzeit reduzieren, feste Schlafenszeiten, das bringt meist mehr als jedes Gummibärchen“, so der Experte der BARMER. Melatonin-Gummis können helfen, aber nur unter ärztlicher Kontrolle. Wer Schlafprobleme ernst nimmt, sollte Ursachen klären lassen, statt sie süß zu verpacken.
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