Erfurt, 10. November 2025 – In Thüringen ist weniger als ein Viertel der anspruchsberechtigten Menschen vollständig gegen Herpes zoster (Gürtelrose) geimpft. Rund 584.000 Thüringerinnen und Thüringer ab 60 Jahren haben somit keinen ausreichenden Impfschutz, obwohl für sie die Impfung von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen und von den Krankenkassen übernommen wird. Der Impfschutz kann zwei von drei Gürtelrose-Erkrankungen verhindern, wie der aktuelle Barmer Arzneimittelreport zeigt.
Robert Büssow, Landesgeschäftsführer der Barmer Thüringen. Foto: Kai Eisentraut
„Die Herpes-zoster-Impfung senkt das Risiko einer Gürtelrose erheblich. Die bisherige Impfquote ist jedoch absolut enttäuschend. Angesichts der oft schweren Verläufe und Komplikationen ist die Quote zu niedrig. Versicherte haben Anspruch auf die Impfung und sollten sie angeboten bekommen“, sagt Robert Büssow, Landesgeschäftsführer der Barmer in Thüringen. Hausärztinnen und Hausärzten komme eine besonders wichtige Rolle zu, damit die Impfquoten wieder steigen. „Die Ärztinnen und Ärzte haben die höchste Glaubwürdigkeit. Deshalb ist ihre Ansprache am wirkungsvollsten“, so Büssow weiter.
Impfraten deutschlandweit unzureichend
Konkret sind nur 23,3 Prozent der Thüringer Barmer-Versicherten über 60 Jahren vollständig gegen Gürtelrose geimpft. Im Osten Deutschlands ist das die niedrigste Impfquote. Der bundesweite Schnitt ist mit 21,3 Prozent aber noch geringer. Schlusslichter unter den Bundesländern sind Baden-Württemberg und Bayern mit Impfquoten von 15,2 bzw. 15,4 Prozent. In Sachsen-Anhalt ist immerhin fast jeder Dritte ab 60 Jahren (29,3 Prozent) geimpft. Obwohl die Impfquote in Schleswig-Holstein besser ist als der bundesweite Durchschnitt (21,3 Prozent), liegt das Erkrankungsrisiko für über 60- und über 80-Jährige über dem Bundesdurchschnitt.
Impfquoten in Hausarztpraxen sehr unterschiedlich
Der Arzneimittelreport zeigt auch Unterschiede bei der Gürtelrose-Impfquote zwischen Hausarztpraxen. In Thüringen reichen die Impfquoten je Praxis von null bis 71 Prozent. Die zehn Prozent der Thüringer Praxen, die am meisten impfen, tun dies nur bei rund 46 Prozent der Patientinnen und Patienten, die eigentlich Anspruch auf eine Impfung gegen Gürtelrose haben. „Stark variierende Gürtelrose-Impfquoten deuten darauf hin, dass nicht alle hausärztlichen Praxen die Impfung gleichermaßen anbieten“, sagt Barmer-Landeschef Büssow. Ob ein Patient oder eine Patientin die Impfung erhalte, sollte nicht vom Hausarzt abhängen. Impfen sei Aufgabe aller Praxen. „Mögliche Impfskepsis ist laut Barmer Arzneimittelreport nicht die Ursache für die unzureichenden Impfquoten. Denn in den Analysen zeigt sich, dass die Herpes-zoster-Impfquoten in den Praxen mit den Quoten der Grippe-Impfung korrelieren. Das lege nahe, dass es bei den weniger impfenden Praxen keine selektive Impfskepsis explizit gegen Gürtelrose gibt.
Elektronische Patientenakte als Chance
Um die Impfquoten zu steigern und Menschen ab 60 Jahren besser gegen die Infektion und Folgen einer Herpes-zoster-Infektion zu schützen, schlägt die Barmer unter anderem ein Erinnerungssystem in der elektronischen Patientenakte (ePA) vor. Eine solche Lösung könnte Ärztinnen und Ärzte auf anstehende Impfungen hinweisen, idealerweise als „Push“-Informationen, sodass der Arzt automatisch relevante Informationen erhält – ohne zusätzlichen Aufwand und ohne, dass ältere Patienten eine App bedienen müssten.
„Bei der Umsetzung einer solchen Erinnerungslösung müssen Impfdaten, die von der impfenden Praxis sowieso schon in deren eigenem Praxissystem gespeichert werden müssen, automatisch in die ePA übertragen werden, in den Impfpass. Ich sehe die Software-Hersteller in der Pflicht, dafür nutzerfreundliche Lösungen zu entwickeln“, so Robert Büssow. Der Barmer-Landeschef befürworte zudem, die Impfberatung für Menschen ab 60 Jahren als eigenständigen Vorsorgetermin zu etablieren.
Erkrankungsrate steigt mit dem Alter deutlich an
Der Arzneimittelreport zeigt, dass vor allem ältere Menschen in Thüringen an Gürtelrose erkranken. Mit steigendem Alter treten auch häufiger Folgeerkrankungen auf. Menschen zwischen 60 und 69 Jahren sind 52 Prozent häufiger von Gürtelrose-Erkrankungen betroffen als jene zwischen 18 und 59 Jahren. Ab 80 Jahren verdoppelt sich das Risiko nahezu. Auch bei den Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen sind Menschen ab 80 Jahren am stärksten betroffen. Sie erleiden dreimal häufiger eine Gürtelrose mit Augenbeteiligung, die bis zum Erblinden führen kann und fast viermal häufiger andauernde Nervenschmerzen. „Ich appelliere an alle über 60, die Gürtelrose-Impfung anzunehmen, um sowohl die akute Erkrankung als auch schwerwiegende Folgen zu vermeiden“, sagt Büssow.