Patientinnen und Patienten sind mitunter verunsichert, wenn es um die Bewertung des eigenen Gesundheitszustands geht. Können meine Beschwerden noch bis morgen warten? Soll ich den Kassenärztlichen Notdienst kontaktieren? Muss ich mich in die Notaufnahme begeben? Viele Menschen strengen dann eine Onlinerecherche an und fragen den berühmten „Dr. Google“. Eine schnelle und vor allem sichere Hilfestellung leistet seit April 2023 der „Digitale Gesundheitslotse“ der Universitätsmedizin Halle. Sie stellt damit eine Anwendung per Mobiltelefon oder via Internet zur Verfügung, die bei der Ersteinschätzung des Gesundheitszustands hilft.
Symptome weder über- noch unterschätzen
Betroffene können von zuhause beziehungsweise von unterwegs aus auf die Anwendung zugreifen und werden strukturiert nach allgemeinen Merkmalen, ihren Symptomen und möglichen Vorerkrankungen gefragt. Susann Homann, Leiterin der Stabsstelle Digitale Transformation bei der Universitätsmedizin Halle, erklärt: „Auf diese Weise kann anonym, schnell und sicher herausgefunden werden, ob die angegebenen Beschwerden auf eine dringend zu behandelnde Erkrankung hinweisen und wie schnell und auf welcher Versorgungsebene diese am besten behandelt werden sollte.“ Ziel des Digitalen Gesundheitslotsen ist es, Patienten aktiv zu steuern. Die geführte Selbsteinschätzung hilft außerdem beim Erkennen von lebensbedrohlichen Zuständen, wie zum Beispiel einem Herzinfarkt. Viele Menschen interpretieren Symptome falsch und verzögern so die Behandlung. Hier setzt der Digitale Gesundheitslotse an. Zudem werden nur die notwendigen Gesundheitsdaten und keine personenbezogenen Daten erhoben, was die Anonymität der Nutzenden garantiert. Die eingegebenen Inhalte der Selbsteinschätzung können durch die Nutzerinnen und Nutzer jedoch lokal für die eigenen Unterlagen abgespeichert und bei Bedarf auch an die behandelnden Ärztinnen und Ärzte weitergegeben werden. Seit der Einführung Mitte April 2023 wurde der Digitale Gesundheitslotse mehrere tausend Mal genutzt.
Wertvolle Hilfestellung in der Notaufnahme
Seit Oktober 2023 kommt die mobile Anwendung auch in der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Halle (Saale) zum Einsatz. Suchen Patienten die Notaufnahme auf, erfolgt eine Ersteinschätzung durch die Mitarbeitenden vor Ort. Weniger dringende Fälle haben im Anschluss die Möglichkeit, im Wartebereich die strukturierte Abfrage durchzuführen. Über einen individuellen QR-Code können sie den Digitalen Gesundheitslotsen aufrufen und Fragen zu ihrem Gesundheitszustand beantworten. Damit überbrücken Betroffene nicht nur ihre Wartezeit, sondern helfen bei der Anamnese, denn die Angaben werden später beim Gespräch mit dem Arzt genutzt. Somit bringt das Tool Vorteile für beide Seiten – die Patienten und die Ärzte: Der Arzt hat mehr Zeit am Patienten, denn die Daten liegen bereits vor. „Der Digitale Gesundheitslotse ersetzt natürlich nicht das Anamnesegespräch mit den Ärztinnen und Ärzten in der Notaufnahme“, versichert Oberarzt Frank Noack, stellvertretender Leiter der Zentralen Notaufnahme des Universitätsklinikums Halle (Saale). „Jedoch können wir jetzt mit dem Einsatz moderner Technologien wichtige zusätzliche Informationen an die behandelnden Medizinerinnen und Mediziner weiterleiten und gleichzeitig für alle die Wartezeiten in der Notaufnahme verkürzen.“
Künstliche Intelligenz
Hinter dem Digitalen Gesundheitslotsen steckt das zertifizierte Medizinprodukt Swiss Medical Assessment System. Dessen geschlossene Künstliche Intelligenz basiert auf ärztlicher Expertise und medizinischen Richtlinien. Die zugrundeliegende Wissensdatenbank ist evidenzbasiert und berücksichtigt bis dato mehr als 2.200 wissenschaftliche Studien. Die webbasierte Anwendung wird als eines von insgesamt vier Digitalisierungsprojekten an der Universitätsmedizin Halle im Rahmen des Krankenhauszukunftsgesetzes umgesetzt.
Förderung durch den Gesetzgeber
Über den Krankenhauszukunftsfonds wird die Modernisierung der Krankenhäuser gefördert. Neben der Erhöhung der Versorgungsqualität liegt der Fokus vor allem auf der Digitalisierung. Über den Ausbau der digitalen Infrastruktur soll die medizinische Versorgung krankenhausintern und -übergreifend sichergestellt und verbessert werden. Den Kern bilden die Ablauforganisation, Dokumentation und Kommunikation. Ein besonderes Augenmerk kommt der (informations-)technischen Ausstattung der Notaufnahmen zuteil. Nicht zuletzt wird auch die Erhöhung der Selbstbestimmung und Souveränität der Patienten ins Auge gefasst. Die Förderung wird anteilig durch den KHZF (70%) und das Land, den Krankenhausträger oder beide zusammen (30%) finanziert. Über den Krankenhauszukunftsfonds stehen dem UKH insgesamt fünf Millionen Euro zur Umsetzung zur Verfügung.