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Hochkomplexe Arzneimitteltherapien in Hessen - Projekt TOP schafft mehr Sicherheit im St. Josefs-Hospital im Rheingau

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Frankfurt, 12. Dezember 2022 – Viele Menschen in Hessen erhalten hochkomplexe Arzneimitteltherapien. Ohne digitale Unterstützung drohen Informationslücken, die insbesondere bei Notfallaufnahmen im Krankenhaus zu gefährlichen Risiken führen können. Das zeigt der aktuelle Arzneimittelreport der Barmer. Er analysiert die Arzneimitteltherapie von Versicherten ab dem Alter von 40 Jahren in einem Zeitraum von zehn Jahren. Im Schnitt bekommen die Menschen in Hessen in einer Lebensdekade 73 Rezepte von rund sieben Ärztinnen und Ärzten. Sie nehmen 107 Packungen Medikamente aus sechs verschiedenen Apotheken mit im Schnitt rund 19 verschiedenen Wirkstoffen. Bei Hessinnen und Hessen ab 80 Jahren liegt die Zahl der Wirkstoffe bei rund 27 und damit etwa 42 Prozent höher. Die Menschen in Hessen wurden im Jahr 2020 mit fast 460.000 Kombinationen aus zwei Medikamenten behandelt. „Die Komplexität von Arzneimitteltherapien lässt sich analog nicht sicher beherrschen. Ohne vollständige Kenntnis der aktuellen Medikation wird sie zu einem unkalkulierbaren Risiko, insbesondere bei ungeplanten Krankenhausbehandlungen“, erklärt Martin Till, Landeschef der Barmer in Hessen. 

Mehr Patientensicherheit im Krankenhaus durch TOP

Die Barmer und das St. Josefs-Hospital Rheingau in Rüdesheim arbeiten im Innovationsfondsprojekt TOP für mehr Sicherheit in der Arzneimitteltherapie zusammen. Die Abkürzung steht für „Transsektorale Optimierung der Patientensicherheit“ und das Projekt ermöglicht, alles Wichtige zur medizinischen Vorgeschichte aus Routinedaten der Krankenkasse ohne Zeitverzug an das Krankenhaus zu übermitteln. Neben einer Liste aller verordneten Arzneimittel werden Ärztinnen und Ärzte durch eine Software auf Risiken der Arzneitherapie hingewiesen. Bei Patientinnen und Patienten, die eine komplexe und riskante Arzneimitteltherapie erhalten, können sich die Ärzte und Ärztinnen der chirurgischen Abteilungen zusätzlich mit externen Apothekerinnen und Apothekern bezüglich der Arzneimitteltherapie austauschen und deren Rat einholen. Das Projekt unterstützt zudem den Entlassungsprozess, damit beim Wechsel zurück in die hausärztliche Betreuung keine Informationen verloren gehen. PD Dr. Markus Schubert, ärztlicher Direktor und Chefarzt der Inneren Medizin am St. Josefs-Hospital Rheingau erklärt: „Durch den innovativen digitalen Ansatz des TOP-Projektes bietet es enormes Potential, die Arzneimittelsicherheit bei unseren Patientinnen und Patienten zu verbessern und somit die Behandlungsqualität in unserer Region zu steigern. Es freut uns daher sehr, dass schon jetzt viele Patientinnen und Patienten Interesse an der Studie zeigen und sich beteiligen.“ Jens Gabriel, Geschäftsführer des St. Josefs-Hospital Rheingau ergänzt: „Das TOP-Projekt bietet darüber hinaus  die Chance, die Zusammenarbeit verschiedener Berufsgruppen zum Wohle unserer Patientinnen und Patienten zu stärken. Die Kooperation zwischen der Barmer und den bundesweit am Versorgungsprojekt teilnehmenden Krankenhäusern ist sehr gut und wir können gegenseitig aus den gemachten Erfahrungen lernen.“ 

BARMER fordert TOP als Regelversorgung

TOP beseitige mit Einverständnis der Patienten Informationsbrüche, Risiken und Schäden bei Polypharmaziepatientinnen und -patienten von der Aufnahme in die Klinik bis zur Entlassung und Überleitung zum ambulanten Bereich. Das Besondere ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen arztunterstützenden Krankenhausapothekerinnen und -apothekern sowie den behandelnden Ärzten. Sie bekommen die von der Barmer gespeicherten Abrechnungsdaten zur Verfügung gestellt. So erhalten sie wichtige Informationen zur Gesundheitshistorie der Patienten. Laut Barmer Arzneimittelreport werden die Menschen in Hessen in einem Zeitraum von 10 Jahren ab dem 40. Lebensjahr rund zwei Mal im Krankenhaus behandelt. Bei den über 80-Jährigen liegt die Zahl der Krankenhausbehandlungen fast doppelt so hoch. „Es wird für mich immer unverständlich bleiben, warum wir die Vorteile aus Digitalisierung und Krankenkassendaten nicht schon längst voll ausschöpfen. Sie sind so offensichtlich nutzenstiftend, zeitsparend für das Krankenhaus und dienen der Patientensicherheit, dass TOP in die Regelversorgung überführt werden sollte“, meint Martin Till.

Höheres Arzneimittelrisiko für Frauen

Frauen erhalten in Hessen intensivere Arzneimitteltherapien als die Männer. Entsprechend höher liegt das Risiko für vermeidbare Medikationsfehler und unerwünschte Neben- und Wechselwirkungen. In einem Zehn-Jahreszeitraum ab dem 40. Lebensjahr erhielten die Frauen in Hessen im Schnitt mehr als 72 Rezepte für rund 21 verschiedene Wirkstoffe von acht verordnenden Ärztinnen und Ärzten. Den Männern verschrieben im Schnitt sieben Ärztinnen und Ärzte 66 Rezepte und 17 Wirkstoffe. Eine große Abweichung zeigt sich auch bei der Zahl der behandelnden Arztpraxen. So wurden die Männer im Schnitt von 17 Ärztinnen und Ärzten behandelt, bei den Frauen sind es mit 24 rund 40 Prozent mehr. „Frauen und Männer sind in Gesundheit und Krankheit nicht gleich. So betreffen Arzneimittelrisiken zum Beispiel während einer Schwangerschaft auch das ungeborene Kind. Gerade deshalb sind Systeme wie TOP überfällig und bergen immense Potentiale für unsere Gesundheit“, meint Till.

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