Immer mehr Pflegebedürftige in Sachsen beziehen Pflegegeld, um sich zu Hause von einer Privatperson betreuen zu lassen. Sie nehmen damit ihre Pflege selbst in die Hand. Zwischen den Jahren 2017 und 2023 stieg die Zahl der Pflegegeldbeziehenden in Sachsen um rund 92 Prozent auf über 145.000.
Dresden, 27. Februar 2025 - Unter Pflegebedürftigen mit dem Pflegegrad 2 und 3 lag der Anstieg bei den Sächsinnen und Sachsen im selben Zeitraum bei über 100 Prozent. Dies zeigt der aktuelle Barmer Pflegereport für Sachsen. „Keine andere Pflegeleistung verzeichnet im Freistaat einen so starken Zuwachs bei der Inanspruchnahme wie das Pflegegeld“, sagt Monika Welfens, Landeschefin der Barmer in Sachsen. Das sei ein Zeichen dafür, dass viele Menschen zu Hause gepflegt werden.
Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen
„Das Pflegegeld kann flexibel eingesetzt und mit anderen Pflegeleistungen kombiniert werden. Damit unterstützt es Pflegebedürftige, die ihre Versorgung selbst sicherstellen, beispielsweise durch die Familie, Nachbarn oder Freunde“, erklärt Welfens, fordert aber gleichzeitig, dass für pflegende Angehörige eine steuerfinanzierte Pflegezeit, in Anlehnung an die Elternzeit, geprüft werden müsse. Denn Renten- und Arbeitslosenversicherungsbeiträge seien für diesen Personenkreis eine notwendige Absicherung für später. „Pflege ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe“, ergänzt Ralph Beckert, Landesgeschäftsführer des Sozialverbands VdK Sachsen e. V. „Gerade, weil eine Pflegebedürftigkeit jeden von uns treffen kann, sollte es nicht vom Budget der oder des Einzelnen abhängen, wie gut Pflege organisiert werden kann. So sehen auch wir die Notwendigkeit einer Lohnersatzleistung für die notwendige Pflegezeit.“
Nimmt Pflegegrad zu, steigt Bedarf an hybriden Pflegemodelle
In Sachsen steigt die Nachfrage nach teilstationären Pflegeangeboten, bei denen Pflegebedürftige tagsüber im Pflegeheim betreut und ansonsten zu Hause versorgt werden. Zwischen 2017 und 2023 wuchs die Zahl, der in dieser Form betreuten Menschen, um 46 Prozent auf rund 15.700, besonders stark bei jenen mit Pflegegrad 3 (plus 73 Prozent). Gleichzeitig nahm auch die ambulante Pflege zu. Im Jahr 2023 wurden rund 67.200 Pflegebedürftige zuhause versorgt, darunter viele mit Pflegegrad 3 (plus 53 Prozent seit 2017). Dies zeigt die Bedeutung des häuslichen Umfelds, das oft durch Pflegedienste und Angehörige unterstützt wird. „Auch bei teilstationären Pflegeangeboten bleibt das häusliche Umfeld ein fester Bezugspunkt. Oft übernimmt das Pflegeheim die Betreuung während die Angehörigen der Pflegebedürftigen ihrer Arbeit nachgehen“, sagt Monika Welfens. Da das eigene Zuhause für Pflegebedürftige wichtig sei, werde die Versorgung dort mit einer Kombination aus Pflegeleistungen organisiert. Daher müsse der Freistaat Sachsen mehr in den Ausbau regionaler Pflegeinfrastrukturen investieren, wie Wohn- und Versorgungskonzepte, Angebote zur Verhinderungspflege, Beratungsangebote, gezielte Unterstützung von pflegenden Angehörigen. „Ausreichende Pflegeeinrichtungen, Kurzzeitpflegeplätze, barrierefreie Wohnungen und eine flächendeckende Versorgung – das sind zentrale Punkte, die für Pflegequalität wichtig sind“, ergänzt der Landesgeschäftsführer des Sozialverbands VdK Sachsen.
Wegen gestiegener Kosten seltener im Pflegeheim
In Sachsen entscheiden sich immer weniger Menschen mit Pflegegrad 2 für eine vollstationäre Pflege. Deren Zahl sank zwischen 2017 und 2023 um 17 Prozent auf knapp 5.000. Hingegen stieg die Zahl der vollstationär betreuten Personen mit Pflegegrad 3 (plus 38 Prozent) und Pflegegrad 4 (plus 13 Prozent). „Menschen mit einem moderat ausgeprägten Pflegebedarf bevorzugen zunehmend die Pflege zu Hause. Der Wechsel in ein Pflegeheim erfolgt, wenn der Pflegebedarf komplexer wird“, vermutet die Barmer-Chefin. Ein Grund für die Zurückhaltung seien dynamisch steigende Pflegeheimkosten. Die Eigenbeteiligung für Pflegeheime in Sachsen stieg zwischen 2018 und 2024 um 126 Prozent, allein im Jahr 2024 um 9 Prozent. Im Januar 2025 lag sie bereits knapp bei 3.000 Euro. Gründe für die Kostensteigerungen sind nicht nur die Tariflohnerhöhungen für Pflegekräfte. Damit gute Pflege in Sachsen bezahlbar bleibt, ist auch die Landesregierung gefragt. „Würde das Land Sachsen seiner gesetzlichen Verpflichtung zur Übernahme der Investitionskosten nachkommen, wären die Kosten für einen Pflegeheimplatz um rund 430 Euro im Monat geringer“, sagt Welfens. Ebenfalls Einsparpotential für Pflegeheimbewohnerinnen und -bewohner sehe die Barmer bei der Finanzierung der Ausbildung von Pflegekräften und sonstigem Gesundheitspersonal in den Einrichtungen. Diese Kosten würden on-top auf die Bewohnerinnen und Bewohner umgelegt. Das jedoch sei eine öffentliche Aufgabe und müsse grundsätzlich über Steuern finanziert werden, so eine weitere Forderung der Barmer.
Entlastung für Angehörige
Über 80 Prozent der Pflegebedürftigen werden von Angehörigen betreut, oft mit Unterstützung von Pflegediensten. „Dabei stehen pflegende Angehörige vor großen Aufgaben, die gut gelingen können, wenn die richtigen Voraussetzungen und eine bedarfsgerechte pflegerische Versorgung geschaffen werden“, sagt die Barmer-Chefin. „Damit Pflege und Beruf vereinbart werden können, brauchen pflegende Angehörige flexible Arbeitszeitmodelle, Pflegezeitgesetze, finanzielle Entlastungen auch in Form einer Lohnersatzleistung für die Pflegezeit aber auch Wertschätzung“, sagt Ralph Beckert. Er unterstützt daher auch die Forderung der Barmer, dass Pflegebedürftige eine Art steuerfinanziertes Gehalt bekommen müssten. Angesichts immer größer werdender Pflegebedarfe in unserer Gesellschaft müsse aber auch der Ausbau digitaler Pflegeunterstützung als wichtige gesundheitspolitische Aufgabe gesehen werden.
Ralph Beckert - Landesgeschäftsführer des Sozialverband VdK Sachsen e.V.
„So vielversprechend die Möglichkeiten für eine Pflege im eigenen zu Hause auch sein mögen, es ist wichtig, dass Angehörige einen realistischen Blick auf die Umsetzungsmöglichkeiten behalten. Dafür bedarf es transparenter Informationen für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen, die regelmäßigen Qualitätsprüfungen unterliegen“, sagt Ralph Beckert. Denn, würden Pflegebedarfe komplexer, müsse möglichst frühzeitig über Betreuungsalternativen nachgedacht und gegebenenfalls eine pflegerische Betreuung im Pflegeheim in Erwägung gezogen werden. Auch müsse der Pflegenden selbst an seine Gesundheit denken. Krankenkassen böten hierfür unterstützende Schulungen sowohl zu Pflegekompetenzen, aber auch für die Selbstfürsorge an.
Viele Pflegeleistungen, darunter auch das Pflegegeld, können kombiniert werden.
Informationen und Beratungsangebote finden Pflegebedürftige und deren Angehörige beispielsweise über das PflegeNetz Sachsen. Themenseiten und eine landesweite Pflegedatenbank unterstützen bei der gezielten Suche nach passenden Ansprechpartnern und Unterstützungsangeboten vor Ort.
Die BARMER hilft ebenfalls dabei Versorgungsmodelle zu finden, die den individuellen Bedürfnissen so weit wie möglich entgegenkommen. So werden auch bauliche Anpassungen der Wohnung unterstützt. Pflegebedürftige können pro wohnumfeldverbessernder Maßnahme, wie etwa dem altersgerechten Umbau eines Badezimmers, bis zu 4.000 Euro beantragen. Mehr: www.barmer.de/s050006
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