BARMER Arzneimittelreport 2025: In Sachsen sind rund 77 Prozent der anspruchsberechtigten Menschen nicht oder unvollständig gegen Herpes zoster (Gürtelrose) geimpft.
Dresden, 08. Dezember 2025 – Das betrifft mehr als eine Million Menschen ab 60 Jahren, obwohl die Impfung seit Mai 2019 von den Krankenkassen übernommen wird. Der Impfschutz wirkt. Er kann die Erkrankungen an Gürtelrose nachweisbar verhindern, wie der aktuelle Barmer Arzneimittelreport zeigt.
Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der BARMER in Sachsen
„Die Herpes-zoster-Impfung senkt das Risiko einer Gürtelrose erheblich. Die bisherige Impfquote ist jedoch absolut unzureichend. Angesichts der oft schweren Verläufe und Komplikationen ist die Quote zu niedrig. Versicherte haben Anspruch auf die Impfung und sollten sie erhalten“, sagt Monika Welfens, Landesgeschäftsführerin der Barmer in Sachsen. Laut Report sinke das Erkrankungsrisiko bei vollständiger Impfung um 64 Prozent. Auch Komplikationen wie Gürtelrose am Auge, die schlimmstenfalls zur Erblindung führen könne, treten durch die Impfung seltener auf. Gleiches gelte für den postherpetischen Nervenschmerz, der monatelang quälen und eine Behandlung mit Opioiden erfordern könne.
Erkrankungsrate steigt mit dem Alter deutlich an
Der Arzneimittelreport zeigt, dass vor allem ältere Menschen in Sachsen an Gürtelrose erkranken. Mit steigendem Alter treten auch häufiger Folgeerkrankungen auf. Menschen zwischen 60 und 69 Jahren sind in Sachsen 45 Prozent häufiger betroffen als jene zwischen 18 und 59 Jahren. Ab 80 Jahren verdoppelt sich das Risiko. Auch bei den Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen sind Menschen ab 80 Jahren am stärksten betroffen: Sie erleiden mehr als doppelt so häufig eine Gürtelrose mit Augenbeteiligung und fast viermal häufiger andauernde Nervenschmerzen. „Ich appelliere an alle über 60, die Herpes-zoster-Impfung anzunehmen, um sowohl die akute Erkrankung als auch schwerwiegende Folgen zu vermeiden“, sagt Welfens.
Impfraten deutschlandweit unzureichend
Nur 23,5 Prozent der anspruchsberechtigten Barmer-Versicherten über 60 Jahren in Sachsen sind vollständig gegen Herpes-zoster Virus (HZV) geimpft. Drei von vier haben keinen oder nur unvollständigen Schutz. Es gibt regionale Unterschiede: Baden-Württemberg und Bayern sind Schlusslichter mit Impfquoten von 15,2 bzw. 15,4 Prozent. In Sachsen-Anhalt ist fast jeder Dritte ab 60 Jahren (29,3 Prozent) geimpft. Obwohl Sachsen leicht über dem bundesweiten Durchschnitt (21,3 Prozent) liegt, verbleibt ein hohes Erkrankungsrisiko für die über 60- und über 80-Jährigen.
HZV-Impfquoten in Hausarztpraxen sehr unterschiedlich
Der Arzneimittelreport zeigt auch Unterschiede bei der Gürtelrose-Impfquote zwischen Hausarztpraxen. In sächsischen Praxen mit den niedrigsten Impfquoten wurden nur bis zu fünf Prozent der Patientinnen und Patienten ab 60 Jahren geimpft. In den Praxen mit den höchsten Quoten hingegen erhielt fast die Hälfte (45 Prozent) dieser Altersgruppe die Impfung. „Stark variierende Herpes-zoster-Impfquoten deuten darauf hin, dass nicht alle hausärztlichen Praxen die Impfung gleichermaßen anbieten“, sagt die Barmer-Landeschefin. Hausärztinnen und Hausärzten komme jedoch eine besonders wichtige Rolle zu. „Die Ärztinnen und Ärzte haben die höchste Glaubwürdigkeit. Deshalb ist ihre Ansprache am wirkungsvollsten“, sagt Welfens weiter. Ob ein Patient die Impfung erhalte, sollte allerdings nicht vom Hausarzt abhängen. Impfen sei Aufgabe aller Praxen. „Auch Patientinnen und Patienten selbst können zu höheren Impfquoten und damit zu ihrem eigenen Gesundheitsschutz beitragen, indem sie zu jedem Besuch beim Arzt oder der Ärztin ihren Impfausweis mitnehmen und nach möglichen Impfungen fragen“, sagt Constanze Anders, Fachärztin für öffentliches Gesundheitswesen, Amtsleiterin Gesundheitsamt, Stadt Leipzig und Vorsitzende des Landesverbands der Ärzte und Zahnärzte im Öffentlichen Gesundheitsdienstes Sachsen (LVÖGD Sachsen). Sie weist darauf hin, dass Gesundheitsämter ebenfalls Impfmöglichkeiten böten. Das könne Arztpraxen entlasten.
Bessere Organisation für mehr Impfungen – Erinnerungsfunktion
Wie gut geimpft wird, hänge oft von der Praxisorganisation ab. Es könne sein, dass mache Hausärzte es im stressigen Alltag nicht schaffen, Impfungen regelmäßig anzusprechen. Digitale Erinnerungssysteme können hier helfen. Einige Praxen scheinen damit bereits jetzt schon erfolgreicher zu sein als andere, was auch bei Grippeschutzimpfungen sichtbar würde. Praxen mit niedriger Herpes-zoster-Impfrate impften auch seltener gegen Influenza. Ein Erinnerungssystem in der elektronischen Patientenakte (ePA) könnte ebenfalls zukünftig Ärzte auf anstehende Impfungen hinweisen, idealerweise als „Push“-Informationen, sodass der Arzt automatisch relevante Informationen erhalte – ohne zusätzlichen Aufwand und ohne, dass ältere Patienten eine App bedienen müssten. „Wir sehen die Software-Hersteller in der Pflicht, dafür nutzerfreundliche Lösungen zu entwickeln“, sagt die Barmer-Chefin. Sie befürworte zudem, die Impfberatung für Menschen ab 60 Jahren als eigenständigen Vorsorgetermin zu etablieren.
Chronisch Kranke ab 18 Jahren profitieren von neuen Regeln
Bisher hatten neben den über 60-Jährigen auch Menschen von 50 bis 59 Jahren mit chronischer Erkrankung wie Diabetes Anspruch auf Kostenübernahme einer Gürtelrose-Impfung durch die gesetzliche Krankenversicherung. Die Ständige Impfkommission hat jüngst entschieden, diesen Anspruch auf chronisch Kranke ab 18 Jahren auszuweiten. Der Gemeinsame Bundesausschuss, der die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen festlegt, hat nun bis zum Anfang des Jahres 2026 Zeit, eine Entscheidung zur Umsetzung zu treffen. „Die Gürtelrose-Impfung für chronisch Kranke ab 18 Jahren war schon vor Entscheidung der Ständigen Impfkommission Satzungsleistung bei der Barmer und damit kostenfrei für ihre Mitglieder möglich“, betont Welfens.