Patrick Jahn
STANDORTinfo Sachsen-Anhalt

Professor Patrick Jahn von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg zur Digitalisierung in der Pflege

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Demografische Entwicklung, Fachkräftemangel, angespannte Finanzsituation – Die gesetzliche Pflegeversicherung hat großen Reformbedarf. Die Barmer hat daher in ihrem Positionspapier „Pflege für die Zukunft stark machen“ eine Vielzahl von Reformmaßnahmen formuliert, mit denen die soziale Pflegeversicherung für die zukünftigen Herausforderungen gewappnet werden kann. Die Krankenkasse liefert damit einen wichtigen Impuls für die Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung. In einem Sondernewsletter kommentieren wichtige Stimmen der Gesundheitsbranche Sachsen-Anhalts die einzelnen Vorschläge.

Barmer-Vorschlag: Digitalisierung in der Pflege ausbauen

Digitale Assistenztechnologien können Pflegebedürftigen helfen, länger im eigenen Zuhause zu wohnen. Digitalisierung soll aber auch Kommunikation und Dokumentation in der Pflege erleichtern und eine gut abgestimmte Behandlung ermöglichen, etwa durch die Nutzung der elektronischen Patientenakte. Details dazu finden Sie hier.

Professor Patrick Jahn zum Vorschlag der Barmer

„Die Kostenträger setzen sich verstärkt mit der zukünftigen Sicherung der Pflegeversorgung auseinander. Prognosen der Vergangenheit sind nun bereits Realität. Sie sind spürbar und müssen jetzt aktiv angegangen werden. Das Positionspapier der Barmer setzt aus meiner Sicht drei wichtige Akzente:

  1.  Der zentrale Fokus liegt bei den Pflegebedürftigen und deren Angehörigen und das setzt die richtige Priorität. Der steigende Versorgungsbedarf und die demografische Entwicklung mit der Reduktion der Erwerbspersonen ist die entscheidende Ursache für den steigenden Pflegefachkräftebedarf. Zu dieser Wahrheit gehört auch, dass der entscheidende Lösungsbeitrag für die drängenden Versorgungsfragen auch von uns Pflegenden kommen und aktiv gestaltet werden muss.
  2. Die Lösung für die Versorgungsbedarfe von Pflegebedürftigen und die Unterstützung der Angehörigen wird nicht nur rein quantitativ gelöst werden, sondern bedarf durch Innovationen in der Pflege auch einem qualitativen Beitrag. Personalbemessung möglichst ohne zusätzliche Dokumentationsaufwände (wie das beispielsweise in der PPR 2.0 veranlagt ist) liefert endlich die Vorrausetzung im Krankenhaus eine bedarfsorientierte Personalplanung einzuführen und eine Antwort auf die Frage: „Wie viele Pflegepersonen benötigen wir?“. Es wird allerdings zunehmend schwierig, diesen quantitativen Bedarf zu erfüllen. Qualifikation und Innovationen, besonders digital-assistiver Technologien, können und müssen auch einen qualitativen Anteil leisten. Dies sollte ganz im Sinne von Punkt 1 durch Förderung der Autonomie von Pflegebedürftigen und Reduktion von Teilhabebeeinträchtigungen der Pflegebedürftigen erreicht werden. Der Roboter wird dann zur Autonomiehilfe und nicht zum Pflegeersatz.
  3. Die Attraktivität des Pflegeberufes stärken durch Innovationsunterstützende und eigenständige Aufgaben in allen Versorgungssettings. Wir Pflegenden können und wollen die Verantwortung für die Lösung der Versorgungsbedarfe (qualitativ und quantitativ) wahrnehmen. Im Positionspapier werden wichtige Punkte angesprochen: Höhere Eigenständigkeit (wie bspw. im Paragraf 64d SGB V zur Übernahme heilkundlicher Tätigkeiten), vernetzte Versorgung, digitale Kompetenzen und das Verständnis wissenschaftliche Innovation im Fach anzustoßen sowie wissenschaftliche Karrierewege in der Pflegepraxis und letztlich auch finanzielle Rahmenbedingungen, die diese Innovationsbereitschaft durch eine konkrete Aussicht auf Realisierung auch befördern.

Die Kolleginnen des US-amerikanischen Pflegeverbandes haben ähnliche Punkte in ihrer Zukunftsstrategie festgeschrieben und bezeichnen diese als bold moves – das lässt sich etwa mit mutigen Schritten übersetzen. Das Positionspapier der Barmer markiert genau den richtigen Weg. Entscheidend wird nun sein, die mutigen Schritte auch zu tun.“