BARMER-Veranstaltung "Digitalisierung in der Pflege"
STANDORTinfo Hamburg

„Der spielerische Umgang mit der Digitalisierung fehlt uns.“

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Die Digitalisierung eröffnet auch in der Pflege viele Möglichkeiten: Digital unterstützte Pflegeassistenzsysteme oder Robotik, digitale Pflegeanwendungen oder telepflegerische Angebote machen vieles leichter. Doch wo geht es im Bereich Pflege hin, und wo gibt es Grenzen? Darüber haben wir am 12. September bei unserer politischen Veranstaltung im Dialoghaus in der Speicherstadt diskutiert.

Thomas Flotow, Geschäftsführer Pflegen & Wohnen Hamburg GmbH, sagte in seinem Impulsvortrag, die Zukunft berge große Herausforderungen für die Pflege: „Wir haben eine deutliche Demografieentwicklung und alternde Belegschaften." Verlässliche Dienstpläne und strukturiertes Arbeiten seien nötig, um Pflegekräfte dauerhaft zu binden und zu motivieren. 
Die Digitalisierung könne dabei ein weiterer unterstützender Faktor sein. Die Vision des Geschäftsführers: Ein Avatar auf dem Smart TV soll den Pflegebedürftigen die nötige individuelle Ansprache geben, ohne die Pflegenden aus ihren Tätigkeiten herauszureißen. Dahinter könne eine Pflegekraft stehen, die gerade tatsächlich aus einem anderen Raum heraus mit der Person spricht – es könne aber auch Künstliche Intelligenz dahinterstecken, die in Gestalt eines Angehörigen daherkommen und auch verschiedene Sprachen sprechen könnte.

„Demenzkranke Zugewanderte verlernen sehr schnell die deutsche Sprache, darum wäre es optimal, sie in ihrer Muttersprache anzusprechen“, so Flotow. In Marienthal habe Pflegen & Wohnen bereits ein erstes entsprechend vorgerüstetes Haus. „Über die Ethik kann man an der Stelle sicher diskutieren, aber die Herausforderungen in der Pflege lassen sich nicht anders bewältigen.“ Flotow erwartet solche Lösungen in spätestens drei bis fünf Jahren: „Wir brauchen mehr maschinengestützte Kommunikation, die Nähe bringt und gleichzeitig entlastet.“

Über die verschiedenen Aspekte der Digitalisierung diskutierten im Anschluss unter Moderation von Barmer-Landespressesprecher Karsten Schulz Kristin Alheit (Geschäftsführende Vorständin beim Paritätischen Wohlfahrtsverband Hamburg e.V.), Birgt Pätzmann-Sietas (Präsidiumsmitglied im Deutschen Pflegerat e.V.) und Barmer-Landesgeschäftsführerin Dr. Susanne Klein.

BARMER-Veranstaltung "Digitalisierung in der Pflege"

Diskutierten über "Digitalisierung in der Pflege" (v.l.n.r.): Dr. Susanne Klein, Kristin Alheit, Birgit Pätzmann-Sietas und Thomas Flotow, Karsten Schulz.

(Foto: Barmer)

Die Digitalisierung im Bereich Pflege gehe deutlich zu langsam voran, waren sich die Podiumsteilnehmer einig. „Dieses Tempo wäre in anderen Bereichen undenkbar“, kritisierte Birgit Pätzmann-Sietas. Sie sehe die Digitalisierung in der Pflege als gesamtgesellschaftliche Aufgabe an. Insgesamt gebe es in Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern noch zu viele Hürden, die verhindern, Prozesse digitaler zu gestalten, so die einhellige Meinung. „Es gibt zu viel Perfektionismus. Wir brauchen den Mut, anzufangen, ohne uns immer zu hundert Prozent abzusichern“, sagte Flotow. Kristin Alheit ergänzte: „Der spielerische Umgang mit der Digitalisierung fehlt uns. Es muss immer erstmal alles bis ins Detail geprüft werden.“ Es gebe noch zu viele Ängste, etwa vor Arbeitsplatzverlust. Auch Susanne Klein pflichtete bei: „Es fehlt der Mut, ins Tun zu kommen. Auch eine bessere Fehlerkultur ist nötig.“

Birgit Pätzmann-Sietas wünschte sich, dass der Antrieb zu mehr Digitalisierung nicht immer nur von außen über den Bereich gestülpt wird, sondern die Motivation auch aus der Profession selbst kommt. Wichtig sei, die Debatte jetzt fortzuführen und nicht zu warten. „Wir dürfen die Diskussion nicht auf Folgegenerationen verschieben, sonst haben wir in zehn Jahren Versorgungslücken“, mahnte Thomas Flotow. Kristin Alheit betonte, für die Zukunft wünsche sie sich eine bunte Kombination, damit Menschen im Alter länger im eigenen Zuhause bleiben können: „Ideal wäre das Smart Home in Verbindung mit bunteren und verantwortungsvolleren Nachbarschaften.“ Susanne Klein plädierte dafür, einen bedarfsorientierten Ansatz zu verfolgen. „Lassen Sie uns gemeinsam schauen, was wir für eine gute Pflege der Zukunft brauchen.“