Frauenhände auf einem Stapel Akten

Nichts muss für den Medizinischen Dienst dokumentiert werden

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Dr. Andreas Krokotsch

Dr. Andreas Krokotsch ist Abteilungsleiter Krankenhaus beim Medizinischen Dienst Nord.

(Foto: MD Nord/Sandrina ven Undin)

Von Dr. Andreas Krokotsch
Entbürokratisierung ist als Schlagwort derzeitig in aller Munde. Bürokratie ist nichts per se Schlechtes; sie schafft Verfahrenssicherheit und schützt vor Willkür. Entbürokratisierung kann jedoch nicht bedeuten, dass zukünftig auf Dokumentation und Prüfungen gänzlich verzichtet werden kann. Aber nichts muss wegen einer möglichen Prüfung des Medizinischen Dienstes (MD) dokumentiert werden. Eine für die Behandlung ausreichende Dokumentation reicht aus. Wichtig ist das erforderliche Maß von Dokumentation für die Behandlungssicherheit und den Patientenschutz wie auch zur Absicherung gegenüber Haftungsrisiken der Klinik. Auf unnötige Bürokratie wollen wir verzichten. Das muss unser gemeinsames Ziel sein. Folgendes Beispiel aus der Praxis soll verdeutlichen, dass eine gesonderte „Dokumentation für den Medizinischen Dienst“ in der Regel NICHT erforderlich ist, sondern der MD auf die aus Gründen der krankenhausinternen Qualitätssicherung erforderliche Dokumentation zurückgreift: 

Eine 89jährige Patientin wird nach einem akut aufgetretenen Schlaganfall in der Geriatrie eines Krankenhauses aufgenommen. Es bestehen eine neu aufgetretene Halbseitenlähmung, Schluck- und Sprachstörung. Das Behandlungsteam führt zunächst ein geriatrisches Assessment durch, um festzustellen, welche funktionellen Defizite bestehen. Daraus werden die Behandlungsstrategie sowie die einzubindenden Fachdisziplinen wie zum Bespiel Logopädie, Physio- und Ergotherapie abgeleitet. Mit einem sozialen Assessment wird festgestellt, ob die Selbstversorgung im häuslichen Umfeld gefährdet ist. 

In einer wöchentlichen Teambesprechung tauscht sich das Behandlungsteam unter Beteiligung der Pflege sowie der einzelnen Therapiebereiche über den erreichten Behandlungsfortschritt und die Behandlungsziele aus. Die mehr als dreiwöchige Behandlung erfolgt durch ein großes Team. Die Beteiligten des Teams können sich nicht täglich persönlich austauschen und entnehmen den Behandlungsfortschritt sowie wichtige Informationen der Behandlungsdokumentation. Hierbei stehen die Entwicklung der Mobilität und Selbsthilfekompetenz der Patientin sowie ein Risiko zum Verschlucken bei der Nahrungsaufnahme im Vordergrund. Alle Behandlungsschichten orientieren sich anhand der Pflegedokumentation und Berichte der Therapeutinnen und Therapeuten über den Verlauf. Sie sind dadurch informiert, dass – entgegen der Behauptung der Patientin – ein Sturzrisiko besteht, wie auch ein Verschluckungsrisiko bei Flüssigkeiten. Anhand eines initialen Lagerungsplans hat das Behandlungsteam einen Dekubitus* erfolgreich vermieden und etwaigen Pflegefehlervorwürfen vorgebeugt. 

Sämtliche beschriebene Dokumentation im Krankenhaus ist ausschließlich für die Patientin erfolgt und notwendig zur Sicherung der Behandlungsqualität. Sie erfolgt, damit die einzelnen Fachdisziplinen des Behandlungsteams den jeweiligen Behandlungsfortschritt der anderen Professionen erkennen und weitere Behandlungsziele erkennen können. Sie dient auch der gegenseitigen Information von Risiken wie Stürzen oder das Eindringen von Flüssigkeit in die Lunge. 

Sämtliche hier vorgestellten Dokumentationsbereiche sind sogenannte Mindestmerkmale einer geriatrischen Frührehabilitation gemäß OPS 8-550. Sofern eine Krankenkasse den Medizinischen Dienst mit einer Abrechnungsprüfung dieses Behandlungsfalls beauftragt, kann er sämtliche abrechnungsrelevanten Voraussetzungen der regulären Behandlungsdokumentation entnehmen. 

Wie kann perspektivisch eine Entbürokratisierung vorangebracht werden? Gerne stehen wir zur Verfügung, um im Rahmen eines gemeinsamen Diskurses verzichtbare Dokumentation festzustellen. Noch wichtiger ist, dass die komplette Dokumentation digital erfolgt. Das Potential durch Digitalisierung und damit verbundene Entlastung der Pflege ist längst noch nicht überall gehoben. Auch Künstliche Intelligenz kann zukünftig bei der Dokumentation zu einer weitergehenden Entlastung beitragen. Erste Modelle einer automatischen Erfassung jeder therapeutischen und pflegerischen Aktivität sind bereits in Erprobung. 

Der Medizinische Dienst Nord bietet seit 2023 im Rahmen der OPS-Strukturprüfungen als ressourcenschonendes Verfahren für Kliniken ein webbasiertes Antragsportal an. Krankenhäusern werden ihre Stammdaten vom MD angeboten, eine Dateneingabe durch Krankenhäuser entfällt. Kliniken werden vom MD auf auslaufende Bescheinigungen aufmerksam gemacht, fertige digitale Antragsformulare werden den Krankenhäusern angeboten. Der Medizinische Dienst Nord ist bereits eigeninitiativ sehr aktiv im Bereich der Entbürokratisierung tätig. 

Im Rahmen der Krankenhausreform werden Leistungsgruppen neu eingeführt. Auch hier wird der Medizinische Dienst aktiv daran arbeiten, Doppelerhebungen durch G-BA-Richtlinien-Kontrollen, OPS-Strukturprüfungen und Leistungsgruppen zu vermeiden.

*) Ein Dekubitus ist ein Druckgeschwür der Haut, das durch anhaltende Druckbelastung ausgelöst wird.