BARMER-Arzneimittelreport 2025

Massive Gürtelrose-Impflücken in Bayern

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München, 11. Dezember 2025 – In Bayern ist nur jeder Sechste der anspruchsberechtigten Menschen vollständig gegen Herpes zoster (Gürtelrose) geimpft. Rund 3,3 Millionen Menschen in Bayern ab 60 Jahren haben somit keinen ausreichenden Impfschutz, obwohl die Impfung von der Stiko empfohlen und von den Krankenkassen übernommen wird. Der Impfschutz kann zwei von drei Gürtelrose-Erkrankungen verhindern, wie der aktuelle BARMER-Arzneimittelreport zeigt. "Die Herpes-zoster-Impfung senkt das Risiko einer Gürtelrose erheblich. Die bisherige Impfquote ist jedoch absolut enttäuschend. Angesichts der oft schweren Verläufe und Komplikationen ist die Quote zu niedrig. Versicherte haben Anspruch auf die Impfung und sollten sie angeboten bekommen", sagt Alfred Kindshofer, Landesgeschäftsführer der BARMER in Bayern. Laut Report sinke das Erkrankungsrisiko bei vollständiger Impfung um 64 Prozent.

Impfraten deutschlandweit unzureichend

Konkret sind nur 15,4 Prozent der bayerischen BARMER-Versicherten über 60 Jahren vollständig gegen Gürtelrose geimpft. Damit hat Bayern deutschlandweit eine der niedrigsten Impfquoten. Nur in Baden-Württemberg (15,2 Prozent) sind noch weniger Menschen über 60 Jahren vollständig gegen Gürtelrose geimpft. In Sachsen-Anhalt ist immerhin fast jeder Dritte ab 60 Jahren (29,3 Prozent) geimpft. In den westlichen Bundesländern liegen nur Schleswig-Holstein (24.2 Prozent), Niedersachsen (25,1 Prozent) und Rheinland-Pfalz (22,6 Prozent) über dem Bundesdurchschnitt (21,3 Prozent).

HZV-Impfquoten in Hausarztpraxen sehr unterschiedlich

Der Arzneimittelreport zeigt auch Unterschiede bei der Gürtelrose-Impfquote zwischen Hausarztpraxen. In Bayern reichen die Impfquoten je Praxis von null bis 69 Prozent.  Die zehn Prozent der bayerischen Praxen, die am meisten impfen, tun dies nur bei rund 33 Prozent der Patientinnen und Patienten, die eigentlich Anspruch auf eine Impfung gegen Gürtelrose haben. "Stark variierende Gürtelrose-Impfquoten deuten darauf hin, dass nicht alle hausärztlichen Praxen die Impfung gleichermaßen anbieten", sagt BARMER-Landeschef Kindshofer. Ob ein Patient oder eine Patientin die Impfung erhalte, sollte nicht vom Hausarzt abhängen. Impfen sei Aufgabe aller Praxen. Mögliche Impfskepsis ist laut BARMER Arzneimittelreport nicht die Ursache für die unzureichenden Impfquoten. Denn in den Analysen zeigt sich, dass die Herpes-zoster-Impfquoten in den Praxen mit den Quoten der Grippe-Impfung korrelieren. Das lege nahe, dass es bei den weniger impfenden Praxen keine selektive Impfskepsis explizit gegen Gürtelrose gibt.

Elektronische Patientenakte als Chance

Um die Impfquoten zu steigern und Menschen ab 60 Jahren besser gegen die Infektion und Folgen einer Herpes-zoster-Infektion zu schützen, schlägt die BARMER unter anderem ein Erinnerungssystem in der ePA vor. Eine solche Lösung könnte Ärztinnen und Ärzte auf anstehende Impfungen hinweisen, idealerweise als „Push“-Informationen, sodass der Arzt automatisch relevante Informationen erhält – ohne zusätzlichen Aufwand und ohne, dass ältere Patienten eine App bedienen müssten. "Bei der Umsetzung einer solchen Erinnerungslösung müssen Impfdaten, die von der impfenden Praxis sowieso schon in deren eigenem Praxissystem gespeichert werden müssen, automatisch in die ePAübertragen werden, in den Impfpass. Ich sehe die Software-Hersteller in der Pflicht, dafür nutzerfreundliche Lösungen zu entwickeln", so Alfred Kindshofer. Der BARMER-Landeschef befürworte zudem, die Impfberatung für Menschen ab 60 Jahren als eigenständigen Vorsorgetermin zu etablieren.

Erkrankungsrate steigt mit dem Alter deutlich an

Der Arzneimittelreport zeigt, dass vor allem ältere Menschen in Bayern an Gürtelrose erkranken. Mit steigendem Alter treten auch häufiger Folgeerkrankungen auf. Menschen zwischen 60 und 69 Jahren sind 52 Prozent häufiger von Gürtelrose-Erkrankungen betroffen als jene zwischen 18 und 59 Jahren. Ab 80 Jahren verdoppelt sich das Risiko nahezu. Auch bei den Begleiterkrankungen bzw. Komplikationen sind Menschen ab 80 Jahren am stärksten betroffen: Sie erleiden dreimal häufiger eine Gürtelrose mit Augenbeteiligung, die bis zum Erblinden führen kann und fast viermal häufiger andauernde Nervenschmerzen. "Ich appelliere an alle über 60, die Gürtelrose-Impfung anzunehmen, um sowohl die akute Erkrankung als auch schwerwiegende Folgen zu vermeiden", sagt Kindshofer.

Versicherte und Hausärzte sind privilegiert

"Wir sind als Versicherte und Hausärztinnen und Hausärzte privilegiert: Eine sichere, wirksame, aber auch teure Impfung wird uns allen zur Verfügung gestellt und ist offiziell und wissenschaftlich fundiert empfohlen", stellt Professor Dr. med. Jörg Schelling, Facharzt für Allgemeinmedizin fest. An Informationsmaterialien für die gesamte Bevölkerung mangele es nicht. Jetzt müssten strukturelle Maßnahmen folgen: Eine ergebnisoffene Impfberatung für ältere Menschen, die Förderung von digitalem Impfmanagement mit einem Erinnerungssystem und datensicherer Patienten-App und möglicherweise auch Vergütungsanreize für den Abschluss der Immunisierung gegen Gürtelrose. "Krankenkassen und Hausärzteschaft sollten hier an einem Strang ziehen, um Folgekosten aber auch unnötiges Leid und Schmerzen zu verhindern", betont Schelling.